Der Jüngste ist der Chef
Nach der Tour will Marc Hirschi eine WM-Medaille

Mit erst 22 Jahren ist Marc Hirschi die grosse Hoffnung des Schweizer WM-Sextetts. Er wird von einer erfahrenen «Dino-Truppe» unterstützt.
Publiziert: 20.09.2020 um 12:12 Uhr
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Aktualisiert: 26.09.2020 um 22:52 Uhr
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Holt Marc Hirschi nach der Tour eine Medaille an der WM?
Foto: freshfocus
Mathias Germann

Gibt es für Marc Hirschi überhaupt Grenzen? Der 22-jährige Berner aus Ittigen zeigt eine bärenstarke Tour de France, fährt dreimal in die Top 3 und gewinnt eine Etappe. «Marc ist explosiv, kommt gut über die Berge und fährt super herunter. Ich sehe für ihn keine Limiten», sagt Berufskollege Stefan Küng (26). Tatsächlich hätte es sich Hirschi ab Sonntagabend redlich verdient, die Beine hochzulagern. Zumal er nach einem Sturz einige Nachwehen verspürt. Aber: Hirschi hat bereits wieder viel vor!

«Ich werde als Leader zur WM fahren», kündigt der Youngster selbstbewusst an. Damit spricht er das Strassenrennen vom kommenden Sonntag in Imola (It) an. Es ist der Ersatz-WM-Ort für die wegen Corona abgesagten Titelkämpfe in Aigle/Martigny. «Der Parcours entspricht mir wirklich gut», so Hirschi. Auf 9 Runden sind 258 Kilometer und fast 5000 Höhenmeter zu bewältigen. Die zwei Anstiege pro Runde (Mazzolano und Cima Gallisterna) sind dabei genau nach dem Gusto Hirschis: kurz, knackig und beinhart. «Wie bei einem Frühjahrsklassiker», sagt Mathias Frank (33). Der 33-Jährige aus Roggliswil LU ist im sechsköpfigen Schweizer Team nur Ersatz, weil ihm eher lange Bergaufstiege liegen. Frank: «Für mich gehört Marc zum Kreis der Topfavoriten.»

Das sieht auch Nationaltrainer Marcello Albasini so. «Er ist einer der besten fünf am Start.» Im Gegensatz zu früheren Weltmeisterschaften setzt er da­rum nur auf eine Karte – Hirschi oder nichts, könnte man sagen. Besonders dabei: Hirschis fünf Teamkollegen sind deutlich älter als er selbst Michael Albasini, Marcello Albasinis Sohn, ist 39. Enrico Gasparotto 38, Michael Schär 33, Silvan Dillier 30 und Simon Pellaud 27. Sind sie bereit, die eigenen Träume hinten anzustellen und alles für Jungspund Hirschi zu geben? «Genau das habe ich sie ausdrücklich gefragt. Alle sagten Ja», so Albasini.

«Nerven nicht verlieren»

Eine «Dino-Truppe» soll Hirschi also den Weg zur WM-Medaille ebnen. Albasini grätscht dazwischen: «Es geht nicht um das Alter, sondern um die Qualität der Fahrer für diesen Parcours. Und ich brauche Leute, welche in einem hektischen Rennen die Nerven nicht verlieren.» Dennoch: Das hätte man auch jüngeren zugetraut. «Wem denn?», fragt Albasini. Zum Beispiel Johan Jacobs (23). «Für ihn ist die Strecke nicht gemacht», so Albasini. Wie wäre es mit Stefan Bissegger (22)? «Er hat einen anderen Rennplan.» Und was ist mit Gino Mäder (23)? «Er zeigte für mich zu wenig gute Resultate.»

Der Schweizer WM-Schlachtplan ist also schon jetzt klar. Hirschi soll beschützt werden, damit er es im Finale noch möglichst frisch richten kann. «Es wird bei den Anstiegen darum gehen, während drei, vier oder fünf Minuten voll zu powern. Ich habe die Strecke besichtigt, teilweise ist die Strasse nicht breiter als ein Auto», so Albasini. Ob Hirschi dann die Ellbogen aus­fahren kann? Immerhin ist er immer noch in seinem erst zweiten Profijahr. Albasini: «Das muss er nicht. Hirschi fährt unscheinbar, ist aber immer dabei. Und er kann ein Rennen und seine Gegner sehr gut lesen.»

Ob Hirschi tatsächlich das Zeug hat, um nach Oscar Camenzind 1998 in Valkenburg (Ho) der nächste Schweizer Strassen-Weltmeister zu werden? Etwas ist schon jetzt klar: Die Gegner wissen, wie gut er ist. Das ist schön, aber für Hirschi kein Vorteil.

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