Auf einen Blick
Am Sonntagabend verändert sich die Welt von Leo McCrea (20) in Sekundenschnelle. Er schlägt nach 100 m Brust in 1:27,15 an und distanziert damit den zweitplatzierten Spanier Antoni Ponce Bertran (37) um über zwei Sekunden.
Vor Paris hatte McCrea für seine Paradedisziplin eine Medaille zum Ziel erklärt, und tief in sich drinnen, im ganz grossen Traum, hatte diese eine bestimmte Farbe. Dass er sich diesen nun erfüllen konnte, ist für ihn auch knapp 22 Stunden später noch surreal. «Ich habe es noch überhaupt nicht realisiert», sagte er in der «Maison suisse» am Rande der offiziellen Medaillenfeier zu Blick, «ich habe so viele Emotionen.» Nach dem Rennen hatte er seine Familie gesehen, «das war ein sehr spezieller Moment.»
Seine Mutter ist Schweizerin
McCrea spricht englisch und lebt in Grossbritannien. Dass er für die Schweiz antritt, verdankt er seiner Mutter. Sie ist Schweizerin. Dank ihr konnte er den Pass beantragen. Die Familie lebt knapp zwei Stunden von London entfernt, dort ist auch sein Lebensmittelpunkt.
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Seit er aber 2019 begonnen hat, für die Schweiz zu starten, ist diese seine zweite Heimat. «Ich bin oft für Trainingscamps da und bin dann immer Teil des Teams. Ansonsten halte ich den Kontakt mit den Trainern meistens via Zoom-Meetings. Das klappt sehr gut.»
McCrea schwimmt, seit er acht Jahre jung ist. Seine ältere Schwester war damals in einem Klub und er trat dann auch bei. Lange gehörte sein Sportherz aber nicht nur dem Schwimmen: «Ich habe auch Fussball gespielt und eine Weile beides gemacht, aber dann habe ich mich für das Schwimmen entschieden.» Mit dem Namen seines Wohnorts – er lebt in der Stadt Poole – hatte diese Wahl übrigens nichts zu tun.
McCrea ist riesiger Fussballfan – und für die Nati
Der Fussball ist für ihn aber stets wichtig geblieben: Er ist glühender Fan von Crystal Palace, dem Londoner Traditionsverein, der bis vor kurzem vom ehemaligen Schweizer Nationaltrainer Roy Hodgson trainiert wurde. Zusammen mit Freunden schaut er generell gerne Fussballspiele.
Im Sommer stellte sich für ihn die fussballerische Gretchenfrage, als es an der EM zum Aufeinandertreffen zwischen England und der Schweiz kam. Er besteht den Test aus Schweizer Sicht: «Ich war für die Schweiz.»
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Wie praktisch immer hat McCrea hat eigentlich bei dieser Antwort ein Lächeln auf den Lippen, seine gute Laune wirkt ansteckend. Generell sei er eigentlich ein ganz normaler Junge, beschreibt er sich selber: «Ich lebe wie ein gewöhnlicher 20-Jähriger. Ich treffe mich gerne mit Freunden, verbringe Zeit mit meiner Familie und gehe bei mir zuhause gerne ans Meer.» Und was ist besonders schweizerisch an ihm? «Ich bin wirklich chilled.»
Jetzt träumt er vom Weltrekord
Viel Zeit für Hobbies hatte der Sportmanagement-Student zuletzt nicht – McCrea hat alles dem grossen Traum Paris untergeordnet. Seit Tokio, wo er bei seiner Paralympics-Premiere als 16-Jähriger auf der gleichen Strecke Platz 5 belegte, hat er das Training intensiviert und grosse Fortschritte gemacht.
Da sich nun sein grosser Traum erfüllt hat, gilt es, einen neuen zu kreieren. Er hat das bereits getan: «Ich möchte bald den Weltrekord und dann natürlich in vier Jahren den Titel verteidigen.» Zum Weltrekord fehlen ihm noch zwei Sekunden. Das Ziel ist durchaus realistisch: In den drei Jahren seit Tokio hat er seine Bestmarke um sieben Sekunden verbessert!