Dallas Oberholzer, ein Name wie aus der legendären Western-Serie «Bonanza». Aber nein, Dallas ist kein Cowboy, er ist ein zweifacher Olympiafahrer. Besser gesagt, ein Rider. Er cruist auf dem Skateboard durch Schüsseln, Bowls. In den Siebzigern übten die Skateboard-Fahrer in leeren Swimmingpools, heute sind die Pools ausgeklügelte Wettkampfstätten und das Niveau der Athleten gigantisch spektakulär.
Am 25. Juni 1975 ist der Südafrikaner Dallas Oberholzer geboren. In Tokio, als Skateboarden erstmals zu Olympia zählte, war er am Start. Nun, drei Jahre später in Paris, darf er erneut zeigen, was er draufhat. Der 49-Jährige fällt mit seinen grauen, langen Haaren, dem Bart und seinem eigenwilligen Stil etwas aus dem Rahmen. Ihm zuzuschauen ist etwa so, wie wenn man in Bern ins Museum für Kommunikation geht und sich dort die ersten Mobiltelefone anschaut.
Zuschauer feiern ihn wie ein Sieger
Drei Läufe hat Oberholzer zur Verfügung. Er stürzt dreimal, immerhin zeigt er beim dritten Run ein paar Schwierigkeiten. Aber eigentlich ist das egal. Die Zuschauer in der Concorde-Arena feiern den Oldie, von dessen Konkurrenten viele altersmässig seine Kinder sein könnten. Er klatscht sie ab, hier eine Faust, da ein Klaps, dort eine Umarmung. Die Skateboarder zelebrieren den Zusammenhalt.
Oberholzer geht auch jubelnd auf die Knie, wenn einer seiner Konkurrenten eine gute Punktzahl bekommt. Irgendwie ist das toll, aber irgendwie sieht das bei einem 49-Jährigen auch aufgesetzt cool aus. Forever young! Aber Dallas Oberholzer ist kein gewöhnlicher Olympionike. Nicht nur seines Alters wegen. Als er in die Mixed-Zone kommt, stürzen sich Journalisten auf ihn. Wie in Tokio belegte er auch in Paris den letzten Platz in der Disziplin Park. Aber das interessiert ihn nicht.
Ein begnadeter Geschichtenerzähler
Die Zuschauer sind froh, gibt es bei Olympia nicht nur Sieger, Rekordjäger und Überflieger. Zu den Spielen gehören auch die kuriosen Typen, die für Farbe und Unterhaltung sorgen. Dallas Oberholzer ist so einer. Ein begnadeter Geschichtenerzähler, der sich im Dschungel von Peru von einem Schamanen ein Gebräu reichen liess, dessen Inhalt eine heilende Wirkung haben soll, allerdings auch Halluzinationen auslöst. «Ich sah Drachen! Ich bin mit Drachen geflogen», erzählt er. «Ich war mit ihnen unter Wasser.» Zudem sah er eine Anakonda, Falken, leuchtende Farben … «Das Gefühl war nicht nur toll: ‹Ich hatte zeitweise das Gefühl, auseinandergerissen zu werden.›»
Gern erzählt er auch diese Geschichte, die schon etwas länger her ist: «Auf einer Reise an den Amazonas bin ich einem Jaguar begegnet. Wir standen Auge in Auge voreinander. Ich wusste, dass er mich gleich fressen würde. Da habe ich geschrien wie Tarzan, so laut ich konnte und das Tier vertrieben.»
Dallas sehnt sich nach einer Dusche, beantwortet aber weiter tapfer die Fragen der Journalisten. Seine Stimme ist zurückhaltend, seine Geschichten abenteuerlich, seine Sprache, die eines Weitgereisten, seine Meinung klar. «Ich finde, dass Skateboarden nicht zu ernst werden sollte.» Die junge Garde werde heute schon früh mit materiellem Anreiz geködert. «Ich habe diesen Sport wegen des schönen Gefühles angefangen, um mich ausdrücken zu können, um mich in meinem Körper besser zu fühlen.»
Nächstes Ziel: Los Angeles
Wird er von den jungen Mitstreitern noch um Rat gefragt? «Den brauchen sie nicht. Sie haben einen Trainer, einen Fitnesstrainer, einen Physiotherapeuten, einen Mentaltrainer. Wenn sie sich verletzen, gehen sie zum Osteopathen. Verrückt, dieser Sport ist zu einer Wissenschaft geworden. Wenn ich mich erholen musste früher, dann habe ich unter der Brücke Gras geraucht, weil ich dachte, das würde meine Muskeln lockern.»
Trotz der Vorbehalte und der Gefahr, dass ihn die Skateboard-Elite durch die rasante Entwicklung noch mehr abhängen wird, will Dallas Oberholzer weiterhin ambitioniert auf seinem Board die Welt erfahren. Der 49-Jährige liebäugelt bereits mit der Teilnahme an den Spielen in Los Angeles in vier Jahren. «Bei Olympia aufzutreten, ermöglicht mir, Menschen auf der ganzen Welt zu erreichen. Wenn ich morgen auch nur eine Person inspiriere, verbuche ich das bereits als ganz grossen Erfolg.»