Was ist geschehen?
Im Final über 100 Meter Schmetterling verpasste der Schweizer Noè Ponti in Paris die Bronzemedaille um 10 Hundertstel. Auf die Silbermedaille des Kanadiers Josh Liendo fehlten dem 23-Jährigen nur 56 Hundertstel. Tage später taucht ein Video im Netz auf, das vermuten lässt, dass Liendo im Ziel nur mit einer Hand angeschlagen hat, was gegen die Regeln wäre. Swiss Aquatics hat darauf eine Mitteilung verschickt, in der steht, dass man diesem Fall nachgehe.
Was genau macht Swiss Aquatics?
Vorerst sucht man mit dem Weltverband und mit Swiss Olympic das Gespräch und sondiert Möglichkeiten, wie man das Resultat möglicherweise anfechten kann, um Ponti nachträglich doch noch zu einer Medaille zu verhelfen.
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Wie sind die Regeln beim Anschlag?
Beim Brustschwimmen und beim Schmetterlingsschwimmen muss der Athlet oder die Athletin mit beiden Handflächen gleichzeitig die Wand berühren.
Kann man sich mit einer Hand einen Vorteil verschaffen?
Ja, mit einem gestreckten Arm kann man die Körperlänge verlängern, was zu einem früheren Anschlag führt und die Zeit früher auslöst.
Wird der Anschlag überprüft?
Ja, bei jedem Lauf stehen acht Richter verteilt auf den acht Bahnen, oder zumindest auf denen, die von Schwimmern belegt werden. Sie stehen neben dem Startblock und überprüfen von oben, ob richtig angeschlagen oder gewendet wurde. Zudem gibt es weitere Richter, die in einer dunklen Kammer sitzen und die Bilder der Unterwasserkameras überprüfen. Von diesen Richtern gibt es vier, weil eine Unterwasserkamera stets zwei Bahnen im Fokus hat. Alle Richter bei den Grossanlässen müssen vom Weltverband geprüft sein. Diese Ausführungen stammen von Daniel Lauber, dem vom Weltverband anerkannten Schiedsrichter bei Swiss Acquatics.
Kann der Anschlag nicht elektronisch überprüft werden?
Nein, die Kontaktplatten reagieren bloss auf Druck. Es macht keinen Unterschied, ob der Druck von einer Hand, von zwei Händen oder von einem Kopfstoss kommt.
Wann greifen Richter ein?
Wenn einer der beiden Richter, welche die jeweilige Bahn überprüfen, sich zu hundert Prozent sicher ist, dass eine Unregelmässigkeit passiert ist. Ein Einspruch genügt für eine Meldung an den Schiedsrichter. Dann wird der Fall mit allen zur Verfügung stehenden Hilfsmitteln überprüft und danach entschieden, ob der Läufer oder die Läuferin disqualifiziert wird. Im Fall von Liendo hat keiner der beiden Richter reagiert.
Hätte Swiss Aquatics Protest einlegen können?
Ja, aber nur innerhalb von 30 Minuten nach dem Rennen. Der Protest hätte 500 Dollar gekostet. Protest kann nur der Delegationsleiter des betroffenen Landes einreichen, in Pontis Fall wäre das Markus Buck, Chef Leistungssport von Swiss Aquatics, gewesen.
Hat ein nachträglicher Protest oder Einspruch eine reelle Chance?
Nein. Es gibt aber Wege, ein Resultat sportjuristisch über das CAS anzufechten. Dafür braucht es aber triftige Gründe. Die Chancen im Fall Ponti sind mit dem vorliegenden Beweismaterial als sehr gering einzuschätzen.
Warum reagiert Swiss Aquatics trotzdem?
Es ist für Swiss Olympic, Swiss Aquatics und nicht zuletzt für Ponti selber von grosser Bedeutung, ob er eine Medaille gewinnt oder nicht. Jede Medaille verschönert die Statistik und kann zu Geld gemacht werden. Schliesslich zählen bei Grossanlässen vor allem die Medaillen. Swiss Aquatics reagiert aufgrund des Videos, das im Netz aufgetaucht ist. Sie wollen nichts unversucht lassen, alle Abklärungen treffen, um sich am Ende nichts vorwerfen zu müssen.
Was sagt Noè Ponti?
Auf Anfrage von Blick sagt er, er wolle sich jetzt nicht äussern, vielleicht in den nächsten Tagen. Sein Manager Nico Decurtins sagt, sie wollen alles ausloten, was möglich sei. Er weist auf den Fall Fanny Smith hin. Der Schweizer Skicrosserin wurde bei den Winterspielen in Peking 2022 im Skicross-Final der dritte Platz von der Jury aberkannt, weil sie im Duell mit Daniela Maier einen Schritt nach links gemacht und die Deutsche damit behindert haben soll. Der Rekurs von Swiss-Ski wurde nachträglich und nach einem langen Überprüfungsprozess von der FIS gutgeheissen. Fanny Smith bekam 14 Monate nach dem Rennen die Bronzemedaille doch noch. Ob die beiden Fälle allerdings vergleichbar sind, ist mehr als fraglich. Swiss-Ski hat bei Smith sofort Protest eingelegt, das ist bei Ponti nicht der Fall.