Sie ist die schnellste Schweizerin auf einem Segelboot. Und sie trägt einen ungewöhnlichen Namen: Maud Jayet. «Jayet ist nicht selten, aber eine andere Maud kenne ich tatsächlich nicht», sagt die 28-Jährige schmunzelnd. Ein Blick in die Namen-Datenbank des Bundes zeigt: Im letzten Jahrzehnt wurden keine 20 Babys Maud getauft. «Meine Mutter liess sich vom britischen Film ‹Harold and Maude› inspirieren», erklärt Jayet.
Warum das alles durchaus bedeutend ist? Einfach: Jayet ist vor allem in der Deutschschweiz ein weitgehend unbeschriebenes Blatt. Zu Unrecht, zählt die sie doch in der Kategorie ILCA-6 (ehemals Laser) zu den Besten der Welt. Vor einem Jahr in Den Haag (Ho) holte sie zum zweiten Mal in ihrer Karriere WM-Silber. «Das hat schon etwas im Kopf verändert. Ich bin bereit für Paris und will eine Medaille – am liebsten Gold.»
Tränen gibts erst am Ende
Die Zeit dafür ist reif. Seit Jayet mit sieben Jahren erstmals auf einem Boot ihrem Bruder Adrian nacheiferte, ist sie vom Segel-Virus infiziert. In Marseille, wo die sechstägige Regatta über die Bühne geht, möchte sie ihre Karriere krönen.
«Es ist entscheidend, dass man konstant vorne mitmischt. Gewinne ich ein Rennen, darf ich nicht zu lange jubeln. Auf der anderen Seite darf ich nicht in Tränen ausbrechen, wenn etwas mal in die Hose geht.» Sie vergleicht das Ganze mit einem Slalom-Rennen im Winter: «Da hat man nach dem ersten Lauf auch weder etwas gewonnen, noch etwas verloren.»
Freundinnen? «Das geht nicht»
Klasse und Erfahrung – Jayet bringt beides mit. Aber nicht das Boot, das neu etwa 8000 Franken kostet! «Bei Olympia haben alle das gleiche Modell – es wird zur Verfügung gestellt.» Die Folge? Alles hängt vom seglerischen Können ab. Und vom Kopf. «Vor allem am Start geht es oft ruppig zu und her, da kämpft jede um die beste Position», so Jayet.
Manchmal krachen zwei Boote zusammen, ab und zu wird auch geflucht. «Zu Beginn meiner Karriere war ich viel zu nett. Das nutzen andere aus, auch mit blöden Sprüchen zwischen den Wettkämpfen. Ich musste lernen, auf dem Boot böse zu sein. Mittlerweile lässt mich die psychologische Kriegsführung kalt. Solange ich Profi bin, können meine Gegnerinnen keine Freundinnen sein.»
Sie lebt bei den Eltern, um Geld zu sparen
Die Wasser- und Wetterverhältnisse in Marseille kennt Jayet bestens, seit den letzten Olympischen Spielen in Tokio, wo sie 19. wurde, hat sie fast 300 Tage in der südfranzösischen Metropole verbracht. Es gibt nichts, das sie überraschen könnte – auch nicht fliegende Fische, die ihr auch schon ins Boot sprangen. «Einmal tauchte ein Hai neben mir auf, ich sah die Rückenflosse und hatte schon etwas Angst», sagt sie schmunzelnd.
Und was wäre, sollte Jayet tatsächlich Olympiasiegerin werden? «Dann hätte ich hoffentlich mehr Sponsoren und die Möglichkeit, die nächsten vier Jahre weiterzusegeln. Leider ist die finanzielle Unterstützung in der Schweiz derzeit nicht mit anderen Ländern zu vergleichen. Aktuell lebe auch noch bei meinen Eltern, um Geld zu sparen. Immer will ich das aber nicht tun.»