Als Noè Ponti als kleiner Knirps erstmals ohne Flügeli ins Wasser tauchte, da ruderte er nicht wie ein Hund mit den Armen, um an der Luft zu bleiben, so wie es die meisten Kinder machen. Nein, er tauchte ab, bewegte sich mit einer Wellenbewegung des Körpers, ähnlich eines Delfins, um dann mit aufgerissenen Augen wieder aufzutauchen. So jedenfalls erinnert sich Papa Mauro Ponti an früher. Vielleicht war das der Anfang des Schmetterlingsschwimmers Noè Ponti. Rund zwanzig Jahre später fliegt dieser vor den Augen seiner Familie im Olympiabecken von Paris übers Wasser, als wäre es ein Kinderspiel. Dabei gehen 200 Meter Schmetterling so richtig in die Muskeln. Das braucht Kraft, Ausdauer, Wille.
Ponti hat von allem genügend. Aber am Mittwoch im Final etwas weniger als vier seiner Konkurrenten. Er wurde guter Fünfter und war denn auch zufrieden. «Hey, ich bin Fünfter bei Olympia, in Tokio wurde ich noch Zehnter. Es gibt überhaupt keinen Grund, unzufrieden zu sein.» Klar habe er insgeheim von einer Medaille geträumt. «Man setzt sich immer das oberste Ziel, sonst müsste ich hier gar nicht an den Start gehen.»
Dreimal Gold für Marchand
Ponti schwamm im Schatten eines packenden Gold-Duells. Angeführt von Kristof Milak, diesem ungarischen Wunderkind, das als 19-Jähriger bei der Schwimm-WM im südkoreanischen Gwangju den zehn Jahre alten Weltrekord von Rekord-Olympiasieger Michael Phelps über 200 Meter Schmetterling um 78 Hundertstel auf 1:50,73 pulverisiert hatte. Inzwischen hat er ihn auf 1:50,34 heruntergedrückt. Im Final von Paris schwamm der inzwischen 24-Jährige 1:51,75. Zu langsam.
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Der französische Publikumsliebling Léon Marchand, der direkt neben Ponti startete, schlug am Ende 54 Hunderstel vor Milak an. Marchand hat schon Gold über 400 Meter Lagen eingeheimst, jetzt auch noch Gold über 200 Meter Schmetterling. Und kurz nach der Siegerehrung holte der Franzose auch gleich noch sein drittes Gold ab: über 200 m Brust. Kein Wunder, steht die Grande Nation wegen diesem 22-jährigen Überschwimmer Kopf .
Chinese schwimmt Weltrekord
Angetrieben vom fanatischen Publikum schwamm Marchand bei all seinen Goldmedaillen Olympischen Rekord. Doch ansonsten sind Schwimmrekorde rar in Paris. Man mag sich fragen, warum die Weltrekorde nicht reihenweise fallen, wie das bei Grossanlässen sonst der Fall ist. Über die Gründe wird hier wild spekuliert. Das Bassin sei mit 2,15 Meter zu wenig tief, sagen die einen. Das bedeute, dass der Boden die Wellen, welche der Schwimmer verursacht, zu stark reflektiert. Das vorgegebene Minimum sind zwei Meter, optimal wären drei.
Dasselbe gelte für die am Boden montierten Kameras, die zwar sensationelle Unterwasseraufnahmen liefern, aber eben auch störende Verwirbelungen verursachen. Sollte das alles stimmen, muss man die Leistung von Noè Ponti auch in diesem Licht einschätzen. Schon im Halbfinal hat der Tessiner seinen Schweizer Rekord um sechs Hundertstel auf 1:54,14 gedrückt. Im Final dann die genau gleiche Zeit noch einmal geschwommen. Auch das ist eine Kunst. Er weiss, dass er gut in Form ist und das gibt ihm die Zuversicht, dass es über seine Paradedisziplin über 100 Meter Schmetterling am 2. und 3. August noch mindestens zwei Plätze weiter oben landen wird. Spätabends hat die Weltrekord-Debatte eine neue Wendung genommen: Der Chines Zhanle Pan siegte über 100 Meter mit sensationellen 46,60 Sekunden. Damit hat er seinen eigenen Weltrekord um vier Zehntel verbessert.