Fans verwandeln Olympia in eine Festhütte
Paris ist eine einzige Party

Als hätten sie endlich die Fesseln los, stürmen die Fans bei Olympia die Wettkampfstätten und verwandeln Olympia in eine Festhütte.
Publiziert: 31.07.2024 um 16:56 Uhr
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Aktualisiert: 31.07.2024 um 17:25 Uhr
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Die neue Partymeile von Paris, zumindest während den Spielen: das Beachvolleyballstadion am Fuss des Eiffelturms.
Foto: AFP
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Patrick MäderAutor Blick Sport

Kaum taucht Frankreichs Überschwimmer Léon Marchand nach der Wende wieder auf, aus dem Wasser um Luft zu holen, bebt die Arena im «La Défense»-Quartier im Westen von Paris. Bei jedem Atemzug ertönt ein lautes «Hoooi, hoooi, hoooi» … Die Mehrheit der Zuschauer schreien, was sie vermögen, voran die Franzosen, der Rest hinterher, ganz egal.

Dieses Gefühl der Gemeinschaft, dieser Moment des Loslassenkönnens von allem, was einem sonst im Alltag auf die Seele drückt. Dieses Gefühl der Leichtigkeit, ein emotionaler Rausch, will sich niemand entgehen lassen. So schreien 15'000 Kehlen verschiedenster Nationen den Franzosen zum Sieg über 400 Meter Lagen, der eigentlichen Königsdisziplin im Schwimmen. Und wenn im Stadion später an der Siegesfeier alle die Marseillaise anstimmen und die Worte «Marchons! Oui, marchons!» mit «Marchand! Oui, Marchand» ersetzen, dann trifft das mitten ins Herz.

Niemand geht nach dem letzten Rennen des Tages unberührt aus der Halle. Die Olympischen Spiele, wie sie mehr nicht bieten können, machen die Menschen glücklich und emotional. Und das Schöne ist, fast alles läuft friedlich ab, hat Festcharakter. Sei es im Beachvolleyballstadion am Fuss des Eiffelturms, der neuen Partymeile von Paris. Sei es in der Bercy Arena, wo Turnstar Simone Biles die Seelen verzaubert. Sei es in der Champ-de-Mars-Arena, wo das Judopublikum fachkundig die Leistungen mit Applaus honorieren und bei den eigenen Athletinnen und Athleten ausrasten. Sei es in Roland Garros, wo die Tennisfans dem 14-fachen French-Open-Sieger Rafael Nadal einen euphorischen Abschied bescheren.

Den schwierigen Weg gewählt

Unbeschreiblich wird die Stimmung, wie am Montagabend im Grand Palais, diesem 124-jährigen Architekturwunder der Belle Époque, wenn im Säbelfechten zwei Französinnen im Final stehen, die sich ein packendes Duell liefern, dann ist kein Einheimischer mehr zu halten.

Die wunderschönen Sportstätten sind eine wichtige Erklärung der grossen Begeisterung an diesen Spielen. Die Franzosen hätten es sich einfacher machen, alles ausserhalb der Stadt auf einem überschaubaren Gelände organisieren können. Das wäre sehr viel leichter zu überschauen und bewachen gewesen, leichter zu sichern. Sie aber sind den schwierigen Weg gegangen, den spektakulären, den aufwendigen, den Weg des Risikos, ganz nach dem Motto: «Setzt diesen Spielen keine Grenzen».

So pflanzten sie die Sportstätten mitten ins Spektakel, an den Fuss des Eiffelturms, auf den Place de la Concorde, in den Garten des Schlosses von Versailles, auf den Pont Alexander III, in die Seine oder eben in den Grand Palais. Das sind wunderschöne Sportstätten, zu denen man gerne hingeht. Die Ambiance ist ebenso wichtig wie die Leistungen der Athleten, welche durch die schöne Ambience wiederum positiv beeinflusst werden.

Paris kam zur gerade richtig

Auch wenn man wie beim Turnen oder beim Schwimmen zeitweise in einer Schlange von einem Kilometer vor dem Eingang steht. Das ist ein kleines Übel im Vergleich zum Lohn, den man dafür kriegt. Und fast scheint es, dass die Menschen nachholen wollen, was sie im letzten Jahrzehnt verpasst haben. Die Winterspiele 2022 in Peking standen immer noch im Zeichen von Corona und der bedenklichen Menschenrechtslage in China, beides Stimmungskiller. Die Sommerspiele 2021, um ein Jahr verschoben, fanden wegen der Pandemie ganz ohne Zuschauerinnen und Zuschauer statt. Und bei den Winterspielen 2018 im südkoreanischen Pyeongchang war es viel zu kalt für heisse Stimmung. Im Short Track und Eiskunstlauf waren zwar die Hallen voll, aber beim Skirennsport und Skispringen war nichts los.

Da kam Paris gerade richtig. Mitten in Europa zünden die Fans ein Stimmungsfeuerwerk nach dem anderen. Als hätten sie ihre Fesseln endlich los und dürften nach Jahren des auferlegten Verzichts endlich wieder Party machen. Das ist schön und freut die Veranstalter. Rekordträchtige 9,2 Millionen Tickets sind bisher verkauft worden. 10 Millionen stehen zur Verfügung. Es gibt also noch 800'000 zu kaufen. Am 1. August, wenn die Schweiz Geburtstag feiert, beginnen in Paris die Leichtathletikwettbewerbe, das traditionelle Zugpferd bei allen Sommerspielen. Dann wird die Party von Paris die zweite Stufe zünden.

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