Trotz Kritik der weltbesten Springreiter hielt der Weltverband daran fest
Neuer Reit-Modus sorgt für Ärger

Nach Tokio 2021 müssen sich die Springreiter in Paris zum zweiten Mal mit dem neuen Modus arrangieren. Verständnis hat dafür niemand. Der Schweizer Verbandspräsident Damian Müller redet Klartext und fordert, dass er nach diesen Spielen erneut diskutiert wird.
Publiziert: 30.07.2024 um 14:35 Uhr
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Aktualisiert: 05.08.2024 um 15:31 Uhr
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Nach den Sommerspielen in Tokio wehrte sich Steve Guerdat gegen die Modus-Änderung, die damals eingeführt worden ist.
Foto: keystone-sda.ch
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Nicole VandenbrouckReporterin Eishockey

Die Meinungen über die Modus-Änderung im Springreit-Wettbewerb bei Olympia sind bei den grossen Pferdesport-Nationen einhellig: Sie hätte nie vollzogen werden dürfen – zum Wohle von Mensch und Tier.

Zur Erklärung: Für Tokio 2021 hat der Internationale Pferdesport-Verband (FEI) entschieden, im Team-Wettbewerb das Streichresultat wegzulassen. Somit starten nur drei statt wie zuvor vier Reiter, und alle Ergebnisse kommen in die Wertung. Die fatale Folge davon ist, dass jeder Reiter dadurch praktisch gezwungen wird, seine Runde zu beenden, selbst wenn er oder sein Pferd im Parcours zum Beispiel überfordert ist. Denn steigt er aus, scheidet das ganze Team aus. Im herkömmlichen Modus ist es dagegen möglich und in diversen Situationen auch vernünftig, zurückzuziehen. Der Abbruch ist in dem Fall das Streichresultat.

Guerdat äusserte schon in Tokio Kritik

Steve Guerdat (42), der Olympiasieger von 2012 in London, wetterte nach Tokio als Vertreter des Internationalen Springreiterclubs (IRJC) an der Jahresversammlung der FEI. «Es kam zu Konflikten mit dem Pferdewohl. Wir sahen zu viele unschöne Bilder von Reitern, die nicht das Niveau für Olympische Spiele hatten. Es war ein komplettes Desaster. Zudem bin ich überzeugt, dass ein Reiter niemals in die Position gebracht werden darf, dass er seine Runde beenden muss», sagte der 42-Jährige damals. Vor den Spielen in Paris aber möchte er diese Thematik lieber (noch) ruhen lassen.

Springreiten in Paris: Der Modus

Im Olympia-Turnier sind 20 Nationen à drei Springreiter am Start. Hinzu kommen 15 Einzelreiter aus 15 Nationen, die keinem Team angehören. Die Schweizer Equipe besteht aus Steve Guerdat (42), Martin Fuchs (32), Pius Schwizer (61) und Ersatzreiter Edouard Schmitz (24). Nach dem enttäuschenden Ergebnis im Teamspringen von Guerdat, Fuchs und Schwizer nominierte Equipenchef Peter van der Waaij für den Einzel-Wettbewerb Schmitz für Schwizer.

Team: Es gibt im neuen Modus (seit Tokio 2021) kein Streichresultat. Die Quali-Prüfung findet nach Wertung A mit Zeitmessung mit maximal 17 Sprüngen über maximal 165 Zentimeter statt. Die besten 10 der 20 Teams schaffen es in den Team-Final. Dort beginnt am nächsten Tag die Wertung wieder bei null, gestartet wird in umgekehrter Reihenfolge.

Einzel: Der Equipenchef hätte die Möglichkeit, für die Quali-Prüfung einen Reiter auszutauschen. Sie findet in der Wertung A ohne Stechen mit maximal 17 Sprüngen über maximal 165 Zentimeter statt. Die besten 30 Starter erreichen den Einzel-Final. Dort beginnt am nächsten Tag die Wertung auch wieder bei null. Ein allfälliges Stechen entscheidet über die Medaillenränge.

Martin Fuchs reitet bei Olympia in Paris den Wallach Leone Jei.
IMAGO/Stefan Lafrentz

Im Olympia-Turnier sind 20 Nationen à drei Springreiter am Start. Hinzu kommen 15 Einzelreiter aus 15 Nationen, die keinem Team angehören. Die Schweizer Equipe besteht aus Steve Guerdat (42), Martin Fuchs (32), Pius Schwizer (61) und Ersatzreiter Edouard Schmitz (24). Nach dem enttäuschenden Ergebnis im Teamspringen von Guerdat, Fuchs und Schwizer nominierte Equipenchef Peter van der Waaij für den Einzel-Wettbewerb Schmitz für Schwizer.

Team: Es gibt im neuen Modus (seit Tokio 2021) kein Streichresultat. Die Quali-Prüfung findet nach Wertung A mit Zeitmessung mit maximal 17 Sprüngen über maximal 165 Zentimeter statt. Die besten 10 der 20 Teams schaffen es in den Team-Final. Dort beginnt am nächsten Tag die Wertung wieder bei null, gestartet wird in umgekehrter Reihenfolge.

Einzel: Der Equipenchef hätte die Möglichkeit, für die Quali-Prüfung einen Reiter auszutauschen. Sie findet in der Wertung A ohne Stechen mit maximal 17 Sprüngen über maximal 165 Zentimeter statt. Die besten 30 Starter erreichen den Einzel-Final. Dort beginnt am nächsten Tag die Wertung auch wieder bei null. Ein allfälliges Stechen entscheidet über die Medaillenränge.

Schon vor der Einführung des Modus hatten sich Guerdat sowie weitere Olympiasieger wie Ludger Beerbaum (De), Nick Skelton (Gb) oder Rodrigo Pessoa (Br) vehement, aber erfolglos dagegen gewehrt. Und auch nach Tokio blieben die Kritiken und Wünsche der weltbesten Springreiter bei der FEI ungehört. Der Weltverband begründete damals die Änderung mit dem besseren Verständnis der Sport-Zuschauer für die Zählweise sowie die Chance, dass dadurch mehr Nationen – darunter auch komplette Exoten – im Pferdesport präsent sind.

Damian Müller, der Schweizer Verbandspräsident, hat eine klare Meinung dazu: «Das ist Schwachsinn.» Was ihm besonders sauer aufstösst: «Die grosse Mehrheit der Reiter und grossen Nationen, auch wir als Swiss Equestrian, waren dagegen und machten dies deutlich. Das Format wurde von der FEI-Generalversammlung bestätigt, aber die meisten der bei der GV vertretenen Nationen haben keine Athleten auf diesem Niveau und sind weit vom Spitzensport entfernt. Jene Verbände, die vertreten und aktiv sind, waren dagegen. Das sagt alles.»

«Pferdewohl wird total ausgeblendet»

In Insiderkreisen gab es hinter vorgehaltener Hand jedoch Stimmen, die hinter dem Beschluss vor allem finanzielle Gründe vermuteten. Denn so reist pro Nation ein Pferd weniger an den Austragungsort, was vor allem bei Flugreisen (rund 20'000 Franken pro Pferd) immense Kosten einspart. Dafür nimmt man die im Extremfall tödliche Gefahr für Pferd und Reiter in Kauf. Denn einige der startenden Paare sind sich Parcours auf diesem hohen Niveau nicht gewöhnt. «Das Pferdewohl, unsere oberste Priorität, wird total ausgeblendet», so Müller dazu.

Deshalb ist es für ihn ein Muss, dass die Modus-Thematik nach Paris erneut auf den Tisch gebracht wird. «Wir müssen ehrlich sein, nicht jedes Land kann mit einer Mannschaft im Pferdesport vertreten sein. Das ist die nackte Realität, da die Niveaus in jedem Land unterschiedlich sind. Es kann schlechte Bilder geben, eine Prüfung, die nicht einheitlich ist, die Parcoursbauer sind extrem gefordert. Das ist nicht das, was wir von unserem Sport zeigen wollen.»

Die Sinnlosigkeit verdeutlicht, dass der Olympia-Wettbewerb der einzige mit diesem Modus ist. Alle Championats wie Welt- und Europameisterschaften werden im herkömmlichen Format mit Streichresultat durchgeführt.

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