Springreiter Steve Guerdat ist ein «Horseman», ein Pferdemensch, dem das Wohl seiner Vierbeiner am Herzen liegt. Auch deshalb redet der Olympiasieger von 2012 letzte Woche Klartext vor der Jahresversammlung des Internationalen Reitsportverbandes (FEI) in Antwerpen (Be). Mit der Absicht, die Delegierten zur Vernunft zu bringen.
Guerdat spricht als Vertreter des Internationalen Springreiterclubs (IRJC) im Namen seiner Berufskollegen. Die sich bereits vor vier Jahren, als der neue Olympia-Modus erstmals Thema wurde, dagegen gewehrt hatten! «Was wir dann in Tokio sahen, war noch schlimmer, als wir befürchteten. Es war ein komplettes Desaster», so Guerdat.
Modus mit fatalen Folgen
Die Änderung, dass nur drei statt wie zuvor vier Reiter im Team-Wettkampf starten und dafür das Streichresultat wegfällt sowie die Umkehr der Reihenfolge (Team- vor Einzelprüfung) hatte fatale Folgen. «Es kam zu Konflikten mit dem Pferdewohl. Wir sahen zu viele unschöne Bilder von Reitern, die nicht das Niveau für Olympische Spiele hatten. Zudem bin ich überzeugt, dass ein Reiter niemals in die Position gebracht werden darf, dass er seine Runde beenden muss», betont Guerdat. «Doch genau das passiert mit dem neuen Format.» Denn: Beendet der Reiter seine Runde nicht, weil – wie in Tokio gesehen – ein Pferd zum Beispiel schlichtweg überfordert ist im Parcours, scheidet das ganze Team aus.
Dass die FEI just vor dieser Jahresversammlung noch einen Brief des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) verteilen lässt, stösst Guerdat ebenfalls sauer auf. «Nicht einmal kommt das Wort Pferd darin vor», so der 37-Jährige.
Das IOC betont darin – ganz zufällig – nur die Vorteile des neuen Formats. Nämlich, dass mehr Nationen, auch komplette Exoten im Pferdesport, präsent waren und es für Laien besser verständlich sei. Da hält Guerdat dagegen, dass man nicht für diesen Anteil Zuschauer das Format anpassen darf und dafür das Pferdewohl ausser Acht lässt.
Doch genau das tut die FEI: Die Abstimmung fällt mit 70:30 Stimmen deutlich aus, der umstrittene Modus bleibt auch für Olympia in Paris 2024. Enttäuschung und Unverständnis sind riesig in der Reitsport-Szene. «Die Reiter baten mich, unseren Sport zu retten. Ich will meiner Tochter eines Tages in die Augen schauen und sagen können, dass ich zumindest alles versucht habe», so die aktuelle Weltnummer 8.
Sein Bruder Yannick Guerdat macht in einem emotionalen Post in den sozialen Medien seinem Ärger Luft: «Herr Ingmar De Vos (der FEI-Präsident, die Red.) und seine ganze Clique werden sich eines Tages für all den Schaden, den sie unserem Sport zugefügt haben, rechtfertigen müssen.»