«Stars? Die Leute schalten wegen dem Sport ein»
SRF-Sport-Boss über die Abgänge seiner Stars Bürer und Billeter

Jann Billeter weg, Stefan Bürer weg – was ist nur los bei SRF Sport? Roland Mägerle, Leiter der Abteilung Sport bei SRF, nimmt Stellung über die Rolle der Stars in seinem Team und die Zukunft.
Publiziert: 25.06.2021 um 17:11 Uhr
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Aktualisiert: 25.06.2021 um 17:28 Uhr
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Stefan Bürer verlässt SRF, die Zukunft von Experte Heinz Günthardt (l.) ist offen.
Foto: Frank Molter
Stefan Meier

Nach Jann Billeter geht nun auch Stefan Bürer. Sie verlieren einen Schlüsselspieler nach dem anderen. Was ist los bei SRF Sport?
Roland Mägerle:
Selbstverständlich ist jeder dieser Abgänge bedauerlich. Aber man muss auch jeden separat anschauen. Stefan Bürer war 28 Jahre bei uns und ist 57 Jahre alt. Er hat bei uns alles erlebt. Wenn dann ein gutes Angebot kommt für etwas ganz anderes im Leben, um etwas Neues zu wagen, dann ist es absolut verständlich, dass er das annimmt. Und das freut mich auch für ihn, dass er diese Möglichkeit hat.

Und bei Jann Billeter?
Bei ihm war es ähnlich. Er hat bei uns alles erlebt, alles gemacht. Und dann kommt ein Angebot, das für ihn eine Herzensangelegenheit beinhaltet – wie ja auch bei Stefan. Eishockey ist für Jann eine Sportart, die ihm sehr viel bedeutet. Wir bedauern sehr, dass er geht. Doch man muss die Relationen sehen. Wie auch schon früher. Matthias Hüppi ging ja 2017, nach 38 Jahren bei uns. Steffi Buchli im gleichen Jahr war 14 Jahre bei uns. Eine gewisse Fluktuation ist doch einfach normal.

Bei Bürer heisst es SRF-intern, dass ihm die Perspektive für die Nach-Federer-Ära fehlte. Hat man es verpasst, die gemeinsame Zukunft aufzugleisen?
Er hatte eine imposante Karriere, war bei den grossen Tennis-Erfolgen von Hingis, Federer und Wawrinka von Anfang an dabei. Auf eine solche Karriere können nicht viele Sportjournalisten zurückschauen. Da habe ich Verständnis, dass er irgendwann einen anderen Weg einschlägt.

Hat nun die Perspektive gefehlt?
Er hat ja nicht nur Tennis kommentiert, sondern auch Eishockey. Er war überall gut daheim und hat als Sportjournalist alles bei SRF machen können. Er hatte durchaus ein attraktives Portefeuille.

Früher war klar: Wer sich eine Stelle bei SRF Sport ergattert, ist quasi zuoberst angekommen und bleibt dort so lange wie möglich. Ist SRF Sport als Arbeitgeber weniger spannend als früher?
SRF und insbesondere der Sport ist immer noch sehr attraktiv. Dass wir mindestens so viele interessante Zugänge wie Abgänge hatten, ist Beleg dafür. Von der Konkurrenz sind zum Beispiel Annette Fetscherin, Stephan Liniger, Reto Müller, Sibylle Eberle oder Marc Lüscher zu uns gestossen.

Sie haben viele Sportrechte verloren. Damit fällt die Hauptattraktion für Journalisten und Moderatoren weg.
Da muss ich widersprechen. Wir haben ein attraktives und umfassendes Angebot. Wie wir ja erst am Donnerstag kommuniziert haben, zeigen wir weiterhin die Fussball-Euro und die Fussball-Nati. Ausserdem Schwingen, Eishockey-WM und den ganzen Schneesport – alles bis 2028 bei uns. Dazu wöchentlich die Super League und die National League A und die Diversität mit den Hallensportarten. Das einzige, das fehlt, sind die Livespiele der Champions League und der Europa League. Aber auch ohne die ist das Angebot noch immer umfassend und komplett.

Man hört immer wieder das Stichwort Wertschätzung, oder eben den Mangel davon, im Zusammenhang mit SRF Sport. Wie erklären Sie sich das?
Wir kümmern uns stark um unsere Leute. Und zwar um alle und insbesondere um unsere Aushängeschilder. Das sind unsere Botschafter zum Publikum. Aber ich muss zugeben, dass es in letzter Zeit vor allem wegen der Corona-Situation schwierig war. Wir haben auf virtuellem Weg den Austausch intensiviert mit verschiedenen digitalen Gesprächsrunden. Mir ist es persönlich wichtig, ein Vertrauensverhältnis zu pflegen und bei Bedarf den Austausch zu suchen und transparent zu informieren.

Wie zeigt sich das, wenn Sie sich stark um die Aushängeschilder kümmern?
Es ist innerhalb der SRG-Richtlinien alles klar festgelegt, was das Lohngefüge angeht. Hier gibt es keinen grossen Spielraum. Wir bieten unseren Mitarbeitenden aber ein enorm breites Betätigungsfeld mit dem grössten Sportportfolio der Schweiz. Zudem können sich unsere MItarbeitenden einem Millionenpublikum präsentieren. Aber klar, wir haben auch diverse grosse Herausforderungen. Zum Beispiel die digitale Transformation, die schwierige Covid-Situation und die Unwägbarkeiten der Medienbranche generell. Über diese Themen reden wir auch mit unseren Mitarbeitenden.

Sie sprechen die Löhne an. Doch SRF Sport bezahlt Moderatoren und Kommentatoren vor allem auch im Vergleich mit dem Ausland keine Star-Löhne sondern einen normalen Redaktorenlohn mit einer Zulage. Ist das nicht ein Fehler?
Wir sind auch ein Stück weit die Treuhänder des Publikums und müssen sorgfältig mit den Gebührengeldern umgehen. Wir dürfen und müssen uns nicht mit dem Ausland vergleichen – zum Glück. Denn das ist ein ganz anderer Markt. Der vergleichsweise kleine Schweizer Markt ist auch der Grund, weshalb die SRF über so viele Sportrechte verfügt. Wir können ein gutes Programm bieten in sehr guter Qualität. Klar ist aber: Der Sportjournalismus verkauft sich auch immer über Persönlichkeiten.

Genau. Es braucht doch die Stars wie Billeter oder Bürer.
Grundsätzlich ist die Kompetenz sehr wichtig, Engagement und Glaubwürdigkeit - alles Weitere kommt dann dazu. Am Anfang der Karriere waren die Profile von Bürer und Billeter auch noch nicht so geschärft wie jetzt. Sie konnten sich bei SRF entwickeln. Die Mitarbeitenden von SRF Sport müssen in erster Linie kompetent sein und den Sportjournalismus verstehen. Und dann entwickeln sie sich – beispielsweise in Richtung kommentieren oder moderieren.

Dann ist es gar nicht das Ziel, solche Stars um jeden Preis zu halten?
Wenn jemand nach 24 oder 28 Jahren ein gutes Angebot erhält und vorher alles machen konnte, dann habe ich Verständnis, wenn er es annimmt.

Bürer war zusammen mit Experte Heinz Günthardt eine Marke. So wie einst das Duo Hüppi/Russi. Glauben Sie, die Leute schalten ein, weil ein Tennis-Match auch ohne Bürer interessiert?
Die Leute schalten schon primär wegen dem Sport ein. Tennis läuft gut wegen der Karriere von Roger Federer. Das ist das A und O, da müssen wir ehrlich sein. Und was SRF angeht: Wir haben viele gute Junge, die folgen. Im Tennis etwa mit Manuel Köng und Stephan Liniger. Wir haben ein gutes Team. Und natürlich profitieren wir in der Sportberichterstattung davon, dass die Schweiz viele erfolgreiche Sportlerinnen und Sportler hat.

Heinz Günthardt hat gesagt, dass er noch nicht weiss, wie es im nächsten Jahr weitergeht.
Bei unseren Experten ist es immer gleich, wir machen Einjahresverträge. Hier ist es für das Produkt wichtig, dass man Bilanz zieht, ein Debriefing macht. Das handhaben wir auch mit Heinz so. Und wir werden es nach den US Open wieder so machen. Das ist ein Prozess, wie er sich bewährt hat. Sonst wäre er oder vor ihm zum Beispiel auch Bernhard Russi nie so lange bei uns geblieben.

Reden wir über die Zukunft: Es fehlen jetzt ein paar Stars. Gibt es jemanden, der die Nachfolge antreten kann?
Nun, diese Stars sind ja auch nicht so zu uns gekommen. Die haben alle ihren Weg gemacht. Einige haben sogar als Stagiaire begonnen und sich Schritt für Schritt zum Aushängeschild entwickelt. Wir haben viele junge Talente, die dran sind, Fuss zu fassen und sich zu entwickeln. Und ich bin überzeugt, dass es ein paar Namen schaffen.

Aber es wird schon so bleiben, dass SRF auch künftig Stars braucht.
Das Wort Star passt ja eigentlich gar nicht zur Schweizer Medienlandschaft und zu SRF. Wir brauchen gute, profilierte, kompetente Kommentatoren und Kommentatorinnen sowie Moderatorinnen und Moderatoren. Mit Ausstrahlung und Empathie gegenüber den Interviewpartnern. Letztlich ist dann einfach entscheidend, wie sie beim Publikum ankommen.

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