WM-Siege, Doping und Privatinsolvenz
Krabbe: Wie eine Sprintkönigin zur Bettlerin wurde

Katrin Krabbe flog über die Bahn wie ein blonder Engel, siegte über 100 und 200 Meter, war ganz oben, die Königin des Sprints. Dann kam der tiefe Fall. Es ging um Doping, Steuerhinterziehung und Selbstmord.
Publiziert: 31.07.2024 um 11:41 Uhr
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Aktualisiert: 31.07.2024 um 11:46 Uhr
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Katrin Krabbe (rechts) fiel schon in jungen Jahren durch ihre ausserordentlichen Leistungen auf. Hier feiert sie an den deutschen Meisterschaften Gold über 100 m neben Trainingskollegin Grit Breuer (Silber).
Foto: Getty Images
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Laura ErniPraktikantin Sport

Keine einzige WM-Medaille – Deutschlands Leichtathleten kassierten letztes Jahr eine historische Schlappe. Ein Misserfolg, der ab Freitag an der EM in Rom vergessen gemacht werden soll. Vor gut 30 Jahren war eine solche Pleite unvorstellbar. Denn damals hatte Deutschland eine der schillerndsten Figuren der Leichtathletik-Welt: Aufgewachsen in der DDR, avancierte Katrin Krabbe (54) nach dem Fall der Mauer zum ersten grossen Sportstar im wiedervereinten Deutschland.

Die «Grace Kelly der Tartanbahn» beeindruckte bereits in jungen Jahren mit aussergewöhnlichen Leistungen. Sie gewann 1990 an den Europameisterschaften das Triple aus 100 Meter, 200 Meter und der Staffel über 4 x 100 Meter. Im folgenden Jahr wurde sie überraschend Doppelweltmeisterin über 100 und 200 Meter in 10,99 bzw. 22,09 Sekunden – und wurde zur Welt-Leichtathletin des Jahres gekürt.

Von der Welt-Leichtathletin zur Doping-Sünderin

Krabbe, die Weltkönigin des Sprints. Nur eine Moment-Aufnahme. Schon bald riss ein Doping-Skandal sie vom Thron. Im Januar 1992 überschatteten die ersten dunkeln Wolken Krabbes Erfolge. In der Gerüchteküche des Dopings brodelte es. Ihre und die Dopingproben zweier Trainingskolleginnen wurden als identisch analysiert – und deshalb alle drei Läuferinnen suspendiert. Drei Monate später wurde die Sanktion mangels Beweisen und aus Rechtsgründen wieder aufgehoben. Krabbe wurde daraufhin gar vom NOK für Olympia selektioniert, aber die Weltklasse-Athletin verzichtete auf eine Teilnahme. Der Grund: unzureichender Trainingsstand und nervliche Anspannung.

Im August desselben Jahres folgte der nächste Hammer: Bei Krabbe wurde Clenbuterol nachgewiesen. Ein Dopingbefund, der zusammen mit unsportlichem Verhalten zu einer dreijährigen Sperre führte. Ihr Trainer Thomas Springstein (66) – der später wegen der Verabreichung von Testosteron-Präparaten an Athletinnen verurteilt wurde – hatte das rezeptpflichtige Asthmamedikament «Spiropent» ohne Rezept beschafft. Die Doppelweltmeisterin reflektiert später gegenüber dem «Nordkurier»: «Das war ein herber Schlag, ein Bruch. Das einzige, was ich mir vorwerfen lassen muss, ist, dass ich ein Medikament ohne Rezept genommen habe. Es macht aber keinen Sinn, zu fragen, was wäre wenn.»

Ihr angestrebtes Comeback war zum Scheitern verurteilt. Sie gab ihre Profisportkarriere auf und klagte den Leichtathletik-Weltverband IAAF auf Verletzung des Grundrechts an Berufsfreiheit – und den damit entgangenen Start- und Siegesprämien sowie Sponsorengelder – erfolgreich an. Krabbe erhielt 600'000 Euro Schadenersatz – und schrieb damit erneut Sportgeschichte.

Nach ihrer Profikarriere widmete sich Krabbe neuen Herausforderungen. Sie eröffnete zunächst ein Sportgeschäft in Neubrandenburg. Ihr Privatleben erlebte jedoch weitere Turbulenzen. 2008 verurteilte das Amtsgericht Neubrandenburg sie und ihren damaligen Ehemann Michael Zimmermann (†52) wegen Steuerhinterziehung. Die Folge: Privatinsolvenz.

Der Bruch geht weiter

Ein weiterer schwerer Schlag folgte am 5. Mai 2015: Zimmermann begeht Selbstmord. Der Rechtsanwalt und ehemalige Junioren-Rudervizeweltmeister hatte mit schweren Schuld- und Schamgefühlen zu kämpfen – und konnte nicht über seine Probleme reden. «Etwas Schlimmeres gibt es nicht», meinte Witwe Krabbe gegenüber der Abendzeitung München zu ihrem Schicksal.

Trotz dieser Tragödien fand Krabbe einen Weg, ihr Leben neu zu gestalten. Heute arbeitet sie im Kundenservice eines Autohauses und engagiert sich ehrenamtlich in der Sterbebegleitung. Sie habe gelernt, mit den Höhen und Tiefen ihres Lebens umzugehen. «Bei allen schweren Zeiten, die ich in meinem Leben hatte, gab es auch immer wieder schöne Momente», sagte sie zum «Stern».

Katrin Krabbe bleibt eine komplexe Figur des deutschen Sports, deren Geschichte von ausserordentlichem Erfolg und tragischen Tiefpunkten geprägt ist. Ihre Fähigkeit, sich immer wieder aufzurichten und weiterzumachen, macht sie zu einer Inspiration – auch wenn die Narben der Vergangenheit nie verschwinden werden.

Dieser Artikel wurde erstmals im Juni 2024 veröffentlicht.

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