Die Sonne scheint, der Himmel ist blau und Leichtathlet Simon Ehammer ist bester Laune. Der Appenzeller empfängt Blick auf dem Säntis zum Gespräch, wenige Wochen vor der WM in Budapest, wo er als Weitspringer an den Start geht. Davor beweist er aber noch seine Qualitäten als Fremdenführer. «Guckt, da hat es Gämsen!», zeigt er den Gästen aus dem Mittelland die Wildtiere auf einem Geröllfeld.
Blick: Simon Ehammer, der Säntis ist so etwas wie Ihr Hausberg. Was bedeutet Ihnen die Alpstein-Region?
Ehammer: Das ist meine Heimat. Ich bin gerne hier, kann mich hier gut erholen. Früher habe ich mit meinem Vater oft Wanderungen gemacht, zum Beispiel hier auf den Säntis hoch und dann wieder runter und weiter auf den Altmann. Das sind schöne Touren und schöne Erinnerungen.
Wandern Sie manchmal noch?
Zu selten, ich habe ja nicht wirklich Zeit und ich sollte mich auch körperlich nicht zu sehr verausgaben neben dem Training. Aber ich mag die Ruhe in den Bergen. Ich kann ja mit dem Bähnli hochfahren (lacht).
Reisen Sie eigentlich entspannter an die WM, weil Sie schon einen Titel geholt haben?
Wie meinen Sie das?
Sie wurden mit dem deutschen Zehnkämpfer Niklas Kaul vor ein paar Wochen in Deutschland mit dem Fairplay-Preis ausgezeichnet, weil Sie sich während und nach dem EM-Wettkampf vorbildlich verhalten haben.
Ach so. Dieser Preis ist etwas sehr, sehr Schönes für mich. Vor allem, weil ich dafür ausgezeichnet wurde, wie ich einfach bin. Ich habe das ja nicht bewusst getan, und es gäbe andere, die hätten den Preis mindestens so verdient gehabt. Nach dem Diskuswerfen, das bei mir in München voll in die Hosen ging, haben der Este Janek Oiglane und der Belgier Nils Pittomvils mal kurz die Vaterrolle übernommen, mich in den Arm genommen und mir gesagt: «Simon, das gehört dazu, das wird schon wieder.» Das hat niemand gesehen, weil es in der Garderobe passiert ist und nicht auf dem Platz. Aber das war mindestens so fair wie das, was Kaul und ich gemacht haben.
Die Kameradschaft unter den Zehnkämpfern gilt als legendär. Wie ist es denn bei den Weitspringern? Ticken die anders?
Auf jeden Fall. Mit denen, die regelmässig auf der Diamond-League-Tour sind, ist das Verhältnis aber kollegial. Ich fühle mich wohl unter den Weitspringern.
Obwohl Sie ihnen das Leben schwer machen. In Oslo haben Sie gegen alle Spezialisten das Diamond-League-Meeting gewonnen.
Ja, ich habe es Militadis Tentoglou und den anderen in den letzten Jahren nicht einfach gemacht. In Polen und in Lausanne hat er dieses Jahr zweimal gewitzelt, dass er zurück in den Dreisprung wechsle, wenn ich ihn noch einmal schlage. Es geht ihm schon ein bisschen auf den Sack, dass ich ihn in Oslo geschlagen habe.
Also sehen die Weitspringer das doch nicht so entspannt.
Du merkst, dass es nicht ganz spurlos an ihnen vorbeigeht, dass da ein Mehrkämpfer sehr gut mitspringt. Aber sie machen es auf eine kollegiale Art. Ich spüre einfach, dass es da so einen Ärger gibt – wahrscheinlich haben sie den mit sich selber. Ich habe ihnen ja nichts zuleide getan.
Sie haben also noch nie einen toten Fisch in der Sporttasche gefunden?
(lacht) Nein. Weit gefehlt!
An der WM starten Sie im Weitsprung. In der Quali werden Sie wie im Mehrkampf nur drei Versuche haben, wo Sie dieses Jahr in Ihrer Paradedisziplin zwei Nuller geschrieben haben. Schon mal darüber nachgedacht, ein bisschen Sicherheitsmarge einzubauen?
Nein. Es gibt zwar immer wieder Leute, die mir genau das vorschlagen. Aber das entspricht nicht meinem Naturell. Um in einen WM-Final zu kommen, muss man etwas zeigen. Das werde ich auch in Budapest versuchen.
Der Appenzeller holte 2022 drei Grossanlass-Medaillen: Auf Mehrkampf-WM-Silber in der Halle folgte WM-Bronze im Weitsprung und an der EM in München Silber im Zehnkampf. In München verbesserte er den Schweizer Rekord (8468 Punkte). Ehammer, der in Teufen AR von den Brüdern René und Karl Wyler trainiert wird, hält mit 8,45 m zudem den Schweizer Rekord im Weitsprung. Ehammer lebt zusammen mit seiner Verlobten Tatjana Meklau im Appenzell. Er tritt an der WM in Budapest im Weitsprung an.
Der Appenzeller holte 2022 drei Grossanlass-Medaillen: Auf Mehrkampf-WM-Silber in der Halle folgte WM-Bronze im Weitsprung und an der EM in München Silber im Zehnkampf. In München verbesserte er den Schweizer Rekord (8468 Punkte). Ehammer, der in Teufen AR von den Brüdern René und Karl Wyler trainiert wird, hält mit 8,45 m zudem den Schweizer Rekord im Weitsprung. Ehammer lebt zusammen mit seiner Verlobten Tatjana Meklau im Appenzell. Er tritt an der WM in Budapest im Weitsprung an.
Die Bedienung kommt, bringt Kaffee und spricht Simon Ehammer auf das Stück Kuchen an, das er zum Dessert verdrückt hat.
Wie viele Kalorien müssen Sie pro Tag reinschaufeln?
Das weiss ich nicht.
Das ist für Sie kein Thema?
Wenn der Körper nach dem Training meldet «Ich habe Hunger!», dann esse ich zügig etwas. Aber einen Ernährungsplan haben wir nicht. Ich bin in dieser Hinsicht ein «bockiger Siech». Ich will mir meine Freude am Essen nicht verderben, indem ich ganz genau abgestimmte Ernährungspläne habe.
Essen Sie Fleisch?
Ja, ein gutes Stück Fleisch gönne ich mir ab und zu, und das tue ich gerne. Vor allem, wenn ich auswärts essen gehe. Dafür kochen wir zu Hause sehr selten Fleisch.
Es gibt die Legende, dass Sie sich während Zehnkämpfen auch mal eine Bratwurst reindrücken.
An der SM in Basel dieses Jahr habe ich vor dem Kugelstossen einen Hot Dog gegessen, ja. Da war der Zeitplan so, dass man nicht wirklich Zeit hatte, mal in Ruhe etwas zu essen. Da musste ich mir etwas holen. Bei meinem ersten Zehnkampf mit 8000 Punkten habe ich auch irgendwann eine Bratwurst gegessen. Wenn ich vor dem Hochsprung oder vor dem Weitsprung zwei Stunden Pause habe, kann ich das locker machen. Aber bei Grossanlässen ist das Programm normalerweise so getaktet, dass ich auf die Wurst verzichte.
Als Zehnkämpfer müssen Sie rechnen können. Sind Sie ein Zahlenmensch?
In der Schule hatte ich Mathe immer lieber als Deutsch. Was nicht bedeutet, dass ich gut war in Mathe (lacht). In den letzten Jahren habe ich Sudoku für mich entdeckt. Wenn ich in einer Stadt wie Paris Wettkampf habe, kann ich nicht zehn Stunden Sightseeing machen. Da ist es ganz gut, im Hotelzimmer auch mal den Kopf anzustrengen.