«Wir sehen, dass Fussball sich in eine Richtung entwickelt, wo wenige alles haben und die Mehrheit nichts hat. In Europa findet die WM zweimal pro Woche statt, weil die besten Spieler in Europa spielen», sagt Infantino vor dem Europarat in Strassburg, wo es um den Kommissionsbericht «Fussballverwaltung: Wirtschaft und Werte» geht. Sogar in Europa gebe es ein grosses Ungleichgewicht. Die grosse Mehrheit Europas sehe nicht die besten Spieler und nehme nicht an den Top-Wettbewerben teil.
Die von Infantino angestrebte Änderung des WM-Rhythmus von vier auf zwei Jahre wird von den Kontinentalverbänden Europas und Südamerikas vehement abgelehnt. Doch für Infantino ist dies offenbar eine Möglichkeit, afrikanische Migranten davor zu bewahren, den «Tod im Meer» zu finden.
«Damit Afrikaner nicht mehr übers Meer kommen müssen»
«Wir müssen die gesamte Welt miteinbeziehen», betont Infantino und richtet den Blick vor allem nach Afrika: «Wir müssen den Afrikanern Hoffnung geben, dass sie nicht über das Mittelmeer kommen müssen, um hier vielleicht ein besseres Leben vorzufinden, oder – was wahrscheinlicher ist – den Tod im Meer. Wir müssen ihnen Möglichkeiten und Würde geben. Nicht mit Almosen, aber dadurch, dass wir den Rest der Welt teilnehmen lassen. Vielleicht ist die WM alle zwei Jahre nicht die Antwort. Aber das diskutieren wir.»
Infantino hat unterdessen auch WM-Gastgeber Katar vor der anhaltenden Kritik vor allem in Sachen Menschenrechte in Schutz genommen. «Ein Wandel erfolgt nicht schnell. In Europa dauerte es Jahrhunderte und Jahrzehnte. Dank der WM und dank des Schlaglichts hat sich das System in Rekordzeit in nur wenigen Jahren entwickelt», sagt Infantino und ergänzt: «Es muss noch viel getan werden, viel geändert werden. Wir müssen den Druck aufrechterhalten, aber auch anerkennen, dass es Änderungen gab.»
«6500 Tote? Es sind drei»
Zudem dementiert Infantino Todeszahlen von den WM-Baustellen in Katar. Es sei «einfach nicht wahr», wenn von 6500 toten Arbeitern auf den WM-Baustellen berichtet würde. «Es sind drei. Drei sind immer noch zu viel, aber zwischen drei und 6500 ist ein grosser Unterschied», so Infantino. Die Arbeitsbedingungen seien vergleichbar mit denen in Europa.
Die Aussagen des Wallisers sorgen für Empörung. Ronan Evain, CEO der europäischen Fussball-Supporter-Gemeinschaft twittert: «Wie tief kann Infantino sinken? Den Tod im Mittelmeer dafür zu instrumentalisieren, seine grössenwahnsinnigen Pläne zu verkaufen? Dafür gibts keine Worte.»
Der Chef von «Kick It Out», Tony Burnett, erklärt: «Die Fifa ist eine Multimilliarden-Profit machende Organisation. Die haben die Gelder, um in Möglichkeiten für minderbemittelte Menschen auf der ganzen Welt zu investieren. Deshalb ist es komplett inakzeptabel, zu suggerieren, dass eine WM alle zwei Jahre, vornehmlich dafür geplant, um noch mehr Profit für die Fifa zu generieren, eine Möglichkeit für Migranten sei, aus kriegsgebeutelten Ländern zu fliehen, um ein besseres Leben zu finden.»
«Aus dem Kontext gerissen»
Infantino rechtfertigt sich später: «Gewisse Aussagen von mir scheinen missinterpretiert und aus dem Kontext gerissen worden. Ich möchte klarstellen, dass es sich bei den Hauptpunkten meiner Rede darum handelt, dass jeder, der in einer Entscheidungs-Position ist, eine Verantwortung hat, die Situation der Menschen auf unserer Erde zu verbessern. Wenn es mehr Möglichkeiten gibt – auch, aber nicht nur in Afrika – dann sollte man es diesen Menschen in ihren Ländern ermöglichen, diese Chancen zu packen. Das war ein genereller Kommentar, der nicht direkt mit der Möglichkeit zu tun hat, eine WM alle zwei Jahre zu spielen.» (wst/SDA)