Gianni Infantino (51) hat seinen Lebensmittelpunkt nach Katar verlegt. Dies ergaben SonntagsBlick-Recherchen. Natürlich wollten wir mit dem Präsidenten des Weltfussballverbands über seine «Züglete» sprechen. Wir haben nach unserer Anfrage lange auf eine finale Antwort gewartet. Warum tut sich Infantino so schwer mit der Bestätigung des Fakts, dass er in Doha lebt? Wer ihn beobachtet, hat längst begriffen, dass ihm das Emirat mehr bietet als die kleine Schweiz.
Mehr Nähe zum Austragungsort. Klar ist es praktisch, in den Monaten vor WM-Start in Katar ums Eck zu wohnen und nicht mehrere Flugstunden entfernt. Das Projekt sei schwierig, erklärt die Fifa-Medienstelle. Es brauche auch «wegen des Protokolls» die Anwesenheit des Chefs. So weit, so offensichtlich. Andere Faktoren dürften schwerer wiegen.
Mehr Ruhm, zum Beispiel. In der Schweiz wird Gianni Infantino selten gefeiert und noch seltener wird er hofiert. Er hatte nie die Volksnähe seines Walliser Vorgängers Sepp Blatter. Dieser war zwar auch ein Weltbürger, aber immer darauf bedacht, auf seine Wurzeln zu verweisen und den Fifa-Standort, die Schweiz oder Zürich, zu loben. Der Fokus des aktuellen Fifa-Präsidenten liegt anderswo.
Weggefährtinnen beschreiben Gianni Infantino als Machtmenschen und Egozentriker. Es dürfte ihm gefallen, wie er im arabischen Raum empfangen wird, sprichwörtlich mit Pauken und Trompeten. Auf seinem Linkedin-Profil gewährt der Präsident Einblicke in seinen Alltag: Dutzende Bilder zeigen ihn beim Arab Cup in immer anderer, immer prominenter Gesellschaft. Wo Infantino hinkommt, gibts die grosse Chilbi. Da hüpft das Herz des Alphamenschen.
Und Infantino ist bereit, Lob zurückzugeben. Katar ist Fan von Infantino, und er «fant» zurück. Wenn er über das Emirat spricht, dann spricht er nicht, er schwärmt und lobt. Der Dank: Er spielt in der obersten Liga, steht auf Du und Du mit den Mächtigsten und Reichsten.
Die mögliche Folge: mehr Geld für die Fifa. Dies erhofft sich Infantino von seinen Charmeoffensiven. Es ist unterdessen schwierig, neue grosse Partner und Sponsoren zu finden. Europäische Brands sind in den letzten Jahren mit ihrem Engagement im Fifa-Umfeld zurückhaltender geworden. Die Fifa hat den Fokus vorübergehend auf den Fussball-Entwicklungsmarkt China gelegt. Logisch: Der kommerziell nächste Schritt führt an den grossen Geldtopf, der im arabischen Raum bereitsteht.
Kurz nach Infantinos Wahl wurden erstmals Gerüchte laut, dass die Fifa aus der Schweiz wegziehen könnte. Der Verein hat seinen Hauptsitz noch am Zürichberg, der Chef aber ist offenbar schon weg, kommt noch gelegentlich vorbei. Ein paar Tage pro Monat. Man sagt ja immer: «Daheim ist, wo das Herz ist.» Sein Herz hat Gianni Infantino längst an den arabischen Raum verloren.