So langsam aber sicher geht die Super League in die heisse Phase der Saison. Noch sechs Spieltage stehen in unserer höchsten Liga an, dann teilt sie sich in die Meister- und Abstiegsgruppen auf. Doch der heisse Strichkampf ist nicht die einzige ungewohnte Situation für die Schweizer Fussballfans. Denn wir haben endlich wieder ein spannendes Duell um die Tabellenspitze.
YB liegt derzeit einen Punkt vor Servette auf dem ersten Tabellenplatz, es bahnt sich das erste richtige Titelrennen seit einer gefühlten Ewigkeit an. Beweis gefällig? Das letzte Mal, als der Schweizer Meister am Ende der Saison weniger als fünf Punkte Vorsprung auf den Tabellenzweiten hatte, war 2013. Damals war der Autor dieses Newsletters zarte neun Jahre alt, besuchte die 3. Klasse und träumte bei den F-Junioren noch von der ganz grossen Karriere.
15,4 Punkte Vorsprung im Schnitt
Basel gewann in dieser Saison den Titel mit drei Zählern Vorsprung auf GC. Das FCB-Trikot trugen damals Stars wie Salah, Sommer oder Streller und bei den Hoppers spielten Namen wie Bürki, Zuber oder Hajrovic.
Seither war das Rennen um den Schweizer Meistertitel stets eine klare Sache, in den letzten zehn Jahren lag der Vorsprung des Meisters Ende Saison im Schnitt bei 15,4 Punkten. Die Spannung war im Frühjahr meist schon weg.
Für uns junge Schweizer Fussballfans gab es also noch nie einen Krimi um den Meistertitel. Und wir sahen auch noch nicht viele verschiedene Vereine den Pokal in die Höhe stemmen. In meinen bald 20 Jahren auf der Welt erlebte ich keinen anderen Meister als Basel, YB oder den FCZ. Dieses Jahr könnte sich dies aber ändern. Dank Servette.
Servette-Exploit macht Sinn
Die Genfer spielen bisher eine tolle Saison und wirken wie ein Team, dem der Titel tatsächlich zuzutrauen wäre. Am Sonntag gewannen sie das Derby gegen Lausanne mit 3:1 und waren kurzzeitig Leader der Super League – zum ersten Mal seit Juli 2003. Da war der Autor dieses Newsletters gerade mal in Planung.
Der Servette-Exploit diese Saison ist bei genauem Hinsehen logisch. Denn seit Jahren wird in Genf gut gearbeitet. Seit dem Aufstieg 2019 schlossen die Grenats mit einer Ausnahme jede Saison unter den besten Vier der Super League ab. Doch man wollte mehr. Servette-Boss Didier Fischer, der als Chef von Eishockey, Fussball und Rugby in Genf einer der mächtigsten Sportfunktionäre der Schweiz ist, erklärte letztes Jahr im grossen Blick-Interview, warum man sich trotz Erfolg vom langjährigen Trainer Alain Geiger trennte und ihn durch René Weiler ersetzte.
In Europa die letzte Schweizer Hoffnung
«Wir sind anders als die andern. Wir überlegen gut und antizipieren die Dinge. Alain macht mit seinem Staff einen hervorragenden Job. Wir wollen uns aber weiter verbessern», erklärte Fischer die Entscheidung damals. Und bisher sprechen die Ergebnisse für ihn. Unter Weiler entwickelte sich Servette nochmals weiter. Gerade in der Winterpause haben sich die Genfer erneut gesteigert: Im neuen Jahr holte kein Team bisher mehr Punkte.
Die Grenats sind nicht nur in der Liga und im Cup (Halbfinal gegen Winterthur) erfolgreich, auch auf der europäischen Bühne können sie überzeugen. Als letztes Schweizer Team sind sie noch in einem europäischen Wettbewerb vertreten. Im Achtelfinal-Hinspiel der Conference League gabs gegen Viktoria Pilsen ein 0:0, am kommenden Donnerstag gehts in Tschechien ums Weiterkommen. Schon jetzt ist es das beste Abschneiden im Europa-Cup seit 2002. Da war der Autor dieses Newsletters ... ach, es reicht.
Winti hat mehr Fans
Mit dem Erfolg kommen auch die Fans. Beim Derby gegen Lausanne vom vergangenen Wochenende waren über 12'000 Zuschauer im Stadion. So viel wie noch nie diese Saison. Dennoch gibt es hier aber noch viel Luft nach oben. Im Schnitt besuchen etwa 7300 Fans die Heimspiele. Damit liegen sie in der Zuschauer-Tabelle auf Platz sieben, vor ihnen liegt beispielsweise Winterthur mit etwa 8000. Das kann nicht der Anspruch eines Meisterkandidaten mit einem Stadion mit 30'000 Plätzen sein. Zumal Servette ja auch das einzige Profiteam des Kantons ist.
Doch traue ich den Grenats wirklich den ganz grossen Wurf zu? Ja. Das Team von René Weiler um die Schlüsselspieler Stevanovic, Guillemenot und Kutesa wirkt stabil genug, um bis ganz zum Schluss um den Meistertitel zu kämpfen. Dass auch die Konkurrenz Servette den Meistertitel zutraut, zeigt St. Gallens Trainer Peter Zeidler, der das Team Anfang März zum Titelkandidaten machte. Es wäre ein Genfer Märchen.
Ein Direktduell steht noch an
Doch YB wird es seinem Verfolger nicht einfach machen. Der zuletzt strauchelnde Leader setzte am Sonntag beim ersten Spiel nach der Entlassung von Raphael Wicky mit dem 5:1 gegen Basel ein deutliches Ausrufezeichen. Für die Zukunft der Berner wäre aber ein Jahr ohne Titel vielleicht gar nicht so schlecht. Blick-Sportchef Emanuel Gisi meint in seinem Kommentar gar, dass YB auf einen Servette-Meistertitel hoffen sollte.
Spannend sollte der Titelkampf aber jedenfalls werden. Und dank des neuen Modus mit Liga-Teilung kommt es auf jeden Fall nochmals zum direkten Duell zwischen Servette und YB. Eine Finalissima um den Titel am letzten Spieltag: Das wäre mein Traumszenario.
Mannschaft | SP | TD | PT | ||
---|---|---|---|---|---|
1 | FC Lugano | 18 | 6 | 31 | |
2 | FC Basel | 18 | 21 | 30 | |
3 | FC Lausanne-Sport | 18 | 9 | 30 | |
4 | FC Luzern | 18 | 3 | 29 | |
5 | Servette FC | 18 | 2 | 29 | |
6 | FC Zürich | 18 | -1 | 27 | |
7 | FC Sion | 18 | 4 | 26 | |
8 | FC St. Gallen | 18 | 6 | 25 | |
9 | BSC Young Boys | 18 | -4 | 23 | |
10 | Yverdon Sport FC | 18 | -12 | 17 | |
11 | Grasshopper Club Zürich | 18 | -10 | 15 | |
12 | FC Winterthur | 18 | -24 | 13 |