Toulouse-Captain Sierro über die Ligue 1 und den Mbappé-Abgang
«Im Fussball ist alles möglich»

Vincent Sierro will mit Toulouse diese Saison mehr holen als einen profanen 11. Platz. Der Captain wundert sich zum Ligue-1-Start über die immense Bedeutung eines einzelnen Spielers, der nicht mehr in Frankreich ist.
Publiziert: 17.08.2024 um 19:18 Uhr
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Aktualisiert: 18.08.2024 um 11:44 Uhr
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Solche magischen Momente sollen mit Toulouse wieder möglich werden, als Vincent Sierro und Co. selbst Liverpool mit Weltmeister Alexis Mac Allister (r.) ins Straucheln brachten.
Foto: keystone-sda.ch
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Alain KunzReporter Fussball

Die Ligue 1 hat wieder losgelegt. Heute greift auch der Tabellenelfte der vergangenen Saison ins Geschehen ein: Toulouse mit dem Schweizer Captain Vincent Sierro (28). Les Violets (die Veilchen) treffen auf die Canaris (die Kanarienvögel) aus Nantes. Was herzig tönt, ist in Tat und Wahrheit ein Hassduell. Sierro: «Das begann mit der Barrage 2021 und ging am Cupfinal 2023 weiter, als wir Nantes gleich mit 5:1 abfertigten.» Und auf den Tribünen gabs einen hässlichen Fan-Streit rund um den Tod von Ex-Nantes-Star Emiliano Sala.

So ist also das Spiel am Sonntag ein High-Risk-Match. Das heisst dann in Frankreich, dass sich die Gäste-Fans in der Stadt nicht frei bewegen dürfen und ein festgelegter Perimeter mit Drohen überwacht wird. Fast sind wir geneigt zu sagen: So etwas würden wir uns auch bei uns wünschen …

Vom Abstiegskandidaten in die Champions League

Zum Sportlichen. Toulouse (das sich neuerdings nicht mehr nur als Violets versteht und sich mit der sonderbaren Kreation Téfécé versieht) will zurück nach Europa. Letzte Saison gabs in der Europa League einen fantastischen 3:2-Sieg gegen Liverpool und dann das Out in den Sechzehntelfinals gegen Benfica Lissabon. Heuer ist man nicht dabei. «Wir wollen zurück in die erste Tabellenhälfte», sagt Sierro. «Letzte Saison waren wir in der Rückrunde Sechste. An diese gute Dynamik gilt es anzuknüpfen. Wenn wir zudem unsere Heimstärke zurückgewinnen, haben wir eine schöne Meisterschaft vor uns.» Da kann der Startschuss ja schon mal heute erfolgen. Zu Hause. Und warum nicht Ähnliches erreichen wie Stade Brest letzte Saison? Die Kicker aus der Bretagne landeten auf Platz drei und damit in der Champions League. Sierro: «Ja, warum nicht? Brest war ja eher als Abstiegskandidat gehandelt worden.»

Ein Weltmeister für die Veilchen

Die Transfers sind allerdings zuzugsseitig überschaubar, wie bei so vielen Klubs in Frankreich in diesem Sommer-Mercato. Es gibt Gründe, dass zum Beispiel der für 15 Millionen zu Bologna abgewanderte holländische Topskorer (14 Tore) Thijs Dallinga (24) noch nicht ersetzt worden ist. «Der Markt ist konditioniert worden durch die TV-Rechte-Vergabe, die erst sehr spät erfolgte», erklärt Sierro. «Viele Klubs mussten warten, bis sie wussten, wie viel Geld sie für Transfers einplanen können.» Zur Erinnerung: Statt der erhofften Milliarde gibts heuer für die Klubs nur 500 Millionen. Das ist ein dramatischer Tiefstand, der vor allem die mittleren und kleineren Klubs trifft. «Wir haben mit dem Verkauf von Dallinga und jenem des hochtalentierten 19-jährigen Christian Mawissa nach Monaco doch 35 Millionen eingenommen. Da hoffe ich, dass es für eine neue Nummer neun reicht», so Sierro. «Aber mit Frank Magri verfügen wir seit einem Jahr über einen hochtalentierten Mittelstürmer, der den ganz grossen Durchbruch schaffen kann.» Immerhin: Mit Djibril Sidibé (32) von AEK Athen haben die Veilchen gratis und franko einen Weltmeister erhalten. Das sei ein Topzugang, analysiert Sierro: «Djibril hat eine Supermentalität und hat dank seiner Routine keine Anlaufzeit gebraucht. Das ist enorm wertvoll, haben wir doch eine sehr junge Mannschaft.»

Mbappés Abgang beeinflusst die TV-Rechte-Vergabe

Das TV-Rechte-Fiasko ist zu einem wichtigen Teil auf den Abgang von Kylian Mbappé (25) nach Spanien zurückzuführen. Durch diesen Transfer ist die Attraktivität der Liga massiv gesunken. Sierro: «Das war auch mit Messi so. Solche Spieler haben einen derartigen Impact, dass sie die TV-Rechte-Vergabe entscheidend beeinflussen.» Und im Fall von PSG ist der Einfluss dieses Abgangs auch für den Klub spürbar. Viele Beobachter halten den Serienmeister heuer ohne Überfussballer und Torschützenkönig Mbappé für angreifbar. Wie 2017 und 2021, als Monaco und Lille Meister wurden. Das waren die beiden einzigen Champions seit 2013, die nicht PSG hiessen. «Aber die Pariser bleiben der klare Favorit. Wegen ihres weit höheren Budgets und ihres Superkaders», so Sierro. «Aber im Fussball ist alles möglich, wenn jemand gut arbeitet. Siehe Brest.»

Sierro will seine junge Nati-Geschichte fortsetzen

Und wenn Toulouse und sein Spielführer performen, kann auch die ganz frische Nati-Story von Sierro weitergehen. «Das ist ein grosses Ziel», bestätigt der Mann aus Siders VS, der ja erst seit diesem Frühling Nationalspieler ist. An der Euro kam er zu seinen ersten Endrunden-Kurzeinsätzen. In vier der fünf EM-Spiele. Aber nie von Beginn weg. «Darauf hatte ich gehofft, klar. Zumal du mir ja gesagt hast, dass diese Chance realistisch sei. Aber es war auch so ein grandioses Abenteuer mit magischen Momenten, das nur positiv war. Ich habe von einigen Spielern ganz viel gelernt und versucht, die Stammspieler in jedem Training ans Limit zu pushen.»

Das ist sie, die typische Sierro-Einstellung. Dank dieser hat es der Walliser Bachelor in Wirtschaft dorthin geschafft, wo er jetzt ist. Spät. Aber nicht zu spät. Und der Weg ist noch lange nicht zu Ende.

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