Standing Ovations hat Luis Rubiales (46) bekommen, als er am Freitag seine weinerliche Kampfrede vor seinen Kumpels des spanischen Verbandes hielt. «Ich trete nicht zurück!», rief er mehrmals in den Saal und die Anwesenden standen auf und klatschten heftig Beifall.
Die Szene kommt Filmkennern bekannt vor. Der kämpferische Rubiales imitierte da wohl die Posen von Leonardo DiCaprio im Streifen «The Wolf of Wall Street» aus dem Jahr 2013. Von Skandalen in die Enge getrieben, wendet sich DiCaprio alias Jordan Belfort da an die gesamte Firma und ruft seinen Mitarbeitern zu: «Ich gehe nicht!», worauf die ganze Schar in überschäumenden Jubel ausbricht.
Uno hat sich eingeschaltet
Was von Rubiales als ausgeklügelter Befreiungsschlag geplant war, wurde zum Eigentor. Der öffentliche Druck ist nur noch grösser geworden. Die Fifa hat ihn vorübergehend aus dem Verkehr gezogen. Die Politik Spaniens sieht die Gefahr eines Imageverlusts und drückt vehement auf die definitive Absetzung. Auch die Vereinten Nationen um Generalsekretär António Guterres haben sich zum Thema geäussert. «Ich hoffe, dass die spanischen Behörden diesen Fall auf eine Weise behandeln, die die Rechte aller Frauen respektiert», sagte Sprecherin Stéphane Dujarric.
Allen voran aber machen die Spielerinnen Druck. Sie wollen keinem Aufgebot für das spanische Nationalteam mehr Folge leisten, solange Rubiales noch amtet. Doch meinen sie mit ihrem Protest nicht bloss den Mann im Fokus. Die Weltmeisterinnen prangern das ganze System an, welche Rubiales überhaupt möglich gemacht hat. Also geht es unter anderem auch um die Nationaltrainer Jorge Vilda (Frauen) und Luis de la Fuente (Männer). Beide waren unter den Claqueuren nach Rubiales «Wallstreet»-Rede. Inzwischen haben sie gemerkt, dass der Sturm nicht überstanden ist, nicht schwächer wird und auch ihnen beissend ins Gesicht schlägt. Offensichtlich haben sie sich sofort in den Wind gedreht wie Wetterfähnchen. Ob ihnen diese Kehrtwende hilft? Rubiales jedenfalls steht plötzlich allein da. Bloss seine Mutter und seine Tante stehen noch zu ihm und unterstreichen das mit einem angedrohten Hungerstreik.
Spiel gegen die Schweiz in Gefahr
Die Gefahr besteht, dass Rubiales nun als Einzeltäter gekennzeichnet und abgesetzt und aus Amt und Würden gejagt wird – als der einzige Sündenbock dieser Affäre. Und dass sich die anderen, welche diesen Schritt vollziehen oder unterstützen, sich dann auch noch gebührend abfeiern lassen und damit überdecken, dass eigentlich alles so weitergeht.
Am 22. September müssten die Spanierinnen im Rahmen der neu geschaffenen Nations League gegen Schweden antreten, am 26. September dann gegen die Schweiz. Es droht ein Chaos. Der Druck, schnell zufriedenstellende Lösungen zu finden, ist enorm. Falls die Forderungen der streikenden Spielerinnen jedoch alle erfüllt würden, hätten sie am Ende nicht nur den Weltmeistertitel gewonnen, sondern auf dem Weg zur Gleichberechtigung der Frauen unvergleichlich mehr.