Zuerst ging sie nach links, dann auf engstem Raum nach rechts, liess die deutschen Verteidigerinnen Däbritz und Huth wie Slalomstangen stehen und schlenzte den Ball ansatzlos in die rechte obere Ecke. Es war ein Traumtor, das schönste bisher an dieser WM, und es liess im prallvollen Stadion in Sydney alle Dämme brechen.
Linda Caicedo sprintete zur Cornerfahne und liess sich von den Kolumbien-Fans feiern, die das ganze Stadion füllten. Linda C steht auf ihrem Trikot und darunter die Nummer 18, was ihrem momentanen Alter entspricht. «Colombia is Linda», steht zweideutig auf einem Fan-Plakat, was übersetzt so viel heisst wie «Kolumbien ist wunderschön».
Brutale Diagnose Krebs
Linda Caicedo, diese filigrane Fussballerin, dieses Jahrhunderttalent, diese Künstlerin am Ball, die Hoffnung einer ganzen Nation. Superlative und Erwartungen, die schwer wiegen können. Im Training vor dem Spiel gegen Deutschland hielt sie sich plötzlich den Magen, sackte zusammen, musste abbrechen. Ein Schock. «Ein Symptom von all dem Stress und der körperlichen Belastung», beschwichtigten die Verantwortlichen später. «Ihr geht es gut.»
Klar, dass man sich sofort Sorgen macht, wenn es um die Gesundheit von Caicedo geht. Es gibt eine Vorgeschichte. Mit 15 war sie bereits Teil der kolumbianischen Nationalmannschaft. Doch dann der Schock. Sie bekam die Diagnose Eierstockkrebs. Caicedo wurde operiert, musste mehrere Wochen Chemo über sich ergehen lassen, war körperlich ausgelaugt, mental am Boden. «Damals glaubte ich nicht mehr, dass ich je wieder Fussball spielen werde.»
Mit 18 schon Fussballphilosophin
Doch die Kämpferin kam zurück, gilt seit 2020 als krebsfrei. Sie gewann in Kolumbien zwei Meisterschaften, wechselte 2023 zu Real Madrid und spielt nun erstmals auf der ganz grossen WM-Bühne – und wie! Schon bei Kolumbiens Auftakt-Sieg gegen Südkorea erzielte sie das 2:0 und wurde zur Spielerin der Partie gewählt. Gegen Deutschland hat sie jetzt ein weiteres Müsterchen ihres riesigen Talents gezeigt.
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«Sie ist eine Spielerin von einem anderen Planeten», schwärmt Kolumbiens Assistenztrainer Mario Alberto Abadía. Man brauche doch nur hinschauen, wie sie schon mit 18 immer vorangehe und den Ball fordere. Wer genau hinhörte, den kann diese Entwicklung nicht überraschen. Als sie 14-jährig ihr spektakuläres Debüt in der ersten Liga Kolumbiens gab, verblüffte sie mit der Aussage, dass sie gerade ein Buch des Philosophen und Unternehmers Jorge Valdano lese: «Die elf Gaben eines Leaders.»
Angesprochen auf ihren Jubel nach dem Traumtor sagte sie nach dem Spiel abgeklärt wie eine Fussball-Philosophin: «Als wir da so in der Ecke alle feierten, das sind unglaubliche Momente, die der Fussball uns schenkt und wir müssen dankbar sein.»
Turbulenzen in der Beziehung
Caicedo ist auf dem besten Weg der Star dieser WM zu werden. In der Heimat ist sie bereits eine Heldin, wird mit Neymar und anderen Grössen verglichen, was auch weniger angenehme Dinge mit sich bringt. Schon fast wie beim kolumbianischen Weltstar, der Sängerin Shakira, entgeht der Öffentlichkeit auch im privaten Bereich kein Detail mehr. Als Caicedos Ex-Freundin in den sozialen Netzwerken ein Foto postete, das sie mit aufgesetzten Hörnern zeigte, waren alle informiert, dass es wohl heftige Turbulenzen gibt in der Beziehung des Jungstars. Aber an solchen Dingen muss sie sich wohl künftig abfinden. Ein ruhiges Leben? Wird es für sie so schnell nicht mehr geben.