Die Marokkanerin Nouhaila Benzina (25) dürfte am Sonntag Sportgeschichte schreiben. Als erste Fussballerin bei einer WM wird die gläubige Muslimin im Spiel gegen Südkorea mit einem Hidschab einlaufen. Die Fifa twitterte vor Turnierbeginn: «Die Teilnahme von Nouhaila Benzina wird weltweit Barrieren durchbrechen.»
Der Fussball-Weltverband hatte 2014 nach einer zweijährigen Testphase grünes Licht zum Tragen eines speziellen Sport-Hidschabs gegeben. Vorher war die Verhüllung verboten, weil sie am Kopf und Nackenbereich zu Verletzungen hätte führen können.
Politische und religiöse Symbole im Wettkampf? Zur Erinnerung: Bei der Männer-WM in Katar 2022 hatte die Fifa unter grosser Empörung die Regenbogen-Armbinde aus Rücksicht auf den muslimischen Gastgeber verboten.
Und dass beim Torjubel das Ausziehen des Trikots weltweit mit Gelb bestraft wird, hängt nicht nur mit Zeitgewinn zusammen, sondern auch damit, dass in islamischen Ländern das Zeigen des nackten Oberkörpers eine Beleidigung für die Zuschauer ist.
Proteste im Iran gegen Verhüllung
Werfen wir weiter einen Blick in den Iran. Während in Neuseeland unter Jubel muslimische Spielerinnen mit Kopftuch einlaufen, protestieren Iranerinnen unter Lebensgefahr gegen die Verschleierung und reissen sich den Hidschab vom Kopf. In einer Mitteilung forderte Amnesty International diese Woche die Einhaltung der Menschenrechte: «Die internationale Gemeinschaft darf nicht tatenlos zusehen, wie die iranischen Behörden die Unterdrückung von Frauen und Mädchen verschärfen.»
Die wichtigsten Nebensächlichkeiten zur WM
Wenn es um die Verhüllung beim Sport geht, schlägt Amnesty allerdings andere Töne an. Auf Nachfrage von Blick teilt Pressereferentin Natalie Wenger mit: «Dass eine Frau an der WM ein Kopftuch zeigt, ist ein gutes Zeichen für die Religionsfreiheit und hat mit den Geschehnissen im Iran nichts zu tun.» Zudem ermögliche es ein Hidschab, dass Frauen in muslimischen Ländern überhaupt an internationalen Wettkämpfen teilnehmen dürften.
Laut Wenger ist es bei beiden Ereignissen so, dass «wir dafür einstehen, dass es keinen Verschleierungszwang geben sollte».
Für die muslimische Ehefrau des berühmten Bloggers Raif Badawi (39), der in Saudi-Arabien wegen Regimekritik zu Peitschenhieben und zehn Jahren Haft verurteilt worden war, ist im Islam allerdings jede Art von Verhüllung ein Zwang. Die nach Kanada geflohene Menschenrechtlerin Ensaf Haidar (38) sagt gegenüber Blick: «Der Schleier ist von den Islamisten erfunden worden, um die Frau zu kontrollieren. Der Schleier bleibt ein Symbol für die Versklavung der Frau.»
Wer einen Schleier trage, handle nie aus freien Stücken. «Der Hidschab wird Kindern schon früh aufgezwungen, sodass eine Frau die Vorstellung hat, die Verhüllung aus Überzeugung tragen zu müssen», sagt Haidar. Anders als Wenger, sieht sie einen Zusammenhang mit dem Iran: «Es geht ebenfalls um den Respekt für die Millionen von Iranerinnen, die für ihr Recht, den Schleier abzulegen, inhaftiert und gefoltert werden.»
Fazit: Der Entscheid der Fifa von 2014 ist zwar nachvollziehbar, unterstützt aber die Politik und Frauen-Diskriminierung gewisser muslimischer Länder. Religiöse Bekleidung hat im internationalen Sport daher nichts verloren. Denn: Wir wollen ein Kräftemessen unter Ländern sehen und nicht Kämpfe unter Religionen.