Mit 40 ist für den «ewigen» Raphaël Nuzzolo Schluss
Tschagajews Beschimpfungen und ein 2:2 in Anfield

Vor gut einer Woche hat Raphaël Nuzzolo sein 600. Meisterschaftsspiel gemacht. Ende Saison ist Schluss. Kurz bevor er 40 wird. Der Bieler blickt zurück auf seine schönsten, verrücktesten und traurigsten Momente aus 21 Jahren Profileben.
Publiziert: 16.05.2023 um 10:03 Uhr
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Aktualisiert: 16.05.2023 um 14:14 Uhr
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Raphaël Nuzzolo wird fussballerisch ab Ende Saison im Schatten stehen.
Foto: keystone-sda.ch
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Alain KunzReporter Fussball

393 Spiele in der Super League, 200 in der Challenge League, 4 Barrage-Spiele und 4 Auf-/Abstiegsspiele beim Debüt im Frühling 2002. 155 Tore. Es sind beeindruckende Zahlen, die Raphaël Nuzzolo aufweisen kann. Nur: Für den Einsatzrekord in der höchsten Spielklasse reicht das nicht beim Bieler Eishockeyfan, der dem SCB die Daumen drückt. Die meisten Einsätze im Oberhaus hält ein anderer Xamaxien: Philippe Perret hat es auf 540 Spiele gebracht. Sechs mehr als Union-Berlin-Trainer Urs Fischer.

Nun also ist demnächst Schluss. Ein paar Tage, bevor «Nuzz» 40-jährig wird. Das geschieht am 5. Juli. «Ich bin in einer privilegierten Lage. Ich werde nicht gezwungen, aufzuhören. Weder durch Verletzungen noch einen ausbleibenden Vertrag. Das ist doch ein grosser Luxus!» Er habe immer lange spielen wollen, sagt Nuzzolo heute. Und bedankt sich bei seinem Körper, der das ermöglicht hat. «Und jenen, die ihn instandgehalten haben, dass ich das Niveau bis zum Schluss halten konnte.»

«Was mache ich eigentlich noch auf dem Platz?»

Bald 40. Kein Wunder fragt sich «Nuzz» manchmal selber: Was mache ich eigentlich noch auf dem Platz, wenn all meine Kumpels längst aufgehört haben und auf der Tribüne ein Bierchen trinken? «Und wenn ich auf die Matchblätter schaue, so finde ich nicht mal mehr Spieler mit Jahrgang 1987 oder 1988. Ich habe 1983 …»

Andrerseits könnte Nuzzolo der Vater von einigen seiner Mitspieler sein. «Wir haben Jungs mit Jahrgang 2004 und 2005 im Kader. Dennoch fühle ich mich von der Mentalität her nicht alt. Ich ziehe die Jungs oft auf. Und ich versuche vor allem, kein besserwisserischer Brummbär zu sein.» Muss er auch nicht. Die Jungen kommen von sich aus zu ihm, suchen seinen Rat. Und doch: Was denken sie? Gibts da eine Art Opa-Feeling? «Das musst du sie selber fragen. Ich kann nur sagen: Ich habe nicht das Gefühl. Ich verspüre Respekt.»

Respekt. Den haben wir auch für Nuzzolos Profi-Karriere, in welcher nur zwei Klubs Platz hatten: Xamax und YB. Der Offensiv-Mittelfeldspieler nimmt uns mit auf eine Zeitreise in fünf Stichworten.

Fünf magische Nuzzolo-Momente

  • Das wichtigste Tor: «Zwei. Das eine ist keines aus dem ganz grossen Rampenlicht. Es war der 2:1-Siegtreffer in der 95. Minute in Kriens, das 2007 in der Challenge League Leader war. Damit haben wir den Aufstieg eingeleitet. Das zweite erklärt sich von selber: Ein Tor gegen Liverpool vergisst du nie! Auch wenn wir mit YB in der Europa League im September 2012 3:5 verloren haben.»
  • Das schönste Spiel: «Auch zwei. Natürlich zum einen Liverpool. Das Auswärtsspiel an der Anfield Road in derselben Saison. Dank Elsad Zverotics spätem Hammer holten wir ein 2:2. Aber auch das Spiel 2014 in der Europa League gegen Napoli, das wir wohl 0:3 verloren haben. Aber mein Vater kommt aus Kampanien. Da war ein Spiel seines Sohnes im damaligen San Paolo fast schon mythisch.»
  • Die grössten Emotionen: «Ganz klar die Barrage 2019 gegen Aarau. Wir verlieren zu Hause 0:4 und sitzen bis morgens um vier Uhr in der Garderobe der Maladière und versuchen zu begreifen, was da passiert ist. Ich hatte zu allem Übel Rot kassiert, war im Rückspiel also gesperrt – und dann schaffen wir dieses Wunder! Gewinnen auch 4:0 und siegen im Penaltyschiessen. Das war unfassbar und eigentlich unerklärlich! Eine Lektion fürs Leben. Nur um das einzuschätzen: Europäisch hat es einige grosse sogenannte Remontadas gegeben, wurde ein Vier-Tore-Handicap wettgemacht. Aber immer mit dem Rückspiel im eigenen Stadion. Nie auswärts.»
  • Der schlimmste Tiefschlag: «Der Cupfinal 2011. Endlich wollten wir den ersten Cupsieg für Xamax holen nach vier verlorenen Endspielen. Und wir wollten die ersten sein, die den FC Sion in einem Final bezwingen. Und dann liegen wir in der Pause 0:2 hinten. Präsident Bulat Tschagajew stürmte die Kabine und beleidigte uns aufs Übelste.»
  • Der verrückteste Moment: Ich hoffe, das wird die anstehende Barrage sein, mein allerletztes Karrierespiel mit dem Jubel über den Ligaerhalt. Seit Uli Forte Trainer ist, bereiten wir uns nur noch auf diese beiden Spiele vor. Es ist etwas eingetreten, das ich in meiner Karriere nie erlebt habe: Dass nämlich die Resultate keine grosse Rolle spielen und wir nicht mehr auf die Tabelle schauen. Mit Uli, den ich von meiner YB-Zeit sehr gut kenne, haben wir den perfekten Trainer für diese Mission. Aber richtig verrückt wäre es nur dann, wenn Xamax zu meinem Abschied absteigen müsste. Denn dieser grosse Klub in einer Amateurliga – das wäre komplett crazy!»
Challenge League 24/25
Mannschaft
SP
TD
PT
1
FC Thun
FC Thun
18
13
33
2
FC Etoile Carouge
FC Etoile Carouge
18
5
30
3
FC Aarau
FC Aarau
18
8
29
4
FC Vaduz
FC Vaduz
18
0
28
5
FC Wil
FC Wil
18
5
25
6
Neuchatel Xamax FCS
Neuchatel Xamax FCS
18
-6
25
7
AC Bellinzona
AC Bellinzona
18
-6
21
8
FC Stade Nyonnais
FC Stade Nyonnais
18
-16
18
9
FC Stade-Lausanne-Ouchy
FC Stade-Lausanne-Ouchy
17
4
17
10
FC Schaffhausen
FC Schaffhausen
17
-7
16
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