Seit dem Meistertitel 2019 hat der SCB keine Playoff-Serie mehr gewonnen. Ändert sich das heute? Oder schafft Fribourg doch noch den dritten Halbfinal-Einzug in den letzten vier Saisons? Zwei Fern-Duelle werden dabei von entscheidender Bedeutung sein.
Das Duell der wilden Nordmänner
Nachdem er im Sommer zum SCB gestossen ist, hat Waltteri Merelä sofort eine Rolle als Leitwolf beim SCB übernommen. Und nicht nur auf dem Eis strahlt er Power und Persönlichkeit aus, sondern auch daneben. So sprach er in einem Mysports-Interview vor Weihnachten Klartext, obwohl die Berner dank eines umstrittenen Treffers in Zürich gewannen: «Es ist ein klares Offside. Die Liga sollte darüber nachdenken, vielleicht Kameras an den blauen Linien zu installieren.»
Nach der unglücklichen 1:2-Niederlage in Fribourg am letzten Donnerstag nahm er sich selbst in die Pflicht: «Ich muss besser spielen und mehr Tore schiessen.» Zwei Tage später lieferte er: Nachdem er nach einem Check von Julien Sprunger mit drei Stichen genäht worden war, kehrt er aufs Eis zurück und entschied das Spiel mit einem Ablenker in der Overtime. Danach gab er mit der Wunde auf der Nase als Trophäe locker, flockig Interviews und kritisierte mal eben seinen Schiedsrichter-Landsmann Mikko Kaukokari. Und am Montag legte er sich mit den Gottéron-Fans an, als provokativ gestikulierend noch mehr Bierwürfe einforderte und sagte danach: «Ich war durstig nach dem Spiel und wollte etwas mehr Bier.» Während er bei den Fribourgern, wie Yannick Rathgeb, zum roten Tuch geworden ist, wird er bei den Berner Fans gefeiert.
Schon vor den beiden Berner Overtime-Siegen sagte Merelä: «Das Schöne ist, dass in einer Best-of-7-Serie immer das bessere Team gewinnt. Das bessere Team ist am Ende jenes, das während der Serie mehr über das andere Team lernt.»
Das Pendant zu Merelä ist bei Fribourg Marcus Sörensen (32). Mit drei Toren und fünf Assists ist der Schwede mit den langen blonden Haaren der beste Skorer der Serie. Und der Flügel, der auch als Hitzkopf bekannt ist, hat bisher seine Nerven bestens im Griff und verströmt Lockerheit. «Ich mag es, wenn ich unter Druck stehe. Niemand setzt mich mehr unter Druck, als ich mich selbst», sagte der ehemalige Stürmer der San Jose Sharks vor einiger Zeit zu Blick.
Gestresst wirkt der NL-Topskorer der letzten Saison bisher nicht. So parlierte er im sechsten Spiel im Pausen-Interview mit Mysports über das spezielle Verhältnis zu seinem kongenialen Sturmpartner Lucas Wallmark. «Ich weiss sogar, wann er ins Bett geht», sagte er und hatte damit die Lacher auf seiner Seite. Später verpasste er allerdings die Chance, die Weichen für Gottéron Richtung Halbfinal zu stellen und scheiterte beim Stand von 2:1 mit einem Penalty an Philip Wüthrich. 34 Sekunden fiel der Ausgleich.
Das Duell der Strassenräuber
Reto Berra (39) ist bisher der herausragende Spieler bei Fribourg neben dem Schweden-Duo Sörensen/Wallmark. Beim 2:1-Heimsieg vierten Spiel setzte er jegliche Logik der Analytics, welche eine Gewinnwahrscheinlichkeit von 97,1 Prozent für den SCB errechneten, auf den Kopf. Doch was sind schon «expected goals» (xG), zu erwartende Tore, wenn Berra im Tor steht?
Mit seinen Paraden entriss er dem SCB wie ein Strassenräuber den Sieg. Im Eishockey ist das kein Verbrechen. Schliesslich sind die Goalies ein integraler Bestandteil eines Teams. So sagte Trainer Lars Leuenberger: «In einer Serie braucht man ab und zu einen Goalie, der dir einen Match stiehlt. Das hat Reto an diesem Abend gemacht.»
Begünstigt wurde der Raub des Zürcher Unterländers aber auch dadurch, dass sich auf der anderen Seite Adam Reideborn beim entscheidenden Treffer von Christoph Bertschy einen Fehlgriff leistete.
Darauf verlor der Schwede seinen Platz im SCB-Tor – auch weil Trainer Jussi Tapola dank der Rückkehr von Hardy Häman Aktell wieder sechs fitte ausländische Spieler zur Verfügung hatte. Philip Wüthrich (27), der beim Startspiel (3:4 n.V.) den Vorzug erhalten hatte, durfte wieder ran und machte seine Sache sehr gut – und am Dienstag überragend.
Ohne den Berner wäre der SCB jetzt schon in den Ferien. Auf dem Weg zum 4:3-Overtime-Sieg wehrte er nicht nur Sörensens Penalty, sondern 29 Schüsse auf sein Tor ab. Mit anderen Worten: Wüthrich stahl den Sieg, den Berra vier Tage davor geraubt hatte, zurück. Strassenräuber beklaut Strassenräuber.
Das heutige Spiel 7 könnte das letzte für Wüthrich im SCB-Trikot sein. Nächste Saison spielt er in Ambri. Und man darf sich die Frage stellen, ob die Berner nicht besser beraten gewesen wären, 2023 nicht einen ausländischen Keeper zu holen. Damals hatte Wüthrich den SCB in der entscheidenden Quali-Phase mit starken Leistungen überhaupt in die Playoffs gebracht, konnte nach 17 Einsätzen in Serie dann in den Playoffs gegen Biel nicht mehr restlos überzeugen.