Darum gehts
- Amir Orfia bleibt Boss von SwissBoxing
- Vor der Wahl wurde er hart attackiert
- Sein Punktsieg fiel hauchdünn aus
Das war eine Kampfwahl, die sich ihren Namen redlich verdient. Eine Art Generationen- und Röschtigraben-Fight, der bis zuletzt mit knallharten Bandagen ausgetragen wurde.
In der einen Ecke sass der 30-jährige Lausanner Amir Orfia, der seit Sommer 2023 Präsident ist und seine fehlende Erfahrung mit Jugend und smartem, charismatischem, keckem Auftreten wettmacht. In der anderen der 63-jährige Brückenbauer Thomas Marthaler, Friedensrichter aus Zürich, der als Sozialdemokrat auf 25 Jahre Politikerfahrung bauen kann und auf das Miteinander und den Ausgleich setzt. Beide wissen als Ex-Boxer, wie man einen Kampf führt.
Nach hektischen und teils emotionalen Voten vor der Wahl haben sich die Delegierten am Samstagnachmittag schliesslich für die Jugend entschieden – mit denkbar knappen 71:69 Stimmen bei einer Enthaltung. Gut möglich, dass die teils harten verbalen Hiebe gegen Orfia mit dem Ziel, ihn in seiner Rolle als Präsidenten und unnötigerweise auch als Person zu diskreditieren, kontraproduktiv waren und die umgekehrte Wirkung erzielten – dass sie ihm quasi in der letzten Runde die entscheidenden Stimmen zur Wiederwahl brachten.
Aufrufung zur Einigkeit
Mit dieser Wahl hat SwissBoxing nun ein weiteres Kapitel in der aufwühlenden Geschichte der letzten Monate geschrieben, die von viel Unsicherheit, gegenseitigem Misstrauen und Vorwürfen geprägt war und schliesslich in dieser Kampfwahl gipfelte. Es ging unter anderem um den Austritt aus dem korrupten Weltverband IBA, der Rolle von Orfia als Ex-IBA-Mitarbeiter und den Eintritt in den neuen Verband WB (World Boxing), der nach Vorbehalten gegen die Führung von SwissBoxing erst im zweiten Anlauf im Februar 2025 gelang. WB gehören inzwischen 84 Föderationen an und hat beste Chancen, als Ausrichter der Boxevents bei Olympia 2028 in Los Angeles, vom IOC akzeptiert zu werden.
Ob die internen Wogen im Schweizer Verband nach dieser knappen Entscheidung, die auf eine Spaltung unter den Delegierten hinweist, geglättet sind? Jedenfalls hat Amir Orfia nach seinem Punktsieg zur gemeinsamen Zukunft und internen Einigkeit aufgerufen – zum Wohle des Schweizer Boxsports.
Ehre für Christina Nigg
Schade, dass viele bereits in Aufbruchstimmung waren, bevor die Delegiertenversammlung zu Ende ging. Einige hatten den Saal bereits verlassen, andere bereits die Jacken übergestreift, als es schliesslich zur Wahl von drei vorgeschlagenen Ehrenmitgliedern kam. Die Schweizer Box-Legende Christina Nigg (64), der ehemalige Verbandspräsident Andreas Anderegg (68) und der langjährige Nationalcoach Federico Beresini (64) wurden jedoch deutlich gewählt – dazu brauchte es jeweils eine Zweidrittelmehrheit.
Das nächste Kapitel, das SwissBoxing schreiben muss, ist die Überarbeitung der Statuten, welche die Vorgaben von Swiss Olympic wie beispielsweise Ethikstandards. Amtszeitbeschränkungen und Frauenquoten festschreiben müssen. Dafür wird sich der Verband nach eignen Angaben nun externe, unabhängige Unterstützung holen. Liegen der neue Statutenentwurf vor, muss in einer ausserordentlichen Delegiertenversammlung darüber abgestimmt werden.