Blick: Amir Orfia, was ist bei Swiss Boxing los?
Amir Orfia: Die Situation ist etwas kompliziert. Am 31. August stimmen die Delegierten an einer ausserordentlichen Versammlung über den Austritt von Swiss Boxing aus der IBA ab.
Die ausserordentliche Delegiertenversammlung wurde gegen Ihren Willen einberufen.
Es war ein Mehrheitsentscheid des Verbandsrats.
Fühlen Sie sich hintergangen?
Nein, das ist ein Verband, da wird diskutiert, da gibt es unterschiedliche Meinungen. Ich werde an der Versammlung teilnehmen und werde den Entscheid, der schliesslich gefällt wird, akzeptieren und alles daran setzen, ihn danach umzusetzen.
Amir Orfia (30) wurde 2023 zum neuen Präsidenten von Swiss Boxing gewählt, nachdem es einen Eklat gab, der zum Rücktritt des langjährigen Präsidenten Andreas Anderegg führte. Die Delegierten entscheiden sich für den Verbleib im umstrittenen Verband IBA, dem Korruption nachgewiesen wurde. Darauf warf Anderegg das Handtuch. Der Lausanner Orfia nutzte diese Chance, sprang in die Bresche und wurde gewählt. Orfia war früher selber Boxer, wurde 2013 und 2016 Schweizer Vizemeister und arbeitete später als Projektmanager für die IBA. Die IBA aber wurde vom IOC als Organisator der Olympischen Spiele nach Rio 2016 und schwerwiegenden Manipulationen aus dem Spiel genommen. Das IOC hat nun zweimal das Boxturnier bei Olympia selber organisiert, doch damit ist jetzt Schluss. Wenn kein Verband gefunden wird, welcher einspringen kann und die Richtlinien erfüllt, wird Boxen aus dem Olympiaprogramm 2028 in Los Angeles geschmissen. Die Delegierten von Swiss Boxing stimmen am 31. August in einer ausserordentlichen Versammlung über den Austritt der IBA ab und gleichzeitig über einen Antrag zur Aufnahme des 2023 gegründeten Verbandes World Boxing. Falls dieser neue Verband die Auflagen vom IOC erfüllt, könnte er zum Boxsport-Retter für Olympia werden.
Amir Orfia (30) wurde 2023 zum neuen Präsidenten von Swiss Boxing gewählt, nachdem es einen Eklat gab, der zum Rücktritt des langjährigen Präsidenten Andreas Anderegg führte. Die Delegierten entscheiden sich für den Verbleib im umstrittenen Verband IBA, dem Korruption nachgewiesen wurde. Darauf warf Anderegg das Handtuch. Der Lausanner Orfia nutzte diese Chance, sprang in die Bresche und wurde gewählt. Orfia war früher selber Boxer, wurde 2013 und 2016 Schweizer Vizemeister und arbeitete später als Projektmanager für die IBA. Die IBA aber wurde vom IOC als Organisator der Olympischen Spiele nach Rio 2016 und schwerwiegenden Manipulationen aus dem Spiel genommen. Das IOC hat nun zweimal das Boxturnier bei Olympia selber organisiert, doch damit ist jetzt Schluss. Wenn kein Verband gefunden wird, welcher einspringen kann und die Richtlinien erfüllt, wird Boxen aus dem Olympiaprogramm 2028 in Los Angeles geschmissen. Die Delegierten von Swiss Boxing stimmen am 31. August in einer ausserordentlichen Versammlung über den Austritt der IBA ab und gleichzeitig über einen Antrag zur Aufnahme des 2023 gegründeten Verbandes World Boxing. Falls dieser neue Verband die Auflagen vom IOC erfüllt, könnte er zum Boxsport-Retter für Olympia werden.
Vor einem Jahr gab es diese Abstimmung schon einmal, sie endete mit dem Verbleib von Swiss Boxing im umstrittenen Verband IBA, was den überraschenden Rücktritt von Präsident Anderegg zur Folge hatte und schliesslich Ihre Wahl zu seinem Nachfolger. Kann man erneut eine solch geladene Action erwarten?
Das weiss ich nicht. Wir stimmen über eine gekoppelte Vorlage ab. Den Austritt aus der IBA und gleichzeitig der Antragsstellung zur Aufnahme bei World Boxing.
Die IBA ist vom Internationalen Olympischen Komitee ausgeschlossen worden. Wer in der IBA bleibt, kann Olympia vergessen. Zu bleiben, kann doch nicht im Ernst eine Option sein.
Ich habe als Boxer selber von den Olympischen Spielen geträumt. Leider habe ich es nicht geschafft. Ich würde niemals wollen, dass Boxer ihren Traum aufgeben müssen. Wir müssen alles tun, dass das nicht passiert.
Dann sind Sie auch für den Austritt aus der IBA?
Das werde ich den Delegierten vor der Wahl verraten. Das Problem ist nicht so einfach. World Boxing braucht viele neue Mitglieder, um vom IOC anerkannt zu werden, damit es das olympische Boxturnier in Los Angeles 2028 organisieren kann. Und WB muss zeitnah fähig sein, grosse Turniere wie WM und EM auf die Beine stellen zu können. Ich denke, das wird ein bis zwei Jahre dauern.
Am 31. August stimmt nicht nur die Schweiz über den Austritt aus der IBA ab, sondern der gesamte asiatische Kontinentalverband. Es könnte zu einem sportpolitischen Erdbeben kommen.
Ja, das stimmt. Viele olympische Verbände in Asien spüren den Druck vom IOC und geben ihn an die nationalen Boxverbände weiter. Ich bin selber gespannt, was passieren wird an diesem Tag.
Welche vernünftigen Gründe gibt es denn, in der IBA zu bleiben?
Noch organisiert die IBA die grossen Turniere, die für uns wichtig sind, wo wir uns mit den Besten messen, unser Niveau steigern können. Allein im Oktober 2024 stehen von der IBA organisiert die Jugend-WM, die WM der Frauen und die U22-EM an. Für mich wäre es optimal, wir könnten diese Turniere noch machen und dann das Kapitel IBA beenden.
Es gibt auch Länder, die eine Doppelmitgliedschaft haben, also bei der IBA geblieben sind und sich neu WB angeschlossen haben. Würde das für die Schweiz auch gehen?
Es gibt tatsächlich mehrere Länder, die doppelspurig fahren. Ich denke nicht, dass das auf Zeit funktionieren kann. Gerade wenn es dann um die Olympischen Spiele geht, würde das IOC bestimmt einen Riegel schieben. Ich denke, Swiss Boxing muss jetzt eine klare Position beziehen. Sonst kratzt das an der Glaubwürdigkeit des Verbands.
Mehr zum heissen Thema
Dann ist die Sache ja klar, die Abstimmung am 31. August nur Formsache.
Nein, Sie vergessen etwas. Wenn wir die IBA verlassen, dann verlieren wir alles, was wir in den letzten Jahren hatten. Wir geben unsere ganze Hoffnung in die Hände von World Boxing. Doch wenn dieser neue Verband nicht das erreicht, was er will, laufen wir Gefahr, dass wir plötzlich gar nichts mehr haben, vor einem Scherbenhaufen stehen und ganz neu starten müssten, irgendwo ganz unten. Es ist ja nicht gesagt, dass WB vom IOC anerkannt wird und ein mächtiger Verband werden kann, wie die Gründer sich das vorstellen. Der Totalverlust ist meine grösste Sorge, und darum sage ich, dass die Situation sehr komplex ist.
Wie glauben Sie, werden die Delegierten entscheiden?
Das ist momentan wirklich schwierig zu prognostizieren. Jeder hat da ja auch seine eigenen Interessen. Für mich ist Transparenz wichtig, dass jeder Delegierte dieselben Informationen hat, die Vor- und Nachteile kennt, die die Entscheidungen mit sich bringen. Jedem muss beispielsweise bewusst sein, dass es in nächster Zeit keine Grossanlässe für uns geben wird, wenn wir austreten aus der IBA. Oder dass wir den olympischen Traum begraben können, wenn wir bei der IBA verbleiben.
Als Sie Präsident von Swiss Boxing wurden, waren Sie Projektleiter bei der IBA – sind Sie heute völlig unabhängig?
Ich habe es vor meiner Wahl den Delegierten gesagt, dass ich meinen Job bei der IBA niederlegen werde, um völlig unabhängig zu sein. Das habe ich auch getan.
Warum sind Sie überhaupt in diesen Verband eingetreten, dem man Korruption nachgewiesen hat?
Ich wollte zuerst nicht, dann hat mich ein langjähriger Freund aus dem Boxklub überzeugt. Er hat gesagt, dass sich der Verband ändern wolle und genau solche Typen wie mich brauchen würde. Schliesslich habe ich es getan, weil ich meine Leidenschaft zu meinem Beruf machen konnte. Aber ich war immer integer und an vorderster Front, wenn es um den Kampf gegen Korruption, um ethische Standpunkte ging. Das ist überprüfbar.
Es gibt Gerüchte, dass Sie den Bettel hinschmeissen werden, falls am 31. August der Austritt aus der IBA beschlossen wird.
Ich weiss, es gibt viele Gerüchte. Aber ich versichere Ihnen, dass ich nicht zurücktreten und den Entscheid akzeptieren werde. Was mich antreibt, ist die Liebe zu diesem Sport. Meine Frau sagt, dass sie es satt habe, dass ich noch im Boxsport bin, weil ich zu viel von meiner Energie und Liebe hergebe. Aber es ist das, was ich tun will, weil das Boxen mir so viel gegeben hat in meinem Leben. Ich bin diesem Sport etwas schuldig.