Zwei Wochen sind vergangen seit dem Verletzungsdrama im Bronze-Spiel der Beachvolley-WM in Rom (It). Der Schock hat sich bei Joana Heidrich nur langsam gelegt. «Die erste Woche war schwierig», gesteht sie, «ich musste einiges verarbeiten. Ich fange erst jetzt an, die Situation zu akzeptieren.»
Bei einem Aufschlag hat sich die Blockspielerin die Schulter ausgerenkt. Ihre schmerzerfüllten Schreie hallen minutenlang durchs Stadion. Die (TV-)Zuschauer sind Augenzeugen. Die unprofessionelle, weil nicht koordinierte Erstversorgung auf dem Spielfeld hat Heidrichs Partnerin Anouk Vergé-Dépré bereits zu Recht kritisiert. Heidrich selbst hat sich noch nicht ausführlich zu den bittersten Momenten und ihren Emotionen geäussert.
Vollnarkose, um Schulter einzurenken
Bis jetzt. «Wie es abgelaufen ist, war wirklich schlimm», sagt sie. «Ich bin kein Weichei, aber zwei-, dreimal wurde mir fast schwarz vor Augen.» Solche extremen Schmerzen hat die 30-Jährige noch nie gehabt. Die Hilflosigkeit der Helfer, die ihr im Sand tatsächlich immer wieder auf die Füsse stehen, verschlimmert die Situation noch. Laut Ärzten müsste eine luxierte Schulter innert zwei, drei Minuten wieder eingerenkt werden. Je länger es dauert, desto schmerzhafter.
Heidrich muss dafür in die Universitätsklinik Rom gebracht werden – und bekommt eine Vollnarkose! «Als ich aus der Narkose aufgewacht bin, dachte ich, es war ein Albtraum.» Doch es ist brutale Realität. Auf einen Schlag wird das erfolgreiche Duo ausgebremst, «alles, wofür wir gearbeitet haben, ist zerplatzt», so Heidrich, «das war schwierig zu akzeptieren».
Die Blockspielerin hadert in den ersten Tagen nach dem Drama. Die Aufzeichnung der Szene hat sie sich – bis heute – noch nicht angeschaut. Sie fragt sich, ob sie hätte merken müssen, dass mit der Schulter etwas passiert. «Ich habe mir alle möglichen Fragen gestellt. Aber ich musste damit aufhören, es bringt nichts. Ich muss jetzt vorwärts schauen und einfach damit klar kommen.»
Freund flechtet ihr die Haare
Momentan noch mit der Ungewissheit. Denn aktuell weiss sie nicht genau, wann und wie es weitergeht. Nach zwei MRI-Untersuchungen trifft sich Heidrich erst Ende dieser Woche mit Spezialisten, die sie über alles informieren werden. «Dann weiss ich hoffentlich, wie der Fahrplan aussieht.» Keinen Plan zu haben, strapaziert die Geduld der Olympia-Dritten.
Heidrich ist praktisch zum Nichtstun verdammt. Ihre Schulter ist ständig mit einer Bandage fixiert. «Ich kann mir nicht mal selber die Haare zusammenbinden.» Nicht nur da hilft Freund und Hockeyspieler Stefan Mäder (31) aus, der mittlerweile schon gelernt hat, ihre Haare zum Zopf zu flechten. Auch die anstehenden Semesterprüfungen muss sie sausen lassen, «weil ich nicht schreiben kann». Sie wird sie zu einem späteren Zeitpunkt nachholen.
Auslassen muss sie ebenfalls das Heimturnier in Gstaad BE (ab Mittwoch). Auch als Zuschauerin. «Das würde mir zu sehr zu schaffen machen, allen meine Lage erklären zu müssen», begründet sie. Für Partnerin Vergé-Dépré tut es ihr extrem leid, «sie ist der Situation ausgeliefert. Dabei wären wir parat gewesen, in Gstaad etwas zu reissen.» Stattdessen muss sich Heidrich darauf fokussieren, nach der Verletzung wieder in den Sand zurückzukehren.