Fast anderthalb Jahre lang gab es keine Zuschauer mehr in den Schweizer Fussballstadien. Corona machte auch vor den Fankurven nicht Halt. Erst mit dem Start der neuen Saison kam es auch zur Rückkehr der Anhänger auf den Rängen.
Zehn Spieltage sorgten die Fans seither wieder für die so ersehnte Stimmung. Bis am vergangenen Samstag. Im Nachgang des Zürcher Derbys sorgten vermummte FCZ-Chaoten für hässliche Szenen im Letzigrund. Damit waren auch die Krawalle mit einem Schlag zurück im Stadion.
Im Umkreis des FC Zürich ist der Frust über die Exzesse des Mobs gross. Einen Faktor des Problems will man in der Südkurve aber bereits erkannt haben. Hinter vorgehaltener Hand heisst es: Seit Corona sei ein klarer Zulauf an vor allem jungen Fans spürbar. Das ist gut für die Stimmung, birgt aber auch Gefahren. «Diese neue Generation kennt die Regeln und eigenen Gesetze der Kurve noch nicht», sagt ein Insider.
Die viel beschworene Selbstregulierung unter den Fans – sie wird hier auf die Probe gestellt.
Corona verstärkte Verlangen nach Aufmerksamkeit
Der Basler Soziologe Ueli Mäder (70) beschäftigt sich seit Jahren mit den Entwicklungen in den Fanszenen. Dass es viele Jugendliche gerade jetzt in die Stadien zieht, verwundert ihn nicht. «Der Gemeinschaftsaspekt in einer Kurve ist gross», sagt Mäder zu Blick. «Hier bekommen Junge, die sonst kaum Beachtung finden, eine grosse Bühne.»
All die Einschränkungen in den letzten Monaten durch die Corona-Massnahmen hätten dieses Verlangen nach Aufmerksamkeit noch verstärkt. Besonders Teenagern fehlten zuletzt die gemeinsamen Treff- und Anknüpfungspunkte. «Die Fussballspiele bieten ihnen jetzt wieder eine Gelegenheit, um aus den zuletzt so engen Mustern auszubrechen.»
Rückschlag für die Fanarbeit
Goutiert werden Aktionen wie jene vom letzten Samstag längst nicht von allen in der Südkurve. Gerade nach Jahren der intensiven und weitgehend erfolgreichen Kooperation mit Jugend- und Fanprojekten sind die Derby-Vorkommnisse ein herber Rückschlag.
Fakt ist aber auch: Es gab für die Chaoten bei ihrer Rückkehr in den Fanblock auch viel Applaus von den Rängen. Es ist diese Anerkennung, die gerade bei Neulingen in der Szene essenziell ist, sagt Ueli Mäder. «Den Drang, sich gegenseitig überbieten zu wollen, gibt es schon lange.»
Nun seien die Mechanismen unter den Gruppierungen gefordert, damit auch Neulinge auf Spur gebracht werden. Allerdings könnte die Liga dem zuvorkommen. In einer Mitteilung vom Donnerstag hat die Swiss Football League harte Konsequenzen in Aussicht gestellt. Im Raum steht gar die Schliessung von Gästesektoren an Spieltagen.