Prostitution in der Schweiz
Briten nennen Zürich «Europas neue Sex-Hauptstadt»

Der Strassenstrich im Kreis 4. Die Sex-Boxen. Das «Gewerbe» in der Schweiz – insbesondere in Zürich – sorgt über die Landesgrenzen hinaus für Schlagzeilen. In Grossbritannien zeigt jetzt eine mehrteilige Reportage die «dunkle Seite» der Eidgenossenschaft.
Publiziert: 06.02.2024 um 19:52 Uhr
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Aktualisiert: 07.02.2024 um 08:50 Uhr
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Prostituierte an der Zürcher Langstrasse.
Foto: Thomas Meier
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Georg NopperRedaktor News

Die Schweiz als Hochburg für käuflichen Sex – und eine Hölle für Prostituierte. Die Zeitung «The Sun» zeichnet ein düsteres Bild. In einer mehrteiligen Reportage nennen die Briten Zürich die «neue Sex-Hauptstadt Europas». Die Prostitution wird als «dunkle Seite» der Schweiz bezeichnet. Das Land werde von «grausamen Banden heimgesucht, die schutzlose Frauen über die Grenzen bringen, sie zwingen, ihre Körper zu verkaufen».

Auch aus Genf berichtet die Zeitung. Die Situation dort wird mit jener in Amsterdam verglichen, wo sich leicht bekleidete Damen in Schaufenstern den Passanten anbieten. Die Sex-Industrie der Schweiz sei mehr wert als die heimische Käseproduktion, behauptet die Autorin und meint: «Willkommen in der liberalen Schweiz, wo Prostitution legal ist und das Bezahlen für Sex so einfach geworden ist wie das Bestellen eines Ubers.»

«Manche waren wie Tiere»

Die britische Reporterin sprach mit einer Ex-Prostituierten, die mithilfe der Organisation Heartwings einen Ausweg fand. «Meine Seele starb jeden Abend erneut auf der Strasse.» Mit «ekelhaften Typen» sei sie aufs Zimmer gegangen. «Manchmal kamen Väter mit ihren Söhnen. Manche waren pervers, manche wie Tiere», erinnert sie sich. Die Gespräche mit den Betroffenen zeigen: Viele sind nicht freiwillig in dem Metier gelandet.

Als Blick vor einem Jahr mit einem Streetworker von Heartwings im Rotlichtmilieu an der Zürcher Langstrasse unterwegs war, war der Tenor unter den Prostituierten ähnlich. Eine Aussteigerin aus Südamerika sagte damals: «Die meisten Frauen wollen mit dem Anschaffen aufhören.» Doch sie hätten die Kraft nicht dafür. Die Frau erklärte auch, wie sie in die Prostitution gerutscht war: Ein Bekannter in ihrer Heimat versprach ihr einen Traumjob als Schauspielerin in Spanien. Dort angekommen, wurde sie in ein Wohnhaus mit Prostituierten gebracht und zur Arbeit in Sexclubs gezwungen. 

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Anschaffen zu Dumpingpreisen

«The Sun» beschreibt einen ähnlichen Fall. Sie habe einen Mann kennengelernt, der Luxusautos gefahren sei und sie zu teuren Abendessen eingeladen habe. «Nach einer Weile sagte er mir, ich solle Männer begleiten, um Geld für unsere gemeinsame Zukunft zu verdienen. Mir war nicht klar, dass es sich dabei um Prostitution handelte. Ich wollte nur mit ihm zusammen sein.» Schliesslich habe sie der Mann in ein Bordell mitgenommen. «Andere Frauen erklärten mir, was ich zu tun hatte. Ich tat es.»

Wie eine Streetworkerin von Heartwings gegenüber der Zeitung erklärt, sind viele Prostituierte gezwungen, 20 Stunden am Tag zu arbeiten – und das zu Dumpingpreisen. «Das bedeutet, dass sie sich täglich mit einer grossen Anzahl von Männern treffen müssen, um ihre Miete zu bezahlen, bevor sie überhaupt Geld für Essen oder für die Heimreise haben.»

Kokain und Speed, um mit dem Alltag fertig zu werden

Oft seien die Frauen gezwungen, Drogen wie Speed und Kokain zu nehmen, um mit den «langen Arbeitszeiten und den Schmerzen der täglichen Arbeit fertig zu werden». Laut Heartwings zahlen die Prostituierten zwischen 500 und 1000 Franken pro Woche, um die schmuddeligen Wohnungen zu mieten, in denen sie von den Menschenhändlern untergebracht werden.

In der Reportage wird auch die Verbannung der legalen Strassenprostitution von der Langstrasse und die Errichtung der Sex-Boxen in Altstetten erwähnt, wo sich Prostituierte registrieren müssen. Das harte Durchgreifen habe den Weg für Banden geebnet, die illegale Geschäftszwecke verfolgten: Alle paar Hundert Meter seien an der Langstrasse «hartgesottene Zuhälter zu sehen, die ihre Mädchen genau im Auge behalten».

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