Prostitutions-Expertin Beatrice Bänninger
Veränderte das Zürcher Puff «Petite Fleur» wirklich etwas?

Das Rotlicht-Etablissement «Petite Fleur» in Zürich-Wollishofen öffnete 1998 und galt als Pionierprojekt. Nun wird die Liegenschaft verkauft, das Laufhaus schliesst. Prostitutions-Expertin Beatrice Bänninger ordnet ein.
Publiziert: 19.09.2023 um 20:17 Uhr
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Aktualisiert: 20.09.2023 um 08:38 Uhr
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Aufnahme eines Zimmers im Bordell «Petite Fleur» in Zürich Wollishofen.
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Karen SchärerTeamlead Gesellschaft

Blick: Milieuanwalt Valentin Landmann bezeichnete das Bordell «Petite Fleur» als Pionierprojekt und sagte bei der Eröffnung 1998, es biete Prostituierten sichere Arbeitsplätze. Veränderte das «Petite Fleur» tatsächlich die Situation für Sexarbeiterinnen?
Beatrice Bänninger: Nicht das «Petite Fleur» veränderte deren Situation, sondern die Rechtslage. Denn mit der Revision des Strafgesetzbuches, die bereits ein paar Jahre vorher, am 1. Oktober 1992, in Kraft trat, durften Räumlichkeiten zur Ausübung von Prostitution legal vermietet werden. Ebenso galt öffentliches Anwerben für sexuelle Dienstleistungen nicht mehr als unsittliches Verhalten und war nicht mehr strafbar.

Nun schliesst das «Petite Fleur» in Zürich-Wollishofen, weil die Liegenschaft verkauft wird. Ist ein solches Etablissement überhaupt noch zeitgemäss?
Das «Petite Fleur» war ein sogenanntes Laufhaus nach deutschem Vorbild, wo Freier ursprünglich fünf Franken bezahlten, um überhaupt eintreten zu können. Im Haus warteten die Sexarbeiterinnen vor ihren Zimmern oder im Barbereich auf Kundschaft. Heute haben moderne Erotikclubs mit einer vergleichbaren Anzahl von Sexarbeiterinnen häufig einen grosszügigen Aufenthaltsbereich, Verpflegungsmöglichkeiten und Wellnessangebote.

Wie arbeiten Prostituierte heute – eher in grossen Salons oder alleine?
Die Gesamtzahl der Bordellbetriebe in der Stadt Zürich ist leicht gesunken in den vergangenen fünf Jahren. Die meisten sind kleine Salons mit ein bis zwei Sexarbeiterinnen. Es gibt aber einen Trend zur Individualisierung, das ist an den Inseraten erkennbar. Frauen bieten in Pop-up-Salons sexuelle Dienstleistungen an, sei dies in möblierten Business-Appartements oder Airbnb-Wohnungen.

Macht die Individualisierung die Arbeit gefährlicher?
Grundsätzlich ist die Sicherheit besser, wo eine soziale Kontrolle stattfindet, sei dies in grösseren Betrieben oder an einer Partymeile.

Das Europaparlament hat sich kürzlich für einheitliche Regeln für Prostitution in den EU-Staaten ausgesprochen; Vorbild ist das nordische Modell, bei dem der Kauf von sexuellen Dienstleistungen verboten ist. Was halten Sie davon?
Wir lehnen das schwedische Modell ab. Ob man die Prostitution verbietet oder das Verhalten der Freier illegalisiert, das ist im Endeffekt vergleichbar: Die Prostitution verschwindet nicht, aber die Situation wird prekärer für die Sexarbeiterinnen. Es gibt mehr Gewalt, sie sind mehr ausgeliefert.

Manche sagen, dass eine liberale Prostitutionsregelung, wie wir sie in der Schweiz haben, illegalem Menschenhandel Vorschub leistet.
Und genau da sollte man auch hinschauen! Man muss der Polizei Ressourcen geben, damit sie organisiertes Verbrechen wie Menschenhandel untersuchen und unterbinden kann. Hingegen sollte man zulassen, dass Prostitution selbstbestimmt und selbständig ausgeführt wird, um den eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten.

Beatrice Bänninger (59) ist Geschäftsführerin von Solidara Zürich, die Isla Victoria betreibt, eine Beratungsstelle für Sexarbeiterinnen.

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