Darum gehts
- 24-jähriger Mann wegen Vergewaltigung und versuchten Mordes vor Gericht
- Opfer (63) überlebte schwere Verletzungen, ist aber mittlerweile verstorben
- Beschuldigter wiegt 105 kg, Opfer wog nur 34 kg
Zusammenfassung
Zur Urteilsverkündung erscheinen auch die Angehörigen von Bettina V.* (63). Im Herbst 2022 wurde die gebrechliche, aber lebensfrohe Seniorin während eines Spaziergangs attackiert, vergewaltigt und fast ermordet. Der Täter Irfan M.* (24) hat gestanden. Nun verkündet das Gericht sein Urteil: Der 24-Jährige muss 18 Jahre hinter Gitter.
«Das unglaubliche Leid, das Sie angerichtet haben, werden Sie nie wieder gut machen können», wendet sich Gerichtspräsident Andreas Oehler an den Täter. Bettina V. ist in der Zwischenzeit verstorben. Hinten im Gerichtssaal schluchzt eine ihrer Angehörigen. Irfan M. starrt indes an sich herunter. Oehler färt fort: «Bettina V. hat sich nie mehr erholt von dem brutalen Angriff. Sie haben ihr Leben wesentlich verkürzt.»
Gericht glaubt M.s Aussagen nicht
Die Staatsanwaltschaft hat für den Täter die Maximalstrafe von 20 Jahren gefordert. Die Verteidigung 9 Jahre. M.s Anwalt hatte argumentiert, sein Mandant sei während der Tat auf Drogen gewesen. Der 24-Jährige selbst beteuerte, sich an nichts erinnern zu können.
Das Gericht glaub dieser Aussagen nicht. Irfan M. habe die Tat in vollem Bewusstsein begangen. Er sei unnötig brutal gewesen. Etwa indem er mit ausufernder Gewalt gegen Kopf und Hals der 34 Kilo schweren Frau vorging und sich dann mehrmals mit seinem vollen Körpergewicht von 105 Kilo auf sie fallen liess. «Sie haben ihr zudem angekündigt, sie zu töten, was von einer besonderen Kaltblütigkeit zeugt», erklärt Oehler.
Die Reduktion der Maximalstrafe auf 18 Jahre begründet der Gerichtspräsident einerseits damit, dass Irfan M. nach seiner Verhaftung mit den Ermittlern kooperierte. Andererseits mit der «schweren psychischen Störung», die ihm der psychiatrische Gutachter attestiert hat.
Richter ermahnt Irfan M.
Zur Sprache kam, ob eine «kleine Verwahrung» nach Artikel 59 infrage käme. Das würde bedeuten, dass sich Irfan M. in eine stationäre psychiatrische Behandlung begeben müsste und erst frei käme, wenn er vollständig therapiert wäre – frühestens nach fünf Jahren. Das Gericht hat sich gegen die Verwahrung und für eine ambulante Therapie entschieden. Oehler dazu: «Es wäre stossend, wenn Sie nach fünf Jahren frei kämen.»
Zum Schluss ermahnt ihn der Gerichtspräsident: «Sie müssen anfangen, sich in der Therapie zu öffnen, von Ihren Gefühlen und Gedanken während der Tat erzählen. Und auch von Ihren Gewaltfantasien. Tun Sie das nicht, kann man Sie nicht wieder freilassen.» Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Irfan M. reglos
Wie schon während des Prozesses am Mittwoch starrt Irfan M. mit gesenktem Kopf an sich herunter, während das Urteil verlesen wird. Zur Verkündung sind auch die Angehörigen des indes verstorbenen Opfers gekommen. An der Verhandlung waren sie und ihre Anwältin nicht vor Ort.
Der Gerichtspräsident beendet die Verkündung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
«Bettina V. hat sich nie mehr ganz erholt»
Irfan M. habe Bettina V. und ihrer Familie «unglaubliches Leid» zugefügt. Mit seiner Tat habe er das Leben der Seniorin verkürzt. Die Schmerzen, die Bettina V. erleiden musste, hätten noch lange angedauert. «Sie hat sich nie mehr davon erholt», sagt der Gerichtspräsident.
Der Familie von Bettina V. spricht das Gericht einer Genugtuung von 30'000 Franken plus Zinsen zu.
Irfan M. bekommt keine Verwahrung
Der Gutachter hatte eine stationäre Massnahme nach Artikel 59 Jahren vorgeschlagen. Das Gericht entscheidet sich für eine ambulante Therapie. Der Gerichtspräsident erklärt: «Bei einer erfolgreichen stationären Therapie könnten Sie, Herr M., bereits nach 5 Jahren freikommen. Das wäre stossend. Daher entscheidet sich das Gericht gegen die Massnahme nach Artikel 59.»
Nicht die Maximalstrafe
Irfan M. wird zugutegehalten, dass er bei seiner ersten Einvernahme kooperativ war. «Ich bin es gewesen», hat er nach seiner Festnahme gesagt. Der Gutachter geht bei M. von einer «schweren psychischen Störung» aus. Diese Faktoren wirkten sich strafmildernd aus. So kam das Gericht auf 18 Jahre Haft.
Kaltblütig und brutal
Das Gericht erkennt ausserdem an, dass der Täter besonders brutal vorgegangen ist. Die ausufernde Gewalt gegen die zerbrechliche Bettina V. wäre gar nicht nötig gewesen, um sie zu töten. Zudem habe M. sich besonders kaltblütig gezeigt, indem er seinem Opfer angekündigt hatte, es zu töten.
M.s Aussagen seien nicht glaubwürdig
Nun folgt die Urteilsbegründung. Mit 18 Jahren Haft spricht das Gericht fast die Maximalstrafe von 20 Jahren aus.
M.s Verteidiger hatte argumentiert, dass die Strafe reduziert werden müsse, weil sein Mandant ein Geständnis abgelegt habe. Der Gerichtspräsident wendet sich an Irfan M.: «Ihre Aussagen, Herr M., stuft das Gericht als nicht besonders glaubwürdig ein.»
Konkret spricht der Gerichtspräsident die Erinnerungslücke an, die der Beschuldigte vor Gericht beteuert hatte. Auch sei es keine spontane Tat auf Drogen gewesen. «Sie haben die Tat geplant, im Voraus Filme von erzwungenem Sex angeschaut. Sie haben den Ort ausgekundschaftet, wie ihre Handydaten zeigen», so der Gerichtspräsident.
Eine Milderung wegen möglichen Drogeneinfluss sei somit hinfällig. Zum Geständnis sagt der Gerichtspräsident: «Die Anklageschrift basiert auf den sehr umfassenden und glaubwürdigen Aussagen von Bettina V. Diese werden von Zeugenaussagen, Handydaten, forensischen Beweisen gestützt. Die Beweislast war hoch – schon vor Ihrem Geständnis, Herr M.»
18 Jahre Haft!
Der Gerichtspräsident eröffnet das Urteil: Irfan M. (24) wird in allen Anklagepunkten schuldig gesprochen. Er wird zu 18 Jahren Haft verurteilt.
Das Gericht anerkennt, dass Irfan M. Bettina V. vergewaltigt hat und sie ermorden wollte. Weiter wird er wegen der Drogendelikte schuldig gesprochen.
Urteilsverkündung um 17 Uhr
Die Richter haben entschieden und werden das Urteil gegen Irfan M. (24) um 17 Uhr verkünden.
Die Staatsanwaltschaft fordert die Maximalstrafe von 20 Jahren wegen versuchten Mordes und Vergewaltigung. Für M. würden keine strafmildernden Umstände gelten: Er sei zum Tatzeitpunkt vollständig schuldfähig gewesen und sei besonders brutal und kaltblütig vorgegangen.
Die Verteidigung fordert 9 Jahre Haft, was die Minimalstrafe von 10 Jahren für versuchten Mord unterschreitet. M.s Anwalt argumentiert, sein Mandant habe während der Tat unter Drogeneinfluss gestanden und sei demnach nur teilweise schuldfähig gewesen. Ausserdem habe er gestanden und mit den Behörden kooperiert, was sich laut dem Verteidiger positiv auf das Strafmass auswirken sollte.
Prozess vorbei – das ist vor Gericht passiert
Vor Gericht legt Irfan M. ein vollumfängliches Geständnis ab. «Alles, was in der Anklageschrift steht, stimmt», sagt er. Auf die Fragen zur Tat geht er jedoch nicht ein – ausser, es geht um seinen Drogenkonsum.
Der Angeklagte gibt an, jedes Wochenende Cannabis und Kokain konsumiert zu haben. Seine Kontoauszüge und Schulden würden dies bestätigen.
High oder nicht high?
Während der Tat sei Irfan M. high gewesen, argumentiert sein Verteidiger. Staatsanwalt Matthias Rikenmann widerspricht: Auf seine Mutter, die ihn am frühen Morgen vor der Tat gesehen habe, habe M. nicht high gewirkt. Bettina V. sagte, es sei ihr nicht so vorgekommen, als wäre der Beschuldigte auf Drogen gewesen.
Ein möglicher Drogeneinfluss zum Tatzeitpunkt ist deshalb wichtig, weil er sich auf das Strafmass auswirken könnte. Und zwar zu Gunsten von Irfan M.
Verteidiger argumentiert zynisch
Zusammengefasst sind sich die Parteien einig, dass M. die Tat begangen hat. Die Staatsanwaltschaft bezeichnet das Vorgehen als besonders brutal und kaltblütig. Die Verteidigung hingegen merkt zynisch an: «Es gibt viel brutalere Morde.»
Über das Tatmotiv lässt sich derweil nur spekulieren. Der psychiatrische Gutachter stellte mehrere Theorien auf: Ob es ihm um die Vergewaltigung oder um die Tötung ging, ist unklar. Ebenso, ob er aus sadistischen Motiven handelte.
«Werde mich mein Leben lang schämen»
Während des ganzen Prozesses sass Irfan M. regungslos da und starrte an sich selbst herunter. Selbst wenn er sprach, hielt er den Kopf gesenkt. Zum Schluss sagte er: «Ich weiss, dass ich mich ein Leben lang dafür schämen muss.»
Der Staatsanwalt fordert die Maximalstrafe von 20 Jahren Haft. Die Verteidigung plädiert auf neun Jahre. Das Urteil wird am morgigen Donnerstag verkündet.
Es ist eine grauenvolle Tat, die dem 24-jährigen Irfan M.* vorgeworfen wird. Der Handwerker aus der Region Winterthur ZH muss sich diesen Mittwoch vor Bezirksgericht verantworten: unter anderem wegen Vergewaltigung und versuchten Mordes. Beim Opfer handelt es sich um die damals 63-jährige Bettina V., die in der Zwischenzeit verstorben ist. Ihre Angehörigen treten als Privatkläger auf.
Passiert ist es im Herbst 2022. Gemäss Anklageschrift geht Bettina V. gegen Mittag auf einen Spaziergang. Sie leidet unter mehrfacher Arthritis, läuft deshalb langsam und mit Walking-Stöcken. Hinter sich habe sie dann erstmals den schwarz gekleideten Irfan M. wahrgenommen, heisst es weiter. Sie habe ihn aus den Augen verloren und sei weiterspaziert.
Laut Staatsanwaltschaft sieht Bettina V. Irfan M. wenig später wieder – diesmal vor sich. Er soll sie angesprochen und ihr sogleich den Mund und die Nase zugehalten haben. Dann soll er sie hochgehoben, auf den Acker neben dem Weg geworfen haben. Anschliessend habe er sie tiefer ins Feld gezogen, damit die Lenker vorbeifahrender Autos nichts mitbekommen würden.
70 Kilogramm Gewichtsunterschied
Dort im Feld habe er Bettina V. vergewaltigt, heisst es in der Anklageschrift. Dabei sei der Schweizer derart brutal vorgegangen, dass die Frau lebensgefährlich verletzt wurde. Mit seinen 105 Kilogramm Körpergewicht sei Irfan M. seinem Opfer Bettina V., sie hatte laut Anklage nur etwa 34 Kilogramm Gewicht, massivst überlegen gewesen.
Er müsse sie nun töten, weil sie ihn erkennen und verraten könnte, soll der Beschuldigte dann gesagt haben. Mehrfach habe er sich mit vollem Körpergewicht auf die schwerverletzte Frau geworfen und gesagt, sie solle endlich aufgeben. Bettina V. habe schliesslich das Bewusstsein verloren.
Irfan M. lässt sie laut Anklage im Feld liegen, denkt, sie sei tödlich verletzt. Er sei zurück zu seinem Auto gelaufen und davongefahren.
Opfer mittlerweile verstorben
Mit letzter Kraft habe Bettina V. es geschafft, aus dem Feld hinaus zu robben und auf sich aufmerksam zu machen. Überlebt habe sie nur durch grosses Glück und dank der schnellen Betreuung der Rettungskräfte, schreibt die Staatsanwaltschaft. Die Ermittler gehen von einem Mordversuch aus, da Irfan M. besonders kaltblütig vorgegangen sein soll.
In den Gerichtsakten steht, dass Bettina V. inzwischen verstorben ist. Nicht ersichtlich ist, ob der Vorfall vom Herbst 2022 mit ihrem Tod zusammenhängen könnte. Die Anwältin ihrer Angehörigen will sich nicht äussern.
Die Öffentlichkeit ist vom Prozess gegen Irfan M. ausgeschlossen. Das Bezirksgericht Winterthur lässt nur akkreditierte Journalisten teilnehmen – unter strengsten Auflagen: so dürfen die Medien etwa keinerlei Angaben zum Tatort und zu den Beteiligten machen. Unüblich: Das Gericht stellt auch den Beschuldigten Irfan M. unter besonderen Schutz.
Gesagt werden kann, dass Irfan M. seit seiner Verhaftung in den Wochen nach dem Vorfall hinter Gittern sitzt. Laut Anklageschrift in vorzeitigem Strafvollzug – der normalerweise zum Tragen kommt, wenn ein Täter geständig ist oder wenn mit einer längeren Haftstrafe zu rechnen ist.
War Irfan M. high?
Neben Mordversuchs und Vergewaltigung werden ihm mehrere Drogendelikte vorgeworfen. So hat er gemäss Anklage mehrmals Kokain und Cannabis konsumiert – auch an diesem Wochenende im Oktober, als er Bettina V. attackiert haben soll.
Im Sommer 2022 soll er auf Kokain mit seinem BMW einen Unfall gebaut haben. Der Beschuldigte habe einem Fussgänger ausweichen wollen und sei dabei in eine Verkehrsinsel gedonnert. Sein beschädigtes Auto habe er dann auf einem öffentlichen Parkplatz einen halben Kilometer weiter abgestellt – in der Hoffnung, einer Blutprobe zu entkommen, schreibt die Staatsanwaltschaft.
Gegenüber Blick verzichtet Irfan M.s Verteidiger auf eine Stellungnahme zu den Vorwürfen. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Der Prozess beginnt am Mittwochmorgen um 8.15 Uhr. Blick wird aus dem Gerichtssaal live tickern.
* Namen geändert