Auf einen Blick
- 24-jähriger Mann wegen Vergewaltigung und versuchten Mordes vor Gericht
- Opfer (63) überlebte schwere Verletzungen, ist aber mittlerweile verstorben
- Beschuldigter wiegt 105 kg, Opfer wog nur 34 kg
Prozess vorbei – das ist vor Gericht passiert
Vor Gericht legt Irfan M. ein vollumfängliches Geständnis ab. «Alles, was in der Anklageschrift steht, stimmt», sagt er. Auf die Fragen zur Tat geht er jedoch nicht ein – ausser, es geht um seinen Drogenkonsum.
Der Angeklagte gibt an, jedes Wochenende Cannabis und Kokain konsumiert zu haben. Seine Kontoauszüge und Schulden würden dies bestätigen.
High oder nicht high?
Während der Tat sei Irfan M. high gewesen, argumentiert sein Verteidiger. Staatsanwalt Matthias Rikenmann widerspricht: Auf seine Mutter, die ihn am frühen Morgen vor der Tat gesehen habe, habe M. nicht high gewirkt. Bettina V. sagte, es sei ihr nicht so vorgekommen, als wäre der Beschuldigte auf Drogen gewesen.
Ein möglicher Drogeneinfluss zum Tatzeitpunkt ist deshalb wichtig, weil er sich auf das Strafmass auswirken könnte. Und zwar zu Gunsten von Irfan M.
Verteidiger argumentiert zynisch
Zusammengefasst sind sich die Parteien einig, dass M. die Tat begangen hat. Die Staatsanwaltschaft bezeichnet das Vorgehen als besonders brutal und kaltblütig. Die Verteidigung hingegen merkt zynisch an: «Es gibt viel brutalere Morde.»
Über das Tatmotiv lässt sich derweil nur spekulieren. Der psychiatrische Gutachter stellte mehrere Theorien auf: Ob es ihm um die Vergewaltigung oder um die Tötung ging, ist unklar. Ebenso, ob er aus sadistischen Motiven handelte.
«Werde mich mein Leben lang schämen»
Während des ganzen Prozesses sass Irfan M. regungslos da und starrte an sich selbst herunter. Selbst wenn er sprach, hielt er den Kopf gesenkt. Zum Schluss sagte er: «Ich weiss, dass ich mich ein Leben lang dafür schämen muss.»
Der Staatsanwalt fordert die Maximalstrafe von 20 Jahren Haft. Die Verteidigung plädiert auf neun Jahre. Das Urteil wird am morgigen Donnerstag verkündet.
Verhandlung vorbei – Urteil wird morgen verkündet
Zwei Tage wären für den Prozess gegen Irfan M. vorgesehen gewesen. Nun ist die Verhandlung bereits vorüber. Die Urteilsverkündung, für Freitag nächste Woche vorgesehen war, wird nun vorgezogen. Es soll bereits morgen Donnerstag um 17 Uhr verkündet werden.
Irfan M.: «Werde mich mein Leben lang schämen»
Zum Schluss gibt der Gerichtspräsident dem Angeklagten das Wort. Mit leiser Stimme sagt Irfan M.: «Ich weiss, ich werde mich mein Leben lang dafür schämen müssen. Deshalb arbeite ich auch so hart, mich zu verändern. Bei der Familie von Bettina V. will ich mich entschuldigen für das Leid, das ich verursacht habe»
Verteidiger will Mindeststrafe unterschreiten
Das Gesetz sieht für versuchten Mord eine Haftstrafe von mindestens zehn Jahren vor. Mit seiner Forderung von neun Jahren unterschreitet Mäder das Mindeststrafmass. Er begründet das folgendermassen:
- Wegen seines Kokainkonsums sei Irfan M. zum Tatzeitpunkt nicht vollständig schuldfähig gewesen.
- Die Tat sei weder geplant noch kaltblütig gewesen. Viel mehr sei sie als Resultat des Chaos in M.s Kopf zu werten.
- Irfan M. bereue seine Tat und wisse, dass sie unentschuldbar sei.
- Nach seiner Verhaftung habe der Beschuldigte mit den Behörden kooperiert und ein Geständnis abgelegt.
- Sein Mandant öffne sich in der Psychotherapie und wolle sich verändern.
«Er verdient die Chance, in Zukunft wieder Teil der Gesellschaft zu sein, wenn er sich bessert», sagt Stefan Mäder abschliessend: «Ich bitte Sie, ihm diese Chance zu geben.»
M.s Kokainkonsum als zentrales Argument
Nun geht es um den Kokainkonsum des Angeklagten. Seine Kontodaten und Schulden würden seine Sucht beweisen, sagt der Verteidiger. «In der Nacht vor der Tat fand er keinen Schlaf und betätigte ständig sein Handy. Das deutet darauf hin, dass er Kokain konsumiert hatte.» Sein Konsum und die Tat hingen demnach klar zusammen.
«Habe riesigen Scheiss gebaut»
Sein Mandant habe mit den Ermittlern kooperiert: er habe seinen Handy-Pin herausgegeben und die Tat gestanden, so Mäder.
Zu seiner Tat soll Irfan M. gesagt haben: «Ich habe die Akten gelesen und gemerkt, was für einen riesigen Scheiss ich gebaut, war für ein Leid ich zugefügt habe. Was ich getan habe, ist nicht zu entschuldigen. Ich wünschte, ich könnte es rückgängig machen.»
Die Kooperationsbereitschaft und Reue sollen die Haftstrafe um ein Drittel reduzieren, argumentiert der Verteidiger.
«Gibt brutalere Morde»
Es gebe sehr viel brutalere Morde, betont Stefan Mäder. Irfan M. habe keine Waffe eingesetzt, er habe sich «nur» auf Bettina V.s Körper, nicht auf ihren Kopf fallen lassen.
Zum Tatzeitpunkt sei der Beschuldigte wegen seines Drogenkonsums nur teilweise schuldfähig gewesen. Ausserdem hätte die Vergewaltigung sehr kurz gedauert.
Entsprechend müsse das Strafmass reduziert werden, so der Verteidiger.
Irfan M. sei «orientierungslos» gewesen
Stefan Mäder beschreibt Irfan M. (23) als «orientierungslos». Nach der Tat habe in seinem Kopf Chaos geherrscht. «Plötzlich hat es Klick gemacht und ihm wurde bewusst, was er getan hat», sagt der Verteidiger.
Sein Mandant habe bereits nach der Verhaftung ein erstes Geständnis abgelegt. «Ich bin es gewesen, einfach, dass das schonmal geklärt ist», soll er gesagt haben.
Nun spricht Irfan M.s Verteidiger
Der Staatsanwalt beendet sein Plädoyer. Verteidiger Stefan Mäder ergreift das Wort. Er beantragt, sein Mandant sei schuldig zu sprechen. Zu einer Haftstrafe von neun Jahren.
Reue erst nach «gewisser Zeit»
Laut Staatsanwalt habe der Beschuldigte erst nach einer gewissen Zeit Ansätze von Reue gezeigt. «Erst, als die Ermittlung fortgeschritten und die Beweislast erdrückend war, rang er sich zu einem Teilgeständnis durch», sagt Rickenmann. Das vollumfängliche Geständnis heute dürfe die Strafe entsprechend nicht mindern.
Es ist eine grauenvolle Tat, die dem 24-jährigen Irfan M.* vorgeworfen wird. Der Handwerker aus der Region Winterthur ZH muss sich diesen Mittwoch vor Bezirksgericht verantworten: unter anderem wegen Vergewaltigung und versuchten Mordes. Beim Opfer handelt es sich um die damals 63-jährige Bettina V., die in der Zwischenzeit verstorben ist. Ihre Angehörigen treten als Privatkläger auf.
Passiert ist es im Herbst 2022. Gemäss Anklageschrift geht Bettina V. gegen Mittag auf einen Spaziergang. Sie leidet unter mehrfacher Arthritis, läuft deshalb langsam und mit Walking-Stöcken. Hinter sich habe sie dann erstmals den schwarz gekleideten Irfan M. wahrgenommen, heisst es weiter. Sie habe ihn aus den Augen verloren und sei weiterspaziert.
Laut Staatsanwaltschaft sieht Bettina V. Irfan M. wenig später wieder – diesmal vor sich. Er soll sie angesprochen und ihr sogleich den Mund und die Nase zugehalten haben. Dann soll er sie hochgehoben, auf den Acker neben dem Weg geworfen haben. Anschliessend habe er sie tiefer ins Feld gezogen, damit die Lenker vorbeifahrender Autos nichts mitbekommen würden.
70 Kilogramm Gewichtsunterschied
Dort im Feld habe er Bettina V. vergewaltigt, heisst es in der Anklageschrift. Dabei sei der Schweizer derart brutal vorgegangen, dass die Frau lebensgefährlich verletzt wurde. Mit seinen 105 Kilogramm Körpergewicht sei Irfan M. seinem Opfer Bettina V., sie hatte laut Anklage nur etwa 34 Kilogramm Gewicht, massivst überlegen gewesen.
Er müsse sie nun töten, weil sie ihn erkennen und verraten könnte, soll der Beschuldigte dann gesagt haben. Mehrfach habe er sich mit vollem Körpergewicht auf die schwerverletzte Frau geworfen und gesagt, sie solle endlich aufgeben. Bettina V. habe schliesslich das Bewusstsein verloren.
Irfan M. lässt sie laut Anklage im Feld liegen, denkt, sie sei tödlich verletzt. Er sei zurück zu seinem Auto gelaufen und davongefahren.
Opfer mittlerweile verstorben
Mit letzter Kraft habe Bettina V. es geschafft, aus dem Feld hinaus zu robben und auf sich aufmerksam zu machen. Überlebt habe sie nur durch grosses Glück und dank der schnellen Betreuung der Rettungskräfte, schreibt die Staatsanwaltschaft. Die Ermittler gehen von einem Mordversuch aus, da Irfan M. besonders kaltblütig vorgegangen sein soll.
In den Gerichtsakten steht, dass Bettina V. inzwischen verstorben ist. Nicht ersichtlich ist, ob der Vorfall vom Herbst 2022 mit ihrem Tod zusammenhängen könnte. Die Anwältin ihrer Angehörigen will sich nicht äussern.
Die Öffentlichkeit ist vom Prozess gegen Irfan M. ausgeschlossen. Das Bezirksgericht Winterthur lässt nur akkreditierte Journalisten teilnehmen – unter strengsten Auflagen: so dürfen die Medien etwa keinerlei Angaben zum Tatort und zu den Beteiligten machen. Unüblich: Das Gericht stellt auch den Beschuldigten Irfan M. unter besonderen Schutz.
Gesagt werden kann, dass Irfan M. seit seiner Verhaftung in den Wochen nach dem Vorfall hinter Gittern sitzt. Laut Anklageschrift in vorzeitigem Strafvollzug – der normalerweise zum Tragen kommt, wenn ein Täter geständig ist oder wenn mit einer längeren Haftstrafe zu rechnen ist.
War Irfan M. high?
Neben Mordversuchs und Vergewaltigung werden ihm mehrere Drogendelikte vorgeworfen. So hat er gemäss Anklage mehrmals Kokain und Cannabis konsumiert – auch an diesem Wochenende im Oktober, als er Bettina V. attackiert haben soll.
Im Sommer 2022 soll er auf Kokain mit seinem BMW einen Unfall gebaut haben. Der Beschuldigte habe einem Fussgänger ausweichen wollen und sei dabei in eine Verkehrsinsel gedonnert. Sein beschädigtes Auto habe er dann auf einem öffentlichen Parkplatz einen halben Kilometer weiter abgestellt – in der Hoffnung, einer Blutprobe zu entkommen, schreibt die Staatsanwaltschaft.
Gegenüber Blick verzichtet Irfan M.s Verteidiger auf eine Stellungnahme zu den Vorwürfen. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Der Prozess beginnt am Mittwochmorgen um 8.15 Uhr. Blick wird aus dem Gerichtssaal live tickern.
* Namen geändert