Auf einen Blick
- Rockerkrieg: Berufungsverhandlung in Bern steht bevor. Polizei plant Grossaufgebot
- Gewalttätige Auseinandersetzung zwischen Motorrad-Clubs führte zu Verletzten und Schuldsprüchen
- Acht der verurteilten Rocker, die Schuldsprüche weiterzogen, stehen nun vor dem Berner Obergericht
Wieder die Erinnerungslücken
Zum Motorradclub macht er keine Angaben. Er sagt weder, ob er noch Mitglied ist, noch äussert er sich zu den Vorfällen im Mai 2019. Er sagt, er kann sich nicht erinnern. Er weiss nur noch von der Geburtstagsparty. Der Elektriker weiss auch nicht mehr, ob er an dem 11. Mai eine Jacke mit Logo getragen hatte. Während der Auseinandersetzung sei er auf der Toilette gewesen. Auf den Vorwurf der Oberrichterin, dass er vor dem Haus gesehen worden sei, will er nichts sagen.
Nächste Befragung beginnt pünktlich
Der nächste Befragte sieht mit seinem weissen Bart und Glatze aus , wie man sich ein Mitglied eines Motorradclubs vorstellt. Er trägt keine Lederjacke, aber man sich trotzdem gut vorstellen, wie er auf einer Harley dahertuckert. Auch er will sich an dem Raufhandel, für den er verurteilt worden ist, nicht beteiligt haben. Wie auch die anderen Beschuldigten ist auch er vorbestraft. In Deutschland für Gewalt, Körperverletzung, Drogenhandel, in der Schweiz für die Fälschung von Ausweisen.
Angriffsalarmierung per Whatsapp
Die Gerichtspräsidentin wirft dem Beschuldigten vor, er sei mit einem Messer bewaffnet gewesen. Er habe sich an der gewaltsamen Auseinandersetzung beteiligt. Und er sei bei der Whatsapp-Gruppe dabei gewesen, die zur Angriffsabwehrung aufrief. «Das ist eine Behauptung. Ich hatte ein Messer dabei, weil wir grilliert haben», sagt er. Und weiter: «An der Auseinandersetzung habe ich mich nicht beteiligt.»
Wunsch: Eine normale Zukunft
Der Beschuldigte sagt, dass er sich eine normale Zukunft wünscht. Zu seinen Vorstrafen im Bereich Drogen und Strassenverkehr sagt er nur, dass er jung und unvernünftig gewesen sei. Aktuell gibt es keine Anzeigen, sagt er. Zur Gewalt im Mai 2019 will er keine Angaben machen. Auch die Fragen zum aktuellen Clubgeschehen beantwortet er nicht. Als Begründung sagt er: «Ich sage lieber nichts, als etwas Falsches.» Während der Schlägerei sei er am Essen im Gebäude gewesen. Von der Auseinandersetzung draussen habe er nichts mitbekommen.
Prozess geht weiter
Nach der Mittagspause geht die Befragung des nächsten Beschuldigten weiter. Auch er erscheint in sportlicher Kleidung und einem schwarzen Hoodie. Er ist bereit, Aussagen zu machen, sagt er. Er begründet den Weiterzug des Urteils mit seiner Unschuld. «Ich habe nichts gemacht», sagt er. Er ist in erster Instanz des Raufhandels schuldig gesprochen worden.
Einzug der Polizei
Einzug der Kantonspolizisten nach dem Mittagessen. Sie sind verantwortlich für die Sicherheit im Gebäude. Dazu kommen noch Polizisten in Zivilkleidung und mit Sturmmasken.
Mittagspause
Weil die nächsten beiden Befragungen durch die Abtrennung des einen Verfahrens und eine Dispensation ausfallen, findet die nächste Befragung erst um 13.30 Uhr statt.
Kein Bandido mehr
Die Richterin hält fest, dass der Beschuldigte bei den Bandidos ausgetreten ist. Er habe weiter Kontakt zu einzelnen Mitgliedern. Zu den Vorfällen im Mai 2019 wolle und könne er nichts sagen. Auch warum er kein Mitglied mehr ist, will er nicht sagen. Dass die anderen Mitglieder an dem Tag angereist waren, das sei nur für sein Geburtstagsfest gewesen. Zu Einzelheiten, die durch die Ermittlungen ans Tageslicht kamen, will er nichts sagen. Er könne sich nur noch an seine Geburtstagsparty erinnern. Er möchte noch erwähnen, dass er die Verfahrenskosten zurückbezahlt habe. Er gibt zwar zu, dass er an dem Tag anwesend gewesen sei, er habe aber niemandem einen Schaden zugefügt, weder physisch noch psychisch. Als letztes Wort sagt er: «Ich werde bei Urteil anwesend sein. Es erstaunt mich, dass man mich ohne Beweise verurteilen konnte. Ich bin seit dem Vorfall nie straffällig geworden.» Vom restlichen Verfahren ist er dispensiert.
Zweiter Bandido erscheint im Blazer
Die Befragung des ersten Beschuldigten beginnt, der Berufung eingelegt hat. Der elegant gekleidete Bandido sagt gleich am Anfang, dass er zur Schlägerei keine Aussagen machen wird. Es gehe ihm gut und er sei einvernahmefähig. Er hat den Vorwurf des Raufhandels akzeptiert, erklärt die Oberrichterin. Er sagt dazu: «Der Anwalt hat mir gesagt, dass bereits die Anwesenheit bei einer Schlägerei genügt, um verurteilt zu werden. Darum akzeptiere ich das.» Die Strafe sei ihm aber zu hoch. Darum habe er das Urteil weitergezogen.
Amnesie total
Der verurteilte Bandido hat ist nur als Zeuge vorgeladen, er will sich an gar nichts erinnern. Die Gerichtspräsidentin wirkt genervt. Sie liest ihm seine eigenen Aussagen vor. Auch zu denen will er nichts sagen. Er wird in Handschellen wieder abgeführt.
Der Gerichtsprozess im Jahr 2022 sorgte für Aufsehen. Nach einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen den Rockern der Motorrad-Clubs (MC) «Hells Angels», «Broncos» und «Bandidos» im Jahr 2019 mit mehreren Verletzten, trafen 22 Beschuldigte rund drei Jahre später am Regionalgericht Bern-Mittelland zum Gerichtsprozess wieder aufeinander.
Die Polizei war bei der damaligen Gerichtsverhandlung mit einem Grossaufgebot vor Ort. Und das nicht ohne Grund, wie sich zeigen sollte. Vor dem Gerichtsgebäude kam es zu Scharmützeln zwischen Mitgliedern der verfeindeten MCs, die nach Bern angereist waren. Die Polizei musste Gummischrot, Wasserwerfer und Tränengas einsetzen, um die Gruppen zu trennen. Der Prozess selbst endete mit zahlreichen Schuldsprüchen. Den Hauptangeklagten verurteilte das Gericht wegen versuchter vorsätzlicher Tötung.
Ähnliche Tumulte wie damals 2022 könnten der Bundesstadt kommende Woche wieder bevorstehen. Denn: Ab Montag startet vor dem Berner Obergericht der Prozess gegen acht der verurteilten Rocker, die in Berufung gingen. Und wieder wird der Prozess im Amtshaus abgehalten. Dies aus Platzgründen.
YB spielt auch noch
Laut der Berner Zeitung soll die Polizei auch diesmal mit einem Grossaufgebot für Ruhe sorgen, obwohl die Ordnungshüter nicht von einem derart grossen Besucheraufkommen wie beim letzten Prozess ausgehen würden. Das Gebiet um das Amtshaus würde allerdings gesichert und es werde zu Verkehrsbehinderungen kommen. Da in der Prozesswoche auch noch die Berner Young Boys ein Heimspiel in der Champions League abhalten (Mittwoch, 21 Uhr), hat der Kommandant der Kantonspolizei Bern entschieden, dass von Montag bis Freitag der Grossteil der Polizeiwachen im ganzen Kanton geschlossen bleibt. «Ausschliesslich die Wachen Bern-Waisenhaus, Biel,
Moutier, Interlaken und Thun werden geöffnet bleiben», heisst es in einer Mitteilung. «Diese Massnahme hat zum Ziel, genügend Personal für die Einsätze stellen zu können und zugleich kantonsweit jederzeit die Grundversorgung sicherzustellen.»
Fehde eskaliert 2019
Rückblick: In Berner Vorort Belp kommt es 2019 im Zuge von Revierkämpfen unter Rockern zu einem gewaltsamen Aufeinandertreffen zwischen drei MCs, bei dem auch Schüsse fallen. Auf der einen Seite die Hells Angels mit Unterstützung der befreundeten Broncos, auf der anderen Seite die Bandidos. Mehrere Personen werden verletzt, drei davon schwer. Die verfeindeten MCs gehen aufeinander los, weil die Bandidos ihr erstes Clublokal hierzulande im Berner Vorort Belp eröffnen wollen und zuvor Mitglieder bereits an einer Motorradausstellung im Kanton Freiburg mit dem Bandidos-Logo auftraten. Eine klare Provokation für die in der Schweiz etablierten Hells Angels, die die Bandidos hierzulande nicht dulden wollen.
Laut damaliger Anklageschrift planen die Hells Angels 2019 lediglich einen Einschüchterungsversuch. Doch die Situation eskaliert komplett. Es kommt zu einem wüsten Aufeinandertreffen mit verschiedenen Schuss- und Schlagwaffen. Die Polizei hielt im Anschluss 34 Personen an und stellt unter anderem mehrere Schusswaffen sicher, unter anderem ein Sturmgewehr, Pistolen und eine Pump Action, eine Art Schrotflinte.
Unruhen vor dem Gerichtsgebäude
Drei Jahre nach dem Vorfall, 2022, kommt es in Bern zum Prozess. Schon zum Prozessauftakt eskaliert die Situation zwischen den rivalisierenden Gruppen ein weiteres Mal, und zwar direkt vor dem Gerichtsgebäude. Nach ersten Provokationen zwischen Bandidos und Hells Angels fliegen die Fetzen – und bald auch Steine durch die Luft. Die Polizei muss intervenieren, um die Rocker auseinanderzuhalten.
Nach etlichen Verhandlungstagen im Rockerprozess fällte das Gericht das Urteil: Von den 22 Angeklagten werden 17 verurteilt. Der Hauptbeschuldigte kassiert eine Freiheitsstrafe von acht Jahren. Im Berufungsprozess, der am Montag startet, ist er aber keiner der acht vorgeladenen Beschwerdeführer.
Die Verhandlung ist auf vier Tage angesetzt, die Urteile sollen am 13. Februar verkündet werden. Blick ist vor Ort und tickert live aus dem Gerichtssaal.