Die Winterzeit wird für Schweizer Kinderspitäler zur Belastungsprobe. Wenn die Kliniken von kleinen, mit Viren infizierten Patientinnen und Patienten überrannt werden, während die ohnehin knappe Personaldecke wegen Ausfällen durch Krankheit noch dünner wird, kommen sie nicht um unliebsame Massnahmen herum: Sie sehen sich gezwungen, vorübergehend weniger Betten anzubieten, Operationen zu verschieben und kranke Kinder zu verlegen – von Zürich nach Bern oder von Lugano TI nach Zürich.
Besonders von Engpässen betroffen ist das Kinderspital Zürich. Ständig muss umdisponiert werden: «Die Bettenkapazität ändert sich täglich», sagt Sprecher Bojan Josifovic. Man bemühe sich, Überweisungen in andere Spitäler und kurzfristige Absagen von planbaren Eingriffen so gering wie möglich zu halten.
Krise im Gesundheitswesen
«Wir erwarten, dass sich die Spitzenbelastung mit dem Ende der Infektionssaison deutlich reduzieren wird», hält Josifovic fest. Vor allem Spitäler in Ballungszentren sind stark von Engpässen betroffen. Und spezialisierte Sparten wie die Kindermedizin leiden besonders unter dem Ärztemangel.
Der Pflegenotstand sei aber nicht allein durch die Jahreszeit bedingt, sondern strukturell, sagt Malte Frenzel von der Allianz Kinderspitäler der Schweiz. Die Versorgung kritisch erkrankter Kinder sei zwar stets sichergestellt, für Patientinnen und Patienten mit weniger gravierenden gesundheitlichen Problemen jedoch könne es auf den Notfallstationen zu Wartezeiten kommen. Frenzel kann verstehen, «dass Eltern Stress haben, wenn ihr krankes Kind warten oder verlegt werden muss».
Pflegepools zur Bewältigung von Engpässen
Sobald ihre Kapazitäten nicht mehr ausreichen, kommen Kinderspitäler nicht um Verlegungen herum, betont Frenzel: «Nur so können sie eine kontinuierliche und effektive Behandlung aller Patienten sicherstellen.»
Um Engpässe zu bewältigen, versuchen manche Spitäler, sogenannte Pflegepools zu bilden, also mit Springern zu arbeiten. So können Angestellte auch in kleinen Pensen oder für temporäre Einsätze tätig sein. Zudem werden sie für die kurzfristige Übernahme von Schichten mit Zulagen entschädigt.
Attraktivere Arbeitsmodelle sind nötig
Um Notfallübungen zu vermeiden, will die Allianz Kinderspitäler, so Frenzel, attraktivere Arbeitsmodelle schaffen. Die Kinder- und Jugendmedizin habe einen guten Ruf. Das helfe, für eine Tätigkeit in diesem Bereich zu werben.
Bilder von Kindern, die sich wegen Platzmangel in Spitalfluren aufhalten müssen, empören die Öffentlichkeit. «Eine eingespielte Zusammenarbeit der Kinderspitäler» müsse solche Zustände verhindern, sagt Frenzel. Er zählt aber auch darauf, dass eine neue, vom Parlament beschlossene Tarifgestaltung die Kinder- und Jugendmedizin kostendeckend finanzieren und damit bessere Rahmenbedingungen schaffen wird.
Mehr Andrang im Spital wegen fehlender Hausärzte
Ronald Alder vom Verband Zürcher Krankenhäuser sagt, auch die schwindende Zahl der Hausarztpraxen führe zu grösserem Andrang in den Spitälern. Die Lage werde sich wohl weiter zuspitzen, nicht nur in den Kinderspitälern.
Prognosen zufolge werden 2030 schweizweit 2000 Ärztinnen und Ärzte sowie 30 000 Pflegefachleute fehlen. Bundesrat und eidgenössische Räte hätten den Mangel an Ärzten noch gar nicht realisiert, kritisiert Alder: Die Politik beschränke deren Ausbildung widersinnig mit einem Numerus clausus und senke die Attraktivität des Berufs – «im Wissen, dass schon heute drei Viertel der Mediziner, die in der Schweiz zu arbeiten beginnen, ihren Abschluss im Ausland erlangt haben».