Kinderärzte-Mangel hat dramatische Auswirkungen
«Es kommt leider auch zu Drohungen von Eltern»

Allein im Kanton Zürich fehlen 100 Vollzeit arbeitende Kinderärztinnen und Kinderärzte. Das führt teilweise zu schwierigen Situationen in den Praxen.
Publiziert: 22.01.2024 um 18:03 Uhr
Werden überrannt mit Patientenanfragen: Kinderärztinnen und Kinderärzte in der Schweiz. (Symbolbild)
Foto: Getty Images

In der Schweiz finden Tausende Familien keinen Kinderarzt. Allein im Kanton Zürich fehlen in den Kinderarztpraxen 100 Vollzeit arbeitende Kinderärztinnen und Kinderärzte. Das erklärt Corina Wilhelm, Präsidentin der Vereinigung Zürcher Kinder- und Jugendärzte (VZK), gegenüber der «Zürichsee-Zeitung».

Wilhelm betreibt zusammen mit drei Kolleginnen die Kinderarztpraxis Nautilus in Thalwil ZH. Die Kinderarztpraxen in der Region werden laut Wilhelm förmlich überrannt mit Patientenanfragen. Auch bei Nautilus sei das der Fall. «Wir mussten schon mehrfach einen Aufnahmestopp für schulpflichtige Kinder verfügen, um wenigstens Neugeborene und Kleinkinder angemessen betreuen zu können», sagt Wilhelm. Das sei ein «extrem unbefriedigender Zustand».

Polizei musste kommen

Einige Praxen nehmen aufgrund des Ärztemangels nur noch Kinder und Jugendliche aus dem gleichen Ort auf. Andere haben gar keine Kapazität mehr für neue Patienten. Bei den Eltern führt das mitunter zu Verzweiflung. Das Nautilus-Team erhalte ganze Bewerbungsschreiben inklusive Fotos der Kinder, erzählt Wilhelm. «Leider kommt es auch zu Drohungen von Eltern, deren Kinder nicht aufgenommen werden konnten.» Einmal habe man sogar die Polizei rufen müssen.

Eine andere Kinderärztin aus der Region, die nicht namentlich genannt werden will, berichtet von ähnlichen Zuständen: «Wir müssen täglich Patienten abweisen», sagt sie. «Die Situation ist dramatisch.» Ihre Praxis könne aus Kapazitätsgründen seit langem nur noch Neugeborene aufnehmen, deren Eltern in der Gemeinde wohnten. «Die Situation ist dramatisch.»

Bevölkerungszunahme, Zeugnisse und psychische Probleme

Als Gründe für den krassen Mangel an Kinderärztinnen und Kinderärzten gibt Wilhelm einerseits die Zunahme der Gesamtbevölkerung im Kanton Zürich an. Zudem würden viele Eltern heute schneller mit ihren Kindern zum Arzt gehen, weil etwa Kitas oder Arbeitgeber vermehrt ärztliche Zeugnisse verlangten.

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Seit der Corona-Pandemie sei auch eine Zunahme von psychischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen festzustellen. Hinzu kommen laut Wilhelm auch finanzielle Aspekte wie die geringeren Verdienstmöglichkeiten in Kinderarztpraxen im Vergleich zu anderen Gesundheitseinrichtungen oder der Abrechnungstarif Tarmed, mit dem sich viele Untersuchungen nicht mehr kostendeckend abwickeln liessen. (noo)

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