Eine Frau mit Ostschweizer Dialekt schlägt in einem Video Alarm: Sie kenne jemanden, der jemanden kenne ... «Ich bin in einer Gruppe in Wittenbach. Eine dieser Gruppe, die ich als seriös einschätze, rief mich heute Morgen an und sagte mir, ihre Freundin habe bei der Post gekündigt», beginnt die Dame.
Der Grund für die Kündigung sei gewesen, dass die Angestellten «irgendwie» hätten Abstimmungscouverts scannen und Nein-Stimmen wegwerfen müssen.
Das Video der Dame wird auf Social Media fleissig geteilt. Jetzt wehrt sich die Post gegen die Vorwürfe. «Was hier im Video gesagt wird, sind Fake News. Wir durchleuchten keine (!) Wahl- oder Abstimmungsunterlagen. Wir öffnen keine (!) Briefe und werfen sie weg. Die Mitarbeitenden der Post halten sich an das Briefgeheimnis», kommentiert das Unternehmen auf Twitter.
«Briefgeheimnis ist Teil unserer Gene»
Die Manipulationsvorwürfe vor der Abstimmung ums Covid-Gesetz erinnern an die Situation nach der Abwahl des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump (75). Gerüchte um systematische Wahlfälschung sorgen – vor allem auf Social Media – noch heute für Empörung, obwohl es keinerlei Beweise gibt für die Behauptung.
Post-Sprecher Erich Goetschi sagt auf Anfrage von Blick, die Post «durchleuchte» keine Abstimmungsunterlagen und werfe keine Couverts weg. «Unsere Kernkompetenz ist seit 1849 der sichere und vertrauenswürdige Transport von Informationen. Das Briefgeheimnis ist in der Verfassung festgeschrieben und Teil unserer Gene. Unsere Mitarbeitenden leben es Tag für Tag und halten sich daran», erklärt Goetschi.
Zu politischer Neutralität verpflichtet
Auch von Befürwortern des Covid-Gesetzes kommt die Post derzeit unter Beschuss: «Wie kann es sein, dass die Post im Schalterraum Werbung gegen das Covid-Gesetz auf dem Bildschirm schalten darf?», schreibt ein Leserreporter empört an die Blick-Redaktion. Post-Sprecher Goetschi klärt auf: «Als Staatsbetrieb sind wir grundsätzlich zur politischen Neutralität verpflichtet. Die Filialen gelten als öffentlicher Raum. Bei der Nutzung von Werbeflächen in Postfilialen sind wir verpflichtet, die Gleichbehandlungspflicht sowie das Willkürverbot einzuhalten.»
Man zeige deshalb in den Filialen sowohl Werbung von Befürwortern wie auch von Gegnern der Vorlage. Die Post sei nicht verantwortlich für deren Inhalt. Allerdings lehne man Werbung ab, die «anstössig, diskriminierend und verletzend ist oder gegen die Abstimmungssitten verstösst sowie offensichtlich falsche, irreführende oder unlautere Angaben» enthalte.
Skeptiker richten Wahlbeobachtungs-Plattform ein
Bereits seit Wochen streuen Covid-Skeptiker Zweifel, dass es bei der Abstimmung vom 28. November mit rechten Dingen zugehen würde – die laut jeder Umfrage bisher mit 60plus Prozent für die Befürworter ausgehen wird. Von Manipulation an der Urne ist die Rede. Doch es bleibt bei diffusen Anschuldigungen, Beweise fehlen.
Nun haben Skeptiker gar eine «Wahlbeobachtungs-Plattform» eingerichtet. Dort sollen sich Stimmbürger registrieren und ihren Stimmzettel zusammen mit einem Selfie hochladen. So wolle man etwelche Manipulationen verhindern, geben die Macher an.
Wie wenig aussagekräftig diese Stimmzettel wären, skizziert Politgeograf Michael Hermann gegenüber dem «Bieler Tagblatt»: «Mit der Plattform kann man gar nichts beweisen.» Jene Abstimmenden, die bei der Plattform teilnehmen, dürften eine klare politische Positionierung aufweisen. Zudem sei nicht klar, wer dann auch tatsächlich abstimmen gehe.
Aussagekräftige und seriöse Aussagen über Abstimmungsergebnisse liessen sich einzig nach einer korrekten amtlichen Auszählung machen. Schliesslich würden dabei auch der Stimmausweis überprüft und mit dem Stimmregister abgeglichen. Hermann gegenüber dem «Bieler Tagblatt»: «Die Skeptiker misstrauen der offiziellen Seite. Selber bauen sie dann etwas auf, das komplett fälschbar ist, und dem soll man dann vertrauen. Das ist eine totale Asymmetrie.»
Die Plattform verletzt dadurch nicht nur das Wahlgeheimnis, keine etablierten Medien vermuten Abstimmungsfälschungen jeglicher Art – nur die «Weltwoche» attestiert den Machern «gute Gründe». Das spricht für sich.