Silvia (69) und Albert Ulrich (73) sitzen auf der Terrasse ihres Hauses in Anzère VS. Es herrscht herrliches Herbstwetter, doch die Stimmung der beiden Zweitwohnungsbesitzer aus dem Zürcher Oberland passt nicht dazu. Albert Ulrich sagt: «Die Gemeinde presst uns aus wie Zitronen, kassiert ab, pfeift aber auf unsere Meinung.» Ulrich ist Präsident des Vereins Anzère R2, der sich für die Anliegen der Zweitwohnungsbesitzer einsetzt. Er zählt rund 70 Mitglieder. Das Ferienidyll der Ulrichs hat sich in einen bürokratischen und juristischen Albtraum verwandelt.
Wie in vielen anderen Walliser Gemeinden tobt auch in der Gemeinde Ayent, zu der das Dorf Anzère gehört, ein Zwist zwischen Zweitwohnungsbesitzern und der Gemeinde. Auslöser ist die Berechnung der Kurtaxen, die für jede Übernachtung bezahlt werden müssen.
Früher meldeten die Zweitwohnungsbesitzer, wie oft sie in ihren Chalets übernachtet haben – und auf Basis davon wurden die Taxen abgerechnet. Heute verrechnet die Gemeinde pauschal und nach ziemlich undurchsichtigen Kriterien. «Bei uns wurden beispielsweise einfach sechs Betten als Berechnungsgrundlage genommen», sagt Ulrich.
Das Haus der Ulrichs hat zwar einen weitläufigen Wohnzimmerbereich, massgeblich für die Berechnung der Kurtaxen sind aber die Schlafzimmer, respektive die Zahl der Betten darin. Ulrichs haben nur ein Schlafzimmer mit zwei Betten. «Hier übernachtet niemand ausser uns.» Von der Gemeinde sei nie jemand da gewesen, um die tatsächlichen Verhältnisse zu überprüfen. Dafür vervielfachten sich die Kurtaxen von 100 bis 150 Franken pro Jahr auf neu etwa 1200 Franken pro Jahr. Für die Ulrichs ist das nicht akzeptabel.
Ums Geld geht es ihnen dabei nicht primär. «Es stellt sich die Frage, wie viel Wert wir Zweitwohnungsbesitzer für die Tourismusdestinationen haben», hält Ulrich fest.
Drohen mit Bundesgericht
Als die Gemeinde Ayent zum ersten Mal ein neues Kurtaxenreglement mit Pauschalen für die Zweitwohnungsbesitzer vorlegte, klagten die Ulrichs bis vor das Walliser Kantonsgericht. Die Kriterien für die Berechnung der Pauschalen seien zu undurchsichtig, die geforderten Beträge zu hoch, argumentierten die Zürcher. In diesem Jahr prüfte der Walliser Staatsrat erneut eine Klage der Zweitwohnungsbesitzer und gab ihnen recht. Die Gemeinde Ayent muss das Reglement überarbeiten.
Die Walliser Regierung entschied weiter, dass die für das Jahr 2022 erhobenen Kurtaxenpauschalen zurückgezahlt werden müssen, es geht eben um rund 1200 Franken. Grund dafür ist, dass es kein gültiges Kurtaxenreglement in Ayent gibt.
Im Moment wird das Reglement überarbeitet, wie Gemeindepräsident Christophe Beney (54) gegenüber Blick erklärt. Wann ein neues Reglement vorliegen wird, kann er derzeit nicht sagen – auch nicht, inwieweit es Anpassungen geben wird. Auf eines kann er sich aber einstellen: auf den Widerstand von Albert Ulrich und seinem Verein.
Gegen- statt miteinander
Der Umgangston ist rau in den sonnigen Hängen oberhalb von Sitten. Die Schuld dafür sieht man beim jeweils anderen. «Wir wurden in keinerlei Entscheidung miteinbezogen, können bei der Ausarbeitung des neuen Reglements nicht mitreden, obwohl wir hier neben den Kurtaxen auch Steuern bezahlen!», ärgert sich Albert Ulrich.
Gemeindepräsident Beney sieht das anders. Man sei jederzeit bereit, auch auf Ulrichs Anregungen einzugehen. Einen Seitenhieb gibt es dann aber auch. «Der Verein Anzère R2 ist nichts anderes als eine Gruppierung einiger Zweitwohnungsbesitzer, die lediglich eine kritische und unkonstruktive Meinung zum Tourismusmanagement unserer Destination äussern.»
Die meisten bekommen nichts zurück
Die kritische Haltung von Ulrich hat aber auch dazu geführt, dass er – als Einziger in der Gemeinde – sein Geld zurückbekommt. Auf Anfrage von Blick erklärt Gemeindepräsident Beney: «Das Gesetz besagt, dass jede Rechnung über eine Taxe, die nicht innerhalb von 30 Tagen angefochten wird, als vom Empfänger akzeptiert gilt. In diesem konkreten Fall hatten wir nur eine Person, die eine Beschwerde beim Staatsrat eingereicht hat.»
Albert Ulrich sagt dazu: «Es ist mir unerklärlich, wie man als Tourismusdestination so mit seinen langjährigen Kunden umgehen kann.»