Ferienwohnungsbesitzer wehren sich gegen Kurtaxen-Pauschale
Tourismus-Bschiss am Aletschgletscher?

Zweitwohnungsbesitzer in der Aletsch-Region müssen neuerdings Kurtaxen pauschal abrechnen. Viele zahlen darum drauf. Die zuständige Tourismusorganisation profitiert. Sie hat viel mehr Geld zur Verfügung. Ob das rechtens ist, entscheidet das Bundesgericht.
Publiziert: 23.06.2022 um 01:15 Uhr
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Aktualisiert: 07.06.2023 um 17:43 Uhr
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Die Übernachtungszahlen im Einzugsgebiet der Aletsch Arena sind im Sommer 2021 explodiert. Dies aber nicht hauptsächlich, weil mehr Gäste kamen, sondern weil ein neues Reglement in Kraft getreten ist.
Foto: Geschäftsbericht Aletsch Arena AG 2020/2021
Fabian Vogt

Weltweit erholt sich der Tourismus nur langsam von Corona. Die Zahlen sind besser als im Horror-Jahr 2020, aber vielerorts noch lange nicht auf Vor-Pandemie-Niveau. Die grosse Ausnahme: das Walliser Aletsch-Gebiet, dem die Gemeinden Mörel-Filet, Riederalp, Bettmeralp, Fiesch, Fieschertal und Lax angehören.

446'182 Übernachtungen wurden dort laut aktuellem Jahresbericht im Sommer 2021 registriert. Das ist beinahe eine Verdoppelung gegenüber dem Schnitt der vergangenen zehn Jahre!

Der Haken: Die von der Aletsch Arena publizierten Zahlen haben keine Aussagekraft. Der enormen Zunahme an Übernachtungen liegt ein bürokratischer Kniff zugrunde.

Besitzer sollen Wohnungen vermieten

Seit dem 1. November 2020 müssen Zweitwohnungsbesitzer im Wirkungsgebiet der Aletsch Arena nämlich ihre Kurtaxen pauschal abrechnen. Bedeutet: Völlig egal, ob in einer Wohnung 3- oder 30-mal übernachtet wird, bezahlt werden müssen beispielsweise in Fiescheralp jährlich 57 Nächte – mal 3.50 Franken pro Bett – auf diesen Betrag wurde die Kurtaxe festgelegt.

Hinzu kommt: Es ist auch egal, wie viele Gäste in der Wohnung jeweils übernachten. Entscheidend ist nur, wie gross die Wohnung ist. Danach berechnet sich die Zahl der Betten, die theoretisch in dieser Wohnung Platz haben. In einer 4½-Zimmer-Wohnung geht man von 5 Betten aus. Und pro Bett muss dann auch bezahlt werden – ganz unabhängig davon, ob dieses das ganze Jahr benutzt wurde oder ob die Anzahl Betten tatsächlich vorhanden ist.

Foto: Blick Grafik

Die Idee hinter der Pauschale: Die Zweitwohnungsbesitzer sollen so dazu animiert werden, ihre Wohnungen zu vermieten oder zu benutzen. Wer im Ort übernachtet, geht schliesslich auch dort einkaufen oder nutzt die Bergbahn.

Zehn Prozent Umsatzbeteiligung für Webseiten-Inserat

Nicht in diese Argumentation passt allerdings, dass die Aletsch Arena per 1. November 2020 «alle Leistungsträger» – dazu gehören auch die Vermieter von Wohnungen – zusätzlich auch noch dazu verpflichtet hat, einen sogenannten Partnervertrag mit der Arena zu unterzeichnen.

Ein Zweitwohnungsbesitzer, der anonym bleiben will, sagt: «Seither müssen wir zehn Prozent unserer Mieteinnahmen an die Aletsch Arena überweisen, ansonsten wird unser Angebot auf ihrer Internetseite nicht mehr gelistet.» Die Aletsch Arena bestätigt das.

Für den Zweitwohnungsbesitzer, der mit Blick gesprochen hat, ist das zu viel: «Ich habe die Vermietung meiner Wohnung nun aufgegeben. Mir ist das zu blöd.»

Kurtaxe kurz erklärt

Wer als Gast ausserhalb seiner Wohngemeinde übernachtet, zahlt zusätzlich zu den Logis-Kosten gemäss kantonalen Tourismusgesetzen eine Kurtaxe. Egal ob in Hotels, Airbnbs oder sonstigen gebührenpflichtigen Unterkünften. Die Einnahmen sind dazu gedacht, in den Tourismus investiert zu werden, beispielsweise in die Infrastruktur. Im Aletsch-Gebiet entschieden die Gemeindeversammlungen, die Kurtaxe ab Oktober 2020 pauschal einzufordern. Zuvor wurde pro Übernachtung abgerechnet. Das Geld fliesst vollumfänglich an die Aletsch Arena AG.

Wegen Kurtaxenpauschalen kam es im Wallis schon zu diversen Bundesgerichtsentscheiden. Dass eine pauschalisierte Besteuerung rechtens ist, zweifelten die höchsten Schweizer Richter nie an. Allerdings mussten verschiedene Gemeinden die Zahl der Nächte, die pauschal abgerechnet werden, stark reduzieren, darunter Leukerbad, Bürchen oder Goms. (vof)

Wer als Gast ausserhalb seiner Wohngemeinde übernachtet, zahlt zusätzlich zu den Logis-Kosten gemäss kantonalen Tourismusgesetzen eine Kurtaxe. Egal ob in Hotels, Airbnbs oder sonstigen gebührenpflichtigen Unterkünften. Die Einnahmen sind dazu gedacht, in den Tourismus investiert zu werden, beispielsweise in die Infrastruktur. Im Aletsch-Gebiet entschieden die Gemeindeversammlungen, die Kurtaxe ab Oktober 2020 pauschal einzufordern. Zuvor wurde pro Übernachtung abgerechnet. Das Geld fliesst vollumfänglich an die Aletsch Arena AG.

Wegen Kurtaxenpauschalen kam es im Wallis schon zu diversen Bundesgerichtsentscheiden. Dass eine pauschalisierte Besteuerung rechtens ist, zweifelten die höchsten Schweizer Richter nie an. Allerdings mussten verschiedene Gemeinden die Zahl der Nächte, die pauschal abgerechnet werden, stark reduzieren, darunter Leukerbad, Bürchen oder Goms. (vof)

Gewerbliche Vermieter profitieren

Von der neuen Kurtaxenpauschale profitiert, wer regelmässig Gäste hat. Das sind unter anderem Menschen, die ihre Wohnungen gewerblich vermieten, damit also ein Geschäft machen. Sie können die Kurtaxe weiterhin von ihren Kunden verlangen, den Mehrverdienst aber in die eigene Tasche stecken.

Profitabel ist das auch für die Aletsch Arena. Das Unternehmen hat dank der Pauschale über eine Million Franken mehr an Kurtaxen eingenommen als noch im Vorjahr. Stolz schreiben die Verantwortlichen, dass man sich damit «in den Kreis der grössten und bedeutendsten Bergregionen der Schweiz» einreihe.

Leidtragend sind indes diejenigen, die bisher ihre Wohnungen gar nicht oder nur selten vermietet haben. Sie müssen nun für Gäste zahlen, die sie gar nicht haben.

Einer von ihnen ist Peter Koch (72). Von Blick mit dem Geschäftsbericht konfrontiert, verwirft der Aargauer die Hände. «Das ist Trickserei der Aletsch Arena, die auf Kosten der Zweitwohnungsbesitzer durchgeführt wird!»

Koch zahlt nun 300 Prozent mehr

Koch besitzt auf der Fiescheralp einen Chalet-Anteil und ist Präsident der IG Fiescheralp, die sich um die Interessen der dortigen Zweitwohnungsbesitzer kümmert. Von Blick auf die Thematik angesprochen, öffnet er seine Bücher. 2019 zahlten er und die Chalet-Mitbesitzer für total vier Personen 300 Franken pauschal pro Jahr an Kurtaxen. «Neu sind es 1197 Franken!»

Koch will sich mit dem neuen System aber nicht abfinden. «Wir zahlen auf der Fiescheralp pauschal 57 Nächte pro Jahr, obwohl man nur acht Monate hier oben sein kann. Im Tal unten in Fiesch, wo man das ganze Jahr Ferien machen kann, sind es pauschal nur 27 Nächte, die in Rechnung gestellt werden.» Er habe sowohl die Aletsch Arena als auch die Gemeinden angefragt, warum das so sei. Dort würde es aber heissen, die Berechnung sei relativ komplex, weswegen man sich dagegen entschieden habe, diese zu veröffentlichen.

Auch will Koch wissen, wie viele der im Geschäftsbericht ausgewiesenen Logiernächte auf Kinder zwischen 6 und 16 Jahren entfallen. Per Gesetz müssten diese nämlich nur die Hälfte und die Jüngeren gar keine Kurtaxe bezahlen. Weil er von den Behörden ignoriert werde, sei er mit anderen Zweitwohnungsbesitzern ans Bundesgericht gelangt. Dieses wird nun entscheiden, ob die neue Berechnung der Kurtaxenpauschalen im Aletsch-Gebiet zulässig ist.

Blick hat die Aletsch Arena mit den Fragen der Zweitwohnungsbesitzer konfrontiert. Allgemeine Auskünfte waren ausführlich, kritischere Nachfragen blieben unbeantwortet. Man wolle sich bis zum Entscheid «nicht weiter zu ‹Spekulationen› und Auskünften zu diesem Thema äussern».

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