«Ich hinterfrage nicht, von wem mein Spenderherz kommt»
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Seltene Krebsart überlebt:«Ich hinterfrage nicht, von wem mein Spenderherz kommt»

5 Prozent Überlebenschance! Walliser Olivier Groen hatte seltenen Tumor im Herz
«Ärzte sagten mir: ‹In zwei Wochen brauchen Sie einen Bestatter›»

Ein seltener Herzkrebs veränderte das Leben von Olivier Groen aus dem Wallis. Nach drei Brustkorb-Operationen und einer Herztransplantation kämpft der 54-Jährige weiter. Seine Geschichte ist ein Plädoyer für Organspende und Durchhaltevermögen.
Publiziert: 20.02.2025 um 02:32 Uhr
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Aktualisiert: 14:19 Uhr
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Im Jahr 2016 wird bei Olivier Groen ein Tumor im Herz festgestellt. Er muss sofort operiert werden.
Foto: zVg

Auf einen Blick

  • Olivier Groen überlebt Herzkrebs und erhält nach Kunstherz ein Spenderherz
  • Seltene Herztumore betreffen nur 0,02 Prozent aller Tumorerkrankungen
  • Drei Brustkorb-Öffnungen in neun Jahren für den 54-jährigen Kraftsportler
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Martin MeulReporter News

Es ist Mitte April 2016. Der passionierte Kraftsportler Olivier Groen (54) aus Mörel-Filet VS ist gerade im Training, als ihm auffällt, dass etwas nicht stimmt. «Plötzlich hatte ich Schmerzen in der Brust, fühlte mich unwohl», sagt der Oberwalliser zu Blick. Es ist der Moment, in dem für Groen, den «Herz-Krieger», der Kampf um sein Leben beginnt.

Neun Jahre später wird man ihm drei Mal den Brustkorb geöffnet haben. Und der Projektleiter einer Sanitärfirma wird nur noch am Leben sein, weil jemand anderes gestorben ist. 

Krebs im Herz

Wegen der Schmerzen in der Brust geht Groen 2016 zum Hausarzt. Dieser schickt ihn umgehend ins Inselspital nach Bern. Dort untersucht man Groen. «Statt nach Hause ging es für mich auf die Station», erzählt er. Die Diagnose: Herzkrebs, ein Vorhofmyxom.

Tumore im Herz sind extrem selten. Das Unispital Zürich schreibt auf seiner Homepage: «Unter allen Tumoren machen sie nur 0,02 Prozent aus.» Als Grund für die Seltenheit vermuten Fachleute, dass sich Herzzellen im Gegensatz zu den Zellen anderer Gewebe nur noch selten teilen. Eines der Hauptprobleme bei Herztumoren ist, dass sie die Funktion des Herzens sehr stark negativ beeinflussen können.

«Ich hatte noch nie davon gehört», sagt Groen. Bei ihm sitzt der Tumor im linken Vorhof, droht den Blutfluss im Herz zu blockieren. Die Ärzte im Inselspital empfehlen dringend eine Operation. «Ich aber dachte, ich könne noch die anstehende Töffsaison geniessen und mich im Herbst operieren lassen.» Doch da irrt sich der leidenschaftliche Töfffahrer. «Die Ärzte sagten mir: ‹In zwei Wochen brauchen Sie keinen Arzt mehr, sondern einen Bestatter›», erzählt Groen. 

Noch in der gleichen Woche wird Groen vom berühmten Herzchirurgen Thierry Carrel operiert. «Auch für diesen erfahrenen Mediziner ist die Operation eher selten», sagt Groen. Das tumorbefallene Herz wird zeitweise stillgelegt und der Krebs entfernt, während der Patient an der Herz-Lungen-Maschine hängt. «Ich war guter Dinge, denn mir wurde gesagt, dass alles gut werden würde», so Groen. Die Wahrheit aber scheint anders auszusehen. Gegenüber Groens Frau Alexandra (49) reden die Ärzte Tacheles. «Mir wurde erklärt, dass Oliviers Überlebenschancen bei fünf Prozent liegen», sagt sie zu Blick. Denn Groen hat eine Vorerkrankung am Herzen. Entsprechend hart sind die Stunden, die die Operation dauert. 

Zuerst gut, dann schlecht, dann wieder gut

Der Eingriff ist ein Erfolg. Groen erholt sich schnell, immerhin liegt die Sterblichkeit nach Entfernung eines Herzmyxoms nur noch etwa bei einem Prozent. Sechs Monate nur dauert die Genesung. Es folgt eine gute Zeit, Groen kann sogar wieder als Projektleiter im Sanitärbereich arbeiten. Doch dann ziehen erneut dunkle Wolken auf. Im Jahr 2020 merkt Olivier Groen, dass etwas mit seinem Herz nicht stimmt. «Ich fühlte mich schlecht und abgeschlagen.» Es folgt eine schlechte Nachricht. Sein Herz macht nicht mehr mit, Groen braucht ein neues. Doch das wird schwierig. Denn es gibt es nur wenig Spenderherzen.

Im Jahr 2021 ist Groens Herz am Ende. Wieder wird sein Brustkorb geöffnet, er erhält ein linksventrikuläres Unterstützungssystem (LVAD). Einfach gesagt: ein künstliches Herz. Groen liegt stundenlang im Operationssaal, erneut bangt seine Frau Alexandra um sein Leben. «Ich glaube, für die, die draussen warten, ist das alles noch viel schlimmer», sagt sie. Ihr Mann pflichtet ihr bei. «Ich bekomme ja nichts mit während der Operation. Man wacht auf oder eben nicht.» Groen schafft es auch dieses Mal. Und erholt sich. Mit dem Kunstherz habe er gut leben können. «Man muss einfach aufpassen, dass einem der Strom nicht ausgeht», sagt er und lacht. Doch es bleibt eine temporäre Lösung. 

Ein neues Herz

Fast auf den Tag genau acht Jahre nach der Tumoroperation kommt dann der wichtigste Anruf in Groens Leben. Ein Spenderherz steht bereit. «Ich hatte die Hoffnung schon fast aufgegeben», sagt er. Jetzt hat er 90 Minuten Zeit, ins Inselspital zu kommen. Vom Wallis aus ist das nur mit dem Heli zu schaffen. Kaum in Bern gelandet, geht es auch schon in den Operationssaal. Zum dritten Mal wird Groens Brustkorb geöffnet, das Spenderherz eingesetzt. Die Operation geht wieder gut. «Es war, als hätte dieses fremde Herz auf mich gewartet», sagt Groen.

Dem unbekannten Spender ist Groen sehr dankbar. «Ich lebe, weil diese Person gestorben ist.» Zu viele Gedanken macht sich Groen über den oder die Spenderin nicht. «Ich habe das Herz angenommen, damit ist die Sache für mich erledigt», sagt er. Ganz anders sieht es beim Thema Organspende grundsätzlich aus. Groen hat nur wenig Verständnis dafür, wenn Menschen ihre Organe nicht spenden möchten. «Glaubt ihr, Gott lässt euch nicht rein, weil ihr eure Niere gespendet habt?», fragt er. 

Obwohl die Herztransplantation gut verläuft, geht es Groen im letzten Frühling plötzlich schlechter. Seine Frau Alexandra sagt: «Ich erkannte meinen bislang immer noch positiven Herz-Krieger nicht wieder.» Groen ist aggressiv, hat mentale Aussetzer, verhält sich seltsam. Der Grund für die Persönlichkeitsveränderung: ein Pilz im Gehirn, medizinisch zerebrale Aspergillose. Eine Nebenwirkung der Immunsuppressiva, die Groen wegen des neuen Herzens nehmen muss. Eine Biopsie am Gehirn folgt, Groen bekommt starke Medikamente. «Das Problem ist aber, dass dieses nicht zu stark sein dürfen. Denn sonst würde mein neues Herz geschädigt werden», erklärt er. 

Inzwischen ist die Pilzinfektion etwas zurückgegangen, weg ist sie aber noch lange nicht. «Mein Motto ist deshalb Zeit und Geduld», sagt Groen. Der Herz-Krieger aus dem Wallis gibt nicht auf. Auch, weil er anderen helfen will. Beim Inselspital in Bern ist er als Kontaktperson für Menschen mit einem ähnlichen Schicksal registriert.

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