«Wir sind auf die Subventionen angewiesen»
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Gondosolar-Initiant Jordan:«Wir sind auf die Subventionen angewiesen»

Sorge in Gondo VS wegen drohendem Referendum – schoss Ständerat übers Ziel hinaus?
Dieser Entscheid gefährdet den Solarexpress erst richtig

Der Ständerat will den Solarexpress verlängern und so den Bau von grossen Kraftwerken sichern. Doch der Vorlage droht Widerstand. Es besteht die Möglichkeit, dass die kleine Kammer über das Ziel hinausgeschossen ist und dem Solarexpress den Todesstoss versetzt hat.
Publiziert: 01:07 Uhr
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Aktualisiert: 09:52 Uhr
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Der Ständerat hat am Donnerstag für eine Verlängerung des Solarexpresses gestellt.
Foto: keystone-sda.ch

Auf einen Blick

  • Ständerat beschleunigt Energieprojekte durch Einschränkung des Verbandsbeschwerderechts
  • Solarexpress-Verlängerung: Solarkraftwerke zu 60 Prozent vom Bund finanziert bei Baugesuch bis 2025
  • Gegen die Vorlage droht es Widerstand zu geben
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Martin MeulReporter News

Der Ständerat machte letzte Woche den vermeintlichen Befreiungsschlag. Er beschloss, dass grosse Energieprojekte in der Schweiz massgeblich beschleunigt werden sollen. Vor allem soll dies durch eine Einschränkung des Verbandsbeschwerderechts möglich werden. 

Konkret hat die kleine Kammer beschlossen, dass gegen 16 Wasserkraft-Projekte im Land keine Verbandsbeschwerden zugelassen werden sollen. Heisst: Umweltverbände wie Pro Natura sollen sich nicht gegen Stauseeprojekte wie das «Gornerli» in Zermatt VS wehren können. Die Energiewende in der Schweiz soll endlich Fahrt aufnehmen.

Doch die guten Nachrichten für die Energiewende der Schweiz haben einen bitteren Beigeschmack. Energieminister Albert Rösti (57) warnte nämlich bereits in der Debatte: «Wenn wir nach einem Referendum nichts haben, hilft uns das wenig.» Denn mit der Aussetzung des Verbandsbeschwerderechts hat der Ständerat eine der heiligen Kühe in der Schweiz angefasst. Vor dem Volk dürften es die Pläne der kleinen Kammer schwer haben.

Absicherung des Solarexpresses

Das könnte die Pläne des Ständerats nun in einen veritablen Pyrrhussieg verwandeln. Denn bei der ganzen Sache geht es um mehr, als um 16 Wasserkraftwerke! In der gleichen Vorlage hat der Ständerat auch beschlossen, den sogenannten Solarexpress zu verlängern. Neu sollen grosse Solarkraftwerke zu 60 Prozent vom Bund finanziert werden, wenn bis Ende 2025 ein Baugesuch vorliegt. Bislang mussten diese bis Ende des kommenden Jahres zu 10 Prozent gebaut sein, damit es Geld aus Bern gibt – eine unmögliche Mission.

Die Stossrichtung der kleinen Kammer war klar, wie Ständerat Beat Rieder (Mitte, VS) zu Blick sagt: «Es geht darum, Planungssicherheit zu schaffen, damit die angestossenen Solar-Projekte gebaut werden können.» 

Ohne Bund keine Solarkraftwerke

Wie zentral das Geld aus Bern ist, zeigt das Beispiel von Gondosolar im Wallis. In seinem Atelier in Brig trifft Blick Renato Jordan (73). Der Künstler und ehemalige Mittelschullehrer ist Solarpionier der ersten Stunde. Vor vier Jahren, lange vor dem Solarexpress, entwickelte Jordan die Idee auf der Alp seiner Familie bei Gondo VS ein Solarkraftwerk zu bauen. Seitdem hat er geplant, Partner gesucht und mit der Energiegesellschaft Energie Electrique du Simplon ein Projekt aufgegleist. «Mein Ziel war und ist es, einen Beitrag zur energetischen Zukunft der Schweiz zu leisten», sagt Jordan.

Gondosolar ist zwar nicht das grösste Projekt, doch seine Daten können sich sehen lassen. Dereinst soll die Anlage Strom für rund 3800 Haushalte produzieren. Dazu sollen im Gebiet Alpjerung 1640 Solarbäume à 16 Fotovoltaik-Module gebaut werden. «Die Bedingungen dort sind perfekt», sagt Jordan. Das Gebiet sei von keiner Siedlung aus einsehbar, ausserdem liege es nicht in einem geschützten Gebiet, um nur einige Punkte zu nennen, so der Initiant. 

Doch Gondosolar hat seinen Preis – geschätzte 55 Millionen kostet das Solarkraftwerk. Jordan sagt: «Ohne finanzielle Unterstützung des Bundes geht es nicht!» Heisst: Gondosolar braucht wie alle anderen Projekte die 60 Prozent des Bundes, nur dann ist es wirtschaftlich interessant. «Es wäre aber unmöglich gewesen, bis Ende 2025 10 Prozent der Anlage ans Netz zu bringen, um die Subventionen zu bekommen», sagt Jordan. Die Zeit ist einfach zu knapp, zudem haben Umweltverbände selbst gegen dieses Vorzeigeprojekt eingesprochen. Kein Wunder, steht das Verbandsbeschwerderecht zur Debatte. 

Für Pro Natura beispielsweise weist der Umweltverträglichkeitsbericht «erhebliche Lücken auf». Eine Prüfung der Beeinträchtigung der Natur vor Ort und eine Interessenabwägung sei deshalb nicht ausreichend möglich. Es geht um die Frage, wie weit Gondosolar Tierarten, wie das Birkhuhn, beeinträchtigen würde, so die Begründung für den Widerstand. 

Ein Referendum droht

Obwohl der Ständerat Jordans Projekt nun auch über 2025 hinaus finanziell unterstützen und damit den zeitlichen Druck vom Projekt nehmen will, kann der Solarpionier nicht jubeln. Das Problem: Der neue Solarexpress hängt direkt an der Aufweichung des Verbandsbeschwerderechts.

Und der droht Widerstand. Schon vor einem Jahr hatte Energieminister Rösti davon gesprochen, dass die Vorlage mit dem Antasten des Verbandsbeschwerderechts «klinisch tot» wäre. Schlechte Aussichten für die Solarkraftwerke. 

Denn ein Referendum gegen die Aufweichung des Verbandsbeschwerderechts ist wahrscheinlich. Ralph Manz, Regionalsekretär von Pro Natura Oberwallis, sagt: «Das Verbandsbeschwerderecht einzuschränken, ist ein Wortbruch und inakzeptabel. Damit bringt der Ständerat die Stimme für die stark bedrohte Natur zum Verstummen.» 

Heisst: Im schlimmsten Fall hat der Ständerat vergangene Woche den Traum von Renato Jordan, auf der Schafalp seiner Familie saubere Energie für künftige Generationen zu produzieren, zunichtegemacht. Ein Pyrrhussieg, wie er im Buche steht.

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