Auf einen Blick
- Walliser Wolfsjagd: Fast die Hälfte der Abschüsse waren Fehlschüsse
- Umweltschützer werfen dem Kanton vor, die Fehlabschüsse in Kauf zu nehmen
- Das Bundesamt für Umwelt weist jegliche Verantwortung von sich
Die erste präventive Wolfsjagd der Schweiz hat im letzten Winter im Bergkanton Wallis alle Erwartungen übertroffen. Ausgerüstet mit Nachtsichtgeräten und Wärmebildkameras haben Wildhüter und Jäger 27 Wölfe erlegt – viel mehr als erhofft. Doch jetzt zeigen genetische Analysen, die Blick gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz einsehen konnte, dass die Walliser bei fast jedem zweiten Abschuss einen falschen Wolf erwischt haben.
11 der 27 geschossenen Wölfe gehörten nicht zu den vom Bundesamt für Umwelt (Bafu) zum Abschuss freigegebenen Rudeln. Das belegen die Verwandtschaftsanalysen aus dem Labor der Universität Lausanne. Demnach wurden fünf Welpen und sechs ausgewachsene Wölfe Opfer von Fehlabschüssen.
Bei den ausgewachsenen Tieren handelte es sich möglicherweise um Einzeltiere auf Durchreise, die sich zum Zeitpunkt der Regulierung in einem Abschussgebiet aufgehalten haben. Über ihre Abstammung gibt es in den Daten keine Hinweise. Die fünf Welpen hingegen gehörten zu Rudeln, deren Streifgebiet an das Territorium von zur Regulierung freigegebenen Rudeln grenzt. Zwischen benachbarten Rudeln gibt es oft Pufferzonen, in denen sich beide Gruppen bewegen.
Die Verwandtschaftsanalyse der getöteten Wölfe liegt den Behörden seit Ende Februar vor, veröffentlicht wurde sie nicht. Im April wurde gestützt auf die genetische Untersuchung bereits bekannt, dass die 27 geschossenen Grossraubtiere für keinen einzigen Schafriss verantwortlich waren.
«Kanton kennt Streifgebiete nicht»
Für David Gerke (39), Geschäftsführer der Gruppe Wolf Schweiz, zeigen die Fehlabschüsse, was die Umweltschützer schon länger kritisieren: Der Kanton Wallis habe das Wolfsmonitoring nicht im Griff. «Der Kanton kennt die Streifgebiete der Rudel nicht oder interpretiert sie falsch», sagt er.
Die Abschussgebiete so genau wie möglich zu definieren, ist zentral, weil Wildhüter visuell nicht erkennen können, zu welchem Rudel ein Wolf gehört. Eingegrenzt werden die Territorien mithilfe von gesammelten DNA-Proben, Fotofallen und Beobachtungen. Doch Gerke sagt: Die Walliser Politik interessiere sich nicht für eine qualitativ gute Überwachung des Wolfs. Fehlabschüsse seien für sie kein Unglück: «Die Politik will so viele Wölfe wie möglich erwischen», sagt der Umweltschützer. «Für die Wolfsgegner im Wallis ist nur ein toter Wolf ein guter Wolf.»
Abschüsse waren legal
Illegal waren die Fehlabschüsse nicht. Die Abschussgebiete werden vom Kanton definiert und vom Bafu bewilligt. Die Walliser Dienststelle für Jagd, Fischerei und Wildtiere betont auf Anfrage denn auch, dass innerhalb des bewilligten Perimeters Wölfe erlegt werden dürften, und das unabhängig von ihrer genetischen Identität.
Fragen dazu, wie es zu den vielen toten Wölfen kommen konnte, die keinem regulierten Rudel angehörten und wie solche künftig verhindert werden sollen, beantwortet der Kanton nicht. Die genetischen Analysen würden aber bessere Kenntnisse über die Struktur und Verteilung der Rudel ermöglichen und so zur Überwachung der Wolfspopulationen beitragen, schreibt die Jagdbehörde.
Das Bafu bestätigt, über die Fehlabschüsse im Wallis informiert worden zu sein. Dazu äussern will sich das Bundesamt nicht, da die Umsetzung der Wolfsregulierung Sache der Kantone sei. Das Bafu hoffe aber, dass die ersten Erfahrungen helfen, die Kantone künftig noch besser zu beraten, «auch in Bezug auf Massnahmen, mit denen Fehlabschüsse in Zukunft noch besser verhindert werden können».
Auflagen weiter gelockert
Für die zweite präventive Wolfsjagd, die noch bis Ende Januar läuft, hat das Bafu dem Wallis keine neuen Vorschriften auferlegt – die Auflagen wurden sogar gelockert.
Am 9. September hatte das Bafu den Abschuss eines Walliser Wolfsrudels noch unter der Bedingung bewilligt, dass Abschüsse in überlappenden Gebieten zwischen Territorien zweier Rudel untersagt sind und diese Zonen aus dem Abschussgebiet ausgeschlossen werden müssen.
Weil das Bafu dem Wallis gleichzeitig den Abschuss von drei Rudeln verweigerte, kam es am 13. September in Bundesbern zum Krisengipfel zwischen Umweltminister Albert Rösti (57), dem Walliser Sicherheitsdirektor Frédéric Favre (45) und Bafu-Direktorin Katrin Schneeberger (57).
Anschliessend hat das Bafu nicht nur seine Haltung zum Abschuss der drei Walliser Rudel korrigiert, sondern auch die Auflage zu Abschüssen in Pufferzonen zwischen zwei Wolfsterritorien entschärft. Diese sind jetzt nicht mehr verboten – sondern «zu vermeiden».