Mehrfach Polizeikontrollen, schwere Betonblöcke vor dem Eingang, Verhaftungen und Corona-Demos – die Ereignisse in Zermatt VS überschlugen sich. Die Wirte-Familie des Restaurants Walliserkanne sorgte für Aufsehen, weil sie gegen die geltenden Corona-Massnahmen rebellierte und die Zertifikatspflicht in der Beiz ignorierte.
Nach einigen Tagen setzten die Behörden dem Katz-und-Maus-Spiel ein Ende und verhafteten drei Wirte: Ivan A.* (31), seine Mutter Nelli A.* (60) und seinen über 60-jährigen Vater Andreas A.* Das Zwangsmassnahmengericht (ZMG) lehnte am Schluss den Antrag auf U-Haft ab. Die Familie kam vor einer Woche wieder frei.
Sohn Ivan ahnte, dass die Polizei eingreift
Seither ist es ruhiger um die Massnahmen-Kritiker geworden, die auch mit einem Graffiti an der Aussenwand der Beiz Sympathien für die Verschwörungstheorien von QAnon bekunden. Die Beiz bleibt bis mindestens Freitag geschlossen, die Behörden haben der Familie die Betriebsbewilligung vorübergehend entzogen.
Ihre Anwälte liessen nach der Freilassung lediglich verlauten: «Nach den Strapazen der mehrtägigen Haft müssen die Betroffenen zu den aufwühlenden und prägenden Erlebnissen der vergangenen Tage Distanz gewinnen, sich davon erholen können und zur Ruhe kommen.»
Scheinbar sind die Eltern und der Sohn Ivan nun wieder fit und auch der zum Zeitpunkt der Verhaftung in den Ferien weilende Sohn Patrick A.* ist wieder zu Hause. Gemeinsam schildern sie nun in der «Weltwoche» ihre Sicht der Dinge.
Am Tag der Festnahmen hatte der Sohn bereits eine Vorahnung. Vier Männer seien morgens ins Lokal gekommen und hätten sich an die Tische gesetzt. «Es waren zivile Fahnder, welche die Lage vor Ort auskundschafteten», sagt Ivan A.
Vorwurf der unterlassenen Hilfeleistung
Kurz darauf wurde das Trio von der Polizei festgenommen. Mario Julen (58), der eigenen Angaben nach als Vermittler zwischen Behörden und Betreibern fungierte, warf der Polizei damals massiven Gewalteinsatz vor. Die Behörden wehrten sich gegen die Vorwürfe und gaben an, die Verhaftungen seien nach dem Prinzip der Verhältnismässigkeit geschehen. Denn die Familie habe sich alles andere als widerstandslos festnehmen lassen.
Ivan, Nelli und Andreas A. schiessen nun ebenfalls scharf gegen die Polizisten. «Es lief alles genau so ab, wie wir das sonst in Mafiafilmen sehen», sagt der Sohn. «Dutzende von Beamten in schusssicheren Westen» hätten sich auf sie gestürzt. Die Polizisten hätten sie von hinten gepackt und geschlagen. Die Mutter sei im Lokal zu Fall gebracht und die beiden Männer draussen ebenfalls zu Boden gerissen worden.
Ivan A. gibt an, sein rechter Arm sei derart nach oben verdreht worden, dass seine Schulter – weil ein Beamter auch mit dem Knie nachgedrückt habe – ausgekugelt worden sei. Laut seinem Anwalt sei er zunächst auf dem Polizeiposten einvernommen und erst zweieinhalb Stunden später ins Spital gebracht worden. Seither trage er einen Stützverband. Der Anwalt spricht von unterlassener Hilfeleistung.
Frist für Anfechtung «zu knapp»
Die Art der Verhaftung ist nicht das einzige, das die Skeptiker-Wirte kritisieren. Der ältere Sohn Patrick A., auf dessen Namen die Betriebsbewilligung laufe, ist der Ansicht, dass die Festnahme nicht rechtens gewesen sei. «Ich leite offiziell die ‹Walliserkanne›. Mit meinem Bruder hat man gewissermassen meinen Angestellten verhaftet.»
Er behauptet ausserdem, dass die mehrfachen Verfügungen «nie ordnungsgemäss zugestellt» worden seien. «Manchmal wurden sie von einem Beamten auf einen Tisch der Terrasse gelegt.» Eine schriftliche, anfechtbare Anordnung habe er seinen Angaben zufolge vor ein paar Tagen erhalten. Man habe der Familie 24 Stunden Zeit gegeben, um diese anzufechten. Die Familie hält das für zu wenig. «Eine so knappe Frist ist schikanös», sagt ihr Anwalt. Die Wirte sind überzeugt, dass die Behörden an ihnen ein Exempel haben statuieren wollen. Vater Andreas A. sagt: «Wir waren die ersten politischen Gefangenen in der Schweiz.»
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Polizeichef wehrt sich gegen Vorwürfe
Wie es für die Skeptiker-Familie weitergeht, ist noch unklar. Das Verfahren läuft weiter. Auch Mario Julen, der der Polizei Gewalt vorwarf, muss möglicherweise mit rechtlichen Konsequenzen rechnen.
Der Walliser Polizeikommandant Christian Varone (58) sagte im Interview mit dem «Walliser Boten»: «Dies sind schwerwiegende Anschuldigungen. Die Leute, die solche Aussagen machen, wollen das Image der Kantons- und der Gemeindepolizei schädigen – und zwar absichtlich.» Man werde dies «nicht akzeptieren», fügte er hinzu. «Wir behalten uns rechtliche Schritte gegen die Urheber dieser Äusserungen vor.» (man)
* Name bekannt