Sie müssen bei der Impfung hinten anstehen
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«Ich finde das unfair»:Sie müssen bei der Impfung hinten anstehen

Weil sie zuletzt geimpft werden, dauert die Pandemie für Jugendliche am längsten
«Die Jungen gehen vergessen»

Während die älteren Generationen schon über Impf-Privilegien diskutieren, schauen die Jungen auf einen weiteren Sommer, der geprägt ist von Corona-Massnahmen. Wie viel kann man den Jugendlichen zumuten?
Publiziert: 24.04.2021 um 01:34 Uhr
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Aktualisiert: 16.05.2021 um 11:51 Uhr
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Den Jungen droht erneut ein Sommer voller Verzicht.
Foto: Getty Images
Andrea Cattani und Sven Ziegler

Wieder nur Camping im Tessin statt mit Freunden quer durch Europa im Zug. Ein abgeschlossenes Lehrjahr – ohne genau zu wissen, was kommen wird. Wieder nur ein Treffen auf dem Dorfplatz statt am grossen Open Air.

Der Schweizer Jugend droht wie schon im letzten Jahr ein Sommer voller Verzicht und Einschränkungen. Während die älteren Generationen jetzt von Impf-Privilegien träumen, müssen die Teenager erneut hintanstehen. Sie stehen in der Impf-Reihenfolge ganz hinten, doch die Sehnsucht nach mehr Freiheit ist besonders bei der jungen Generation riesig. Verträgt es nochmals so eine Belastungsprobe?

Angst, den Anschluss zu verlieren

Einer, der den Jungen fast täglich direkt auf den Zahn fühlen kann, ist Aurel Greter (38). Er ist Leiter der Fachstelle Soziokultur in Wädenswil ZH und stellt klar fest: «Für die Jugendlichen ist es momentan sehr zäh!» Corona fühle sich für sie wie eine Ewigkeit an. «Viele haben Angst, etwas zu verpassen. Und damit sind nicht nur Partys gemeint. Es geht auch um den Anschluss an die Mitmenschen.»

Und: Dass der zweite Sommer in Folge kaum echte Normalität verspricht, hat durchaus Frustpotenzial bei den Jungen, so Greter. Hier bestehe darum dringender Handlungsbedarf.

Dass die Jungen in der Pandemie-Politik «so vergessen gehen», sei nicht fair, findet auch Brigitte Contin, Leiterin der Kinder- und Jugendpsychiatrie Baselland. «Kinder und Jugendliche werden zu wenig thematisiert. Sie rücken erst langsam in den Fokus. Es wirkt, als merke man jetzt: ‹Ups, da hats noch eine Gruppe, die wir bislang vergessen haben›», so Contin zu Blick. «Aus meiner Wahrnehmung kann ich bestätigen – die Jungen gingen zeitweise komplett unter.»

Mehr Freiheiten zugestehen

Sie habe daher Verständnis für die Jugendlichen, die sich über die Einschränkungen und die Impf-Reihenfolge nerven. «Es ist wichtig, dass sich die Jungen bemerkbar machen. Am Ende ist der Bundesrat für alle verantwortlich – auch für die Jugendlichen!» Es sei wichtig, dass man der Generation wieder mehr Freiheiten zugestehe. «Veranstaltungen im kleinen Rahmen, Freunde treffen, Sport treiben – all das würde schon viel bewirken.»

Diese Idee befürwortet auch Lulzana Musliu (32) von Pro Juventute. Damit die jüngste Generation die Massnahmen weiterhin so solidarisch mitträgt, müsse der Bund die Jugend bei den Corona-Entscheidungen mehr miteinbeziehen – und ihnen vielleicht auch mal «ein Zückerli» schenken: «Warum nicht bei anstehenden Lockerungen zum Beispiel mal einen Grossanlass mit strikter Testpflicht für Junge wagen?» Muzliu sieht die Gefahr, dass der Jugend zunehmend die Perspektive fehlt. «Leider brauchte es zuerst die wüsten Szenen von Anfang April in St. Gallen, damit überhaupt über die Anliegen der Jungen diskutiert wurde.»

Solidarität nicht überstrapazieren

Trotz der äusserst schwierigen Situation verhalte sich die grosse Mehrheit der Jungen aber noch immer solidarisch und befolge die Regeln, so Marcus Casutt (46) vom Dachverband Offene Kinder- und Jugendarbeit Schweiz. «Wir müssen aber aufpassen, dass wir diese Solidarität nicht überstrapazieren.» Genau das riskiere man aber, wenn die Jugendlichen und jungen Erwachsenen von wiedergewonnenen Freiheiten ausgeklammert werden.

Ohnehin sei der Druck auf diese Generation enorm. Und wenn der Bundesrat Lockerungen der Corona-Massnahmen beschliesst, profitieren die jungen Erwachsenen nur wenig davon. Casutt: «Offene Beizenterrassen sind schön und gut, aber das sind nicht die Orte, wo sich die Jugend trifft. Dabei ist der Austausch untereinander essenziell für Teenager.»

Immunologe sieht Licht am Ende des Tunnels

Immunologe Daniel Speiser (65) weiss: «Die Pandemie ist für Kinder und Jugendliche besonders gemein!» Allerdings sieht der Wissenschaftler Licht am Ende des Tunnels: «Ich gehe davon aus, dass bis im Sommer alle Zugang zur Impfung haben. Dann kehrt auch das normale Leben zurück.»

Spätestens dann sei es wichtig, dass man den Jungen wieder mehr ermögliche. Speiser sagt, ein Festival in kleinem Rahmen für geimpfte oder getestete Junge sei durchaus denkbar. Die Jugend sei es wert, gehört zu werden. Denn, so Speiser: «Die Pandemie trifft die Jungen mitten ins Herz.»


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