Warum diese Frauen gegen höheres Rentenalter demonstrierten
«Kann meinen Job nicht bis 65 machen»

Die Gewerkschaften machen gegen die Anhebung des Frauenrentenalters mobil. Drei Demo-Teilnehmerinnen erklären, warum sie nicht länger arbeiten wollen.
Publiziert: 18.09.2021 um 19:21 Uhr
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Aktualisiert: 18.09.2021 um 23:22 Uhr
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Mehrere Tausend Personen demonstrierten am Samstag gegen die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre.
Foto: keystone-sda.ch
Camilla Alabor

Am Samstag demonstrierten vor dem Bundeshaus mehrere Tausend Personen gegen die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre. Darunter die Spitex-Pflegerin Marie-Odile Heim (59). Jetzt schon merke sie, wie ihr die langen Arbeitstage zunehmend Mühe bereitete, sagt sie zu SonntagsBlick. «Ich wage gar nicht, mir vorzustellen, wie das mit 64 Jahren sein wird.» Oft leistet sie ein Tagespensum von zehn bis zwölf Stunden: «Morgens bin ich meist um sieben Uhr bei meinen Patienten, abends bin ich selten vor 20 Uhr zu Hause.»

Die Zuschläge, mit denen das Parlament die ersten Frauen-Übergangsgenerationen entschädigen will, hält Marie-Odile Heim für «unanständig». «Sie wollen uns ein Zückerchen geben, damit wir schweigen.» Zumal es für viele gar nicht möglich sei, bis zur Pensionierung zu arbeiten: «Ich habe Kolleginnen um die 60, die keinen Job mehr finden – und das, obwohl es einen Mangel an Pflegerinnen gibt!»

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«Frauen arbeiten zu Hause mehr»

Auch die Lokführerin Hanny Weissmüller (48) ging gestern auf die Strasse. «Viele Frauen haben Mini-Löhne und erledigen auch zu Hause den grössten Teil der Arbeit», begründet sie ihre Teilnahme. «Ich kenne einige, die nach der Pension weiter arbeiten müssen, weil ihre magere AHV-Rente nicht ausreicht.» Ihren eigenen Job werde sie kaum bis 64 ausüben können, glaubt Weissmüller. «Die Schichtarbeit macht sich je länger, je mehr bemerkbar.» Als Lokführerin arbeitet sie sechs Tage am Stück, wobei sie für die Frühschicht zwischen halb eins und drei Uhr morgens aufstehen müsse. Die drei Tage Pause zwischendurch reichten kaum aus, um sich zu erholen – «um die Kinder muss man sich ja trotzdem kümmern, und die haben einen normalen Rhythmus.» Viele Lokführer arbeiteten nach 60 Jahren deshalb nur noch in einem Teilzeitpensum, allerdings mit entsprechenden Einbussen beim Lohn und bei der zweiten Säule.

Clotilde Pinto (58) ist von Vevey VD nach Bern gereist, um an der Demo teilzunehmen. Die Verkäuferin moniert, dass es für Über-50-Jährige oft schwierig ist, nach einer Entlassung eine neue Stelle zu finden. Auch aus gesundheitlichen Gründen sei es vielen Verkäuferinnen nicht möglich, bis zum Pensionsalter zu arbeiten. Weil sie bei in ihrem Berufsleben immer dieselben Bewegungsabläufe machen musste, leide sie unter Arthrose, sagt Pinto. Ihre Prognose: «Ich werde meinen Job nicht bis 64 machen können – von 65 ganz zu schweigen.»


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