Über 20'000 Schweizer nutzen die Abnehm-Spritze – darunter Sabrina D. aus Magden AG
«Ich nahm in den ersten zwei Wochen acht Kilo ab»

Für übergewichtige Schweizerinnen und Schweizer lautet die Devise: lieber Spritzen als Schwitzen! Zehntausende setzen hierzulande auf die Abnehmspritze oder andere Medikamente. Blick hat mit Betroffenen gesprochen.
Publiziert: 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 07:18 Uhr
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In der Schweiz wird vermehrt auf medizinische Hilfsmittel zum Abnehmen gesetzt, wobei speziell Abnehmspritzen enorm im Trend sind.
Foto: IMAGO/NurPhoto

Auf einen Blick

  • Abnehmspritzen in der Schweiz im Trend
  • Medikamente effizient, Abnehmen gelingt gut
  • Betroffene erklären: Lebensstiländerung trotzdem erforderlich, Nebenwirkungen möglich
  • 2024: Schätzungsweise 21'200 Schweizer nutzten Abnehmspritzen, Kosten 50 Millionen Franken
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Ein kleiner Piks, eine kleine Pille – und die Kilos purzeln: In der Schweiz wird vermehrt auf medizinische Hilfsmittel zum Abnehmen gesetzt, wobei speziell Abnehmspritzen enorm im Trend sind.

Eleonora Seelig, Oberärztin für Endokrinologie am Unispital Basel, erklärt auf Blick-Anfrage: «Die Nachfrage nach diesen Medikamenten ist sehr hoch, die Wartezeiten dementsprechend lang – aktuell etwa neun Monate am Unispital Basel.»

Auch im internationalen Vergleich führe die Schweiz, so Seelig: «Der Absatz von Abnehmspritzen ist hier hoch. Ein Grund dafür ist, dass diese Medikamente in vielen anderen Ländern nicht von der Grundversicherung übernommen werden – im Gegensatz zur Schweiz.» Hier seien aktuell drei Spritzen zugelassen, wobei nur zwei Typen unter bestimmten Bedingungen übernommen werden.

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Auf Blick-Anfrage gibt das Bundesamt für Gesundheit an, dass es für das Jahr 2024 von schätzungsweise rund 21'200 Personen ausgeht, die auf die beiden vergütungsberechtigten Abnehmspritzen in der Schweiz setzen. Die Kosten für die obligatorische Versicherung: rund 50 Millionen Franken!

Doch wer sind die Menschen, die zur Abnehmspritze oder zu Pillen greifen und was treibt sie an? Sabrina D.* und Anna G.** haben mit Blick über ihre Erfahrungen gesprochen.

«Die Spritze ist nicht für jeden geeignet»

Sabrina D. (34) aus Magden AG kämpfte seit ihrer Kindheit mit Übergewicht, das sich während ihrer unglücklichen Ehe und nach der Schwangerschaft verschärfte. Sie erinnert sich: «Ich habe mich jahrelang vernachlässigt.» Am Schluss wog sie 120 Kilogramm, bei einer Körpergrösse von 1,60 Metern.

Nach der Trennung änderte Sabrina ihren ganzen Lifestyle. Sie beschloss, gegen ihr Übergewicht anzukämpfen. «Ich nahm etwa zehn Kilo ab, aber dann stagnierte es, was mich frustrierte.» Weil sie ein Schilddrüsenproblem hat, bekam sie vor zwei Jahren die Abnehmspritze verschrieben.

Über fünf Monate spritzte sie sich im Jahr 2022 das Mittel täglich und steigerte wöchentlich die Dosis, was zu einem schnellen Gewichtsverlust führte: «Ich nahm in den ersten zwei Wochen acht Kilo ab.» Insgesamt verlor Sabrina 25 Kilo und erreichte ihr Zielgewicht.

Dennoch warnt sie vor den Nebenwirkungen: «Die Spritze ist nicht ohne. Ich litt an Übelkeit, Erbrechen, Durchfall – und das täglich.» Weiter weist sie darauf hin: «Ohne einen veränderten Lebensstil bringt die Spritze nichts! Ausserdem ist sie nicht für jeden geeignet.»

Ähnlich sieht es Seelig: «Abnehmspritzen sind verschreibungspflichtige Medikamente, keine Lifestyle-Produkte. Ohne langfristige Ernährungs- und Aktivitätsanpassungen droht ein Jo-Jo-Effekt, daher muss die Behandlung mit einer Lebensstiländerung einhergehen.»

Seelig warnt vor Anfangs-Nebenwirkungen wie Übelkeit, Durchfall und Blähungen, die individuell stark variieren. Auch weist sie darauf hin, dass der Körper neben Fett auch Muskeln verliert, weshalb mehr Bewegung und ein ausreichender Konsum von Eiweiss wichtig sind.

Die Expertin weist darauf hin, dass es neben den Spritzen – die den grössten Effekt haben – auch noch Tabletten gibt, die eine Gewichtsreduktion ermöglichen. Solche nimmt Anna G. seit Dezember 2023.

Warum Blick Medikamente nicht beim Namen nennt

Blick sowie weitere Newsplattformen sind von Swissmedic – der schweizerischen Zulassungs- und Aufsichtsbehörde für Arzneimittel – aufgefordert worden, Artikel über eine namentlich genannte Abnehmspritze zu löschen. Der Vorwurf: Swissmedic argumentiert, dass die Nennung des Namens Werbung für verschreibungspflichtige Medikamente und damit eine Beeinflussung der Öffentlichkeit – bis hin zum Missbrauch – bedeuten könnte.

Ausgehend aus dem aktuellen Rechtsstreit vermeidet es Blick, die Namen von Medikamenten und deren Wirkstoffen zu nennen. Steffi Buchli, Chief Content Officer bei Blick, hat rund um dieses Thema in einem Kommentar Stellung genommen.

Blick sowie weitere Newsplattformen sind von Swissmedic – der schweizerischen Zulassungs- und Aufsichtsbehörde für Arzneimittel – aufgefordert worden, Artikel über eine namentlich genannte Abnehmspritze zu löschen. Der Vorwurf: Swissmedic argumentiert, dass die Nennung des Namens Werbung für verschreibungspflichtige Medikamente und damit eine Beeinflussung der Öffentlichkeit – bis hin zum Missbrauch – bedeuten könnte.

Ausgehend aus dem aktuellen Rechtsstreit vermeidet es Blick, die Namen von Medikamenten und deren Wirkstoffen zu nennen. Steffi Buchli, Chief Content Officer bei Blick, hat rund um dieses Thema in einem Kommentar Stellung genommen.

«Ich habe Angst, die Tabletten abzusetzen»

Anna G. (36) aus der Nähe von Zürich wog seit ihrer Jugend 43 bis 44 Kilo bei 1,55 Meter Körpergrösse. Vor zwei Jahren begann sie schleichend zuzunehmen und erreichte schliesslich 58 bis 59 Kilo. «Ich war zwar nicht übergewichtig, aber für so kleine Menschen wie mich sind 15 Kilo mehr schon extrem.»

Die Kilos drückten auf ihre Stimmung: «Ich kam mit dem neuen Gewicht nicht klar. Immerhin sind das zwei Kleidergrössen.» Und: «Sowieso habe ich ein erhöhtes Diabetes-Risiko und machte mir deshalb Sorgen.»

Anna erklärt: «Berufsbedingter Stress war wohl der Auslöser für die Zunahme.» Sie versuchte, dem Gewicht mit viermal Sport pro Woche und diversen Ernährungsumstellungen entgegenzuwirken. Vergeblich! 

Im Dezember 2023 suchte sie eine Ärztin auf, die ihr Off-Label-Tabletten verschrieb. Das bedeutet: Das Medikament wurde für Diabetiker entwickelt und zugelassen, nicht für Abnehmwillige. Der Wirkstoff ist das am häufigsten verabreichte orale Antidiabetikum.

Nach rund drei Monaten wurde die anfängliche Dosis von 500 mg verdoppelt. Insgesamt verlor Anna in den ersten vier Monaten über zehn Kilo. Trotz Warnungen vor Nebenwirkungen vertrug sie die Tabletten gut.

Anna hat ihr Wohlfühlgewicht wiedererlangt und verfolgt insgesamt einen gesünderen Lifestyle. Seelig vom Unispital Basel erklärt hierzu: «Eine Gewichtsreduktion kann bei Erkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen Verbesserungen bringen und die Lebensqualität steigern.»

Anna G. sagt: «Ich nehme die Tabletten weiterhin in reduzierter Dosis. Sie geben mir ein positiveres Gefühl: Anders als früher kann ich jetzt ohne schlechtes Gewissen einmal sündigen oder einmal den Sport auslassen und bin schneller satt.» Dass das problematisch ist, ist ihr sehr wohl bewusst: Irgendwann will sie die Tabletten ganz absetzen. «Noch habe ich aber Angst davor.»

* Name bekannt
** Name geändert
 

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