Hier erscheint Bernhard Diethelm vor Gericht
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Misshandlungs-Vorwürfe:Hier erscheint Bernhard Diethelm vor Gericht

Urteil im Sadomaso-Prozess
Bedingte Haftstrafe für Ex-SVP-Kantonsrat Diethelm

Hat der ehemalige SVP-Kantonsrat Bernhard Diethelm bei einem eskalierten Sadomaso-Spiel das Leben einer Prostituierten gefährdet? Der bizarre Fall wurde am Mittwoch vor dem Zürcher Obergericht verhandelt – Diethelm zu einer bedingten Haftstrafe verurteilt.
Publiziert: 04.09.2024 um 01:09 Uhr
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Aktualisiert: 04.09.2024 um 18:55 Uhr
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Der ehemalige Schwyzer Kantonsrat Bernhard Diethelm (41) steht am Mittwoch vor dem Zürcher Obergericht.
Foto: keystone-sda.ch

Auf einen Blick

  • Bernhard Diethelm (41) steht am Mittwoch vor dem Zürcher Obergericht
  • Ihm droht eine Verurteilung wegen der Gefährdung des Lebens einer Prostituierten
  • In erster Instanz kam er mit einer bedingten Strafe davon
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
04.09.2024, 15:00 Uhr

Zusammenfassung

Bernhard Diethelm (41) ist beim Zürcher Obergericht auf taube Ohren gestossen. Der ehemalige Schwyzer SVP-Kantonsrat stand in zweiter Instanz wegen des Angriffs auf eine Prostituierte im Sommer 2021 vor dem Kadi. Die Anklage: Er habe das Leben der Domina gefährdet, indem er sie angegriffen und gewürgt habe. Zuvor habe er gegoogelt, wie man in der Schweiz an das Betäubungsmittel Chloroform kommt.

Freier Diethelm fasste den verhängnisvollen Abend im Zürcher Milieu anders zusammen: Er habe die Frau nur geschubst – nachdem sie ihn gebissen hatte wegen eines Disputs um den Liebens-Lohn. 

Das Gericht kaufte das Diethelm nicht ab: «Ihre Version, dass sie das Opfer einfach nur geschubst hätten, ist schlicht eine Lüge.» Und: «Nur Sie wissen, was mit der Geschädigten passiert wäre, wenn die Frau sich nicht so heftig gewehrt hätte.»

Dass für die Domina Lebensgefahr herrschte, sieht das Gericht nicht als erwiesen an.

Das Urteil: Neun Monate Gefängnis auf Bewährung plus eine Geldstrafe, ebenfalls auf Bewährung. Das Urteil kann noch ans Bundesgericht weitergezogen werden.


04.09.2024, 13:11 Uhr

Ende des Prozesses am Obergericht

Mit der mündlichen Eröffnung des Urteils ist der Prozess am Obergericht abgeschlossen. Bernhard Diethelm kommentierte das Urteil nicht. Ob er an das Bundesgericht gelangen will, liess er offen.

04.09.2024, 13:08 Uhr

Aussagen des Opfers sind glaubhaft

Der Oberrichter betont, dass die Version des Opfers glaubhafter ist. «Sie wurde dreimal einvernommen. Die Inhalte waren identisch, das kann sie nicht einfach auswendig gelernt haben», sagt der Oberrichter. Und: «Ihre Version, dass sie das Opfer einfach nur geschubst hätten, ist schlicht eine Lüge.»

Dann spricht der Oberrichter streng zu dem ehemaligen Kantonsrat: «Nur Sie wissen, was mit der Geschädigten passiert wäre, wenn die Frau sich nicht so heftig gewehrt hätte.» Der Oberrichter ruft noch einmal in Erinnerung, dass Diethelm 2019 sich für K.O.-Tropfen interessiert hatte und als Bestellung in einem Onlineshop in den Warenkorb gelegt hatte. Und noch schlimmer: Nur 45 Minuten vor dem Besuch bei der Geschädigten habe er «Chloroform kaufen Schweiz» in der Google-Suche eingegeben. Der Oberrichter erwähnt das, weil Anzeichen für eine heftigere Tat vorhanden gewesen seien.

Der Freispruch für «Gefährdung des Lebens» erklärt der Richter mit den fehlenden Hinweisen auf eine echte Lebensgefahr. Er erklärt: «So wie die Geschädigte in ihrer Befragung es darstellte, bestand keine akute Lebensgefahr. Sie sprach von Schwindel und Schmerzen. Ihr wurde nicht schwarz vor den Augen und sie kämpfte nicht mit Atemnot.»

04.09.2024, 12:38 Uhr

Das Urteil des Obergerichts

Der Oberrichter verliest das Urteil: 

Der Oberrichter verliest das Urteil: Bernhard Diethelm ist schuldig der einfachen Körperverletzung, für die Gefährdung des Lebens aber spricht das Obergericht einen Freispruch aus. Das Obergericht verurteilt den ehemaligen Kantonsrat zu einer bedingten Freiheitsstrafe von neun Monaten, einer bedingten Geldstrafe über 180 Tagessätze sowie einer Busse von 1000 Franken. Die Busse muss er bezahlen.

04.09.2024, 10:38 Uhr

Urteil um 1230 Uhr

Der Oberrichter schliesst mit dem Schlusswort des Beschuldigten die Verhandlung. Er setzt die Urteilsverkündung auf 1230 Uhr an.

04.09.2024, 10:34 Uhr

Schlusswort des Beschuldigten

«Ich entschuldige mich dafür, was ich gemacht habe. Ich habe sie geschubst», sagt er. «Indizien allein sind noch keine Fakten. Das was sich wirklich abgespielt hatte, lasse ich mir nicht in die Schuhe schieben.» Er bedankt sich bei seiner Familie und seinem beruflichen Umfeld, dass sie zu ihm stehen. «Es wurden mir Sachen unterstellt, die mich als Monster darstellen. Sie haben trotzdem zu mir gehalten.»

04.09.2024, 10:23 Uhr

Anwältin der Privatklägerin betont Glaubwürdigkeit

Die juristische Vertreterin der Geschädigten betont, dass ihre Mandantin glaubwürdig ausgesagt hatte. Er habe sie von hinten attackiert und festgehalten. «Er hatte sie durch die ganze Wohnung gejagt und immer wieder angegriffen», sagt die Anwältin. «Das Verletzungsbild passt dazu. Auch die Halsschmerzen sind dokumentiert», sagt sie. Die Anwältin ergänzt: «Das ist einfache Körperverletzung.»

04.09.2024, 10:16 Uhr

Replik Staatsanwalt

Der Staatsanwalt betont, dass ein Schwitzkasten bereits nach kurzer Zeit gefährlich werden kann. Und die Geschädigte habe Todesangst erlebt. Die Schmerzen am Hals seien erst am Tag darauf aufgetreten.

04.09.2024, 10:10 Uhr

Keine erheblichen Schmerzen?

Gegenüber dem Notfallarzt habe sie unmittelbar nach der Tat nicht über Schmerzen am Hals geklagt, sondern über Knieschmerzen. «Somit ist ein gefährlicher Schwitzkasten wohl unwahrscheinlich.», sagt der Anwalt. Und weiter: «Sie konnte während dem ganzen Vorgang schreien und sich später auch befreien. Auch das spricht gegen gefährliches Würgen. Sie habe ihm auch einen Faustschlag erteilt. Sie sei nie wehrlos gewesen. «Man kann somit nicht von einer einfachen Körperverletzung reden», sagt der Anwalt. Für intensives Würgen oder Atemnot gäbe es keine Hinweise. 

04.09.2024, 09:51 Uhr

Verteidigung kritisiert Aussagen

Wegen der Anklage sei Bernhard Diethelm als gewalttätiges Monster dargestellt worden. «Das ist nicht korrekt», sagt der Anwalt. Er spekuliert, dass man einzelne dokumentierte Verletzungen nicht seinem Mandanten zuordnen kann. «Wann ist ein Bluterguss alt, wann ist er frisch?» Diese Frage sei von der Vorinstanz nicht behandelt worden. «Die Geschädigte hat unter Umständen auch von anderen Personen Verletzungen erlitten», sagt der Anwalt. An Hals, Wangen und Kiefer habe es zudem keine Verletzungen gegeben. Ein Unterarm-Würgegriff sei somit sehr unwahrscheinlich.

Der ehemalige Schwyzer SVP-Kantonsrat Bernhard «Beni» Diethelm (41) ist tief gefallen. Wegen eines brutalen Angriffs auf eine Prostituierte und des Besitzes verbotener Tierpornos kassierte er im Sommer 2023 eine bedingte Gefängnisstrafe. Wohl fast schlimmer für Diethelm: Das Gründungsmitglied der besonders konservativen SVP Wäggital verlor die politischen Ämter, wurde schweizweit bekannt und zur Persona non grata.

«Privates hat mit der Politik nichts zu tun»
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SVP-Kantonsrat zu Vorwürfen:«Privates hat mit der Politik nichts zu tun»

Nun soll er noch tiefer fallen, geht es nach der Staatsanwaltschaft. Der ist das erstinstanzliche Urteil des Zürcher Bezirksgerichts gegen Diethelm nämlich zu mild. Deshalb wird der bizarre Fall am Mittwoch noch einmal vor dem Obergericht aufgerollt.

Hunde-Leine und Corona-Maske

Die Vorgeschichte: Im Sommer 2021 reiste Diethelm nach Zürich, wo er eine deutsche Prostituierte für Sadomaso-Praktiken gebucht hat. Laut Anklage bot ihr der gelernte Koch über 4000 Franken – für stundenlange Spiele mit Hundeleine, Latexhandschuhe und FFP2-Schutzmaske. «Ich habe ihn gefragt, ob er das Geld dabeihabe», sagte die 26-jährige Frau später vor Gericht über das verhängnisvolle Treffen. Da sei Diethelm ausgetickt: Er habe sie von hinten gepackt und in den Schwitzkasten genommen. Daraufhin habe er versucht, sie mit einer unbekannten Substanz zu betäuben.

Es sei zu einem Kampf gekommen. «Mit allen Mitteln» habe sie sich gewehrt, erklärte die Sexworkerin dem Richter. Schürfungen, Kratzer, Prellungen, ausgerissene Haarteile und Unterblutungen (wegen des Würgens) waren die Folgen. Die Anklägerin sieht darin eine versuchte Vergewaltigung und eine Gefährdung des Lebens.

«Hatte nicht die Absicht, sie zu ermorden»

Ganz anders die Version von Freier Diethelm: Die Prostituierte habe ihn in den Finger gebissen, weil er statt 4200 nur 1500 Franken mitgebracht habe. Diethelm: «Ich sah rot und schubste sie». Die vielen Verletzungen könne er sich auch nicht erklären. «Ich hatte zu keiner Zeit die Absicht, die Klägerin zu verletzen, sie zu schänden oder sie zu ermorden», so Diethelm.

Das anerkannte auch das Gericht: In den Anklagepunkten versuchte Vergewaltigung und Gefährdung des Lebens gab es einen Freispruch. Dafür eine Verurteilung wegen Tätlichkeiten, Körperverletzung und eben des Besitzes verbotener Tierpornos. Urteil: Acht Monate auf Bewährung und eine – bedingte – Geldstrafe. 

Die Staatsanwältin hatte eine Freiheitsstrafe von vier Jahren gefordert. Ein blosses Schubsen könne nicht erklären, warum die Frau «mit Verletzungen übersät» gewesen sei. Nebst der Staatsanwaltschaft hatte nach der Verhandlung auch Diethelm selbst Berufung angemeldet. Er war vor der Berufungsverhandlung für eine Stellungnahme nicht erreichbar. 

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