Priester schweigt zu Missbrauchsvorwürfen
«Pfarrer Tätscheli» darf keine Messen mehr feiern

Zungenküsse, Griffe unters Nachthemd: Der Fall eines pädophilen Geistlichen aus der Ostschweiz wühlt nicht nur Gläubige auf. Recherchen zeigen: Trotz Missbrauchsvorwürfen gab der Verdächtige an einer Primarschule Religionsunterricht.
Publiziert: 24.09.2023 um 15:17 Uhr
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Aktualisiert: 25.09.2023 um 12:22 Uhr
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Eine Studie der Uni Zürich belastet «Pfarrer Tätscheli».
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Raphael RauchBundeshausredaktor

Mehr als 1000 Fälle von Missbrauch durch katholische Geistliche listet die Studie der Uni Zürich auf – in einem hat der Bischof von St. Gallen, Markus Büchel (74), nun reagiert, dem des «Pfarrers Tätscheli»: «Er darf keine priesterlichen Funktionen mehr ausüben und keine pastoralen Aufgaben mehr übernehmen», sagt eine Sprecherin des Bistums St. Gallen zu SonntagsBlick. «Es ist ein laufendes Verfahren. Bis zum Abschluss sind keine weiteren Auskünfte möglich.» Bis vor kurzem hatte «Pfarrer Tätscheli» noch öffentlich Messen gefeiert – doch damit sei nun Schluss.

Die Studie der Uni Zürich erhebt massive Vorwürfe gegen «Pfarrer Tätscheli», wie er von ehemaligen Heimkindern genannt wurde. «Kinder berichteten von komischen Küssen mit der Zunge, von Griffen unter Nachthemden beim Zubettgehen», heisst es dort. Im Text des Gutachtens wird der Beschuldigte lediglich «E. M.» genannt. SonntagsBlick hat herausgefunden, wer dahintersteckt: Es handelt sich um den ehemaligen Leiter des Kirchengerichts, im Kirchenlatein «Offizial» genannt. Als Kirchenrechtler dürfte «Pfarrer Tätscheli» die Winkelzüge der innerkirchlichen Pseudo-Justiz genau kennen.

Fachleute forderten Rücktritt bereits 2002

Schon 2002 forderten Präventions-Fachleute des Bistums St. Gallen den Rücktritt des Priesters und eine Therapie. Der damalige Bischof Ivo Fürer (1930–2022) ging auf die Forderungen des Gremiums nicht ein. Er antwortete stattdessen mit Detailfragen. Etwa dieser: «Komische Küsse würden als Zungenküsse interpretiert, ob das genauer abgeklärt werden könne?» Oder: «Könne die Feststellung mit den Nachthemden, die von Priester E. M. bestritten werde, nochmals in einer Aussprache geklärt werden?»

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Immer wieder gab es neue Vorwürfe gegen den Verdächtigen – doch nichts geschah. Auch dann nicht, als sich eine Frau meldete und berichtete, sie habe im Kinderheim mit «Pfarrer Tätscheli» im Bett liegen müssen. Die für das Heim zuständigen Ordensschwestern hätten zum Pfarrer gehalten, nicht zu den Kindern – und «mit Gewalt auf die Anschuldigungen reagiert».

Recherchen von SonntagsBlick zeigen: Der Priester war auch dann noch als Religionslehrer an einer Primarschule tätig, als Bischof Fürer längst von den Vorwürfen wusste und Präventionsexperten vor «Pfarrer Tätscheli» warnten.

Kirchliche Vorermittlung läuft, der Priester schweigt

Das Fazit der Uni Zürich lautet: «In diesem Fall wiegt besonders schwer, dass trotz mehrfachen Insistierens sowohl des diözesanen als auch des nationalen Fachgremiums über Jahre hinweg keinerlei Massnahmen ergriffen wurden, selbst als die Anschuldigungen wiederholt, konkreter und überprüfbarer wurden.»

Bischof Büchel, der auch Vizepräsident der Schweizer Bischofskonferenz ist, räumte letzte Woche ein: «Ich habe einen grossen Fehler gemacht.» Er habe seinem Vorgänger vertraut, dass die alten Fälle geregelt seien und keine erneute Überprüfung nötig sei. Dafür wolle er geradestehen. Mittlerweile hat Büchel «Pfarrer Tätscheli» bei der Polizei angezeigt; auch eine kirchliche Voruntersuchung läuft. 

Der beschuldigte Priester wollte sich gegenüber SonntagsBlick nicht äussern. «Ich sage nichts», meinte «Pfarrer Tätscheli» am Telefon – und legte auf. Es gilt die Unschuldsvermutung.

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