Am Freitagmorgen stehen Zivilpolizisten im De-Wette-Park. Zwischen den Bäumen, direkt neben dem Bahnhof Basel, ziehen sechs junge Menschen einen Leiterwagen mit Megafonen, Lautsprechern und Plakaten. Laufend stossen weitere Jugendliche hinzu. Einer trägt eine Fahne mit der Aufschrift: «End Fossil». Darunter das Logo der Klimaaktivisten: ein Bleistift, der anstelle des Radiergummis eine Faust hat.
Die Aktivisten wollen das Bildungssystem korrigieren. Ihr Hauptkritikpunkt: Im Unterricht werde zu wenig über den Klimawandel gesprochen. Deshalb wollen sie jetzt eine Schule besetzen – deshalb ist auch die Polizei im Hintergrund dabei.
Am Tag zuvor hatten sich in Zürich Mitglieder von «Erde brennt» getroffen. Die Bewegung ist ein Ableger von End Fossil (englisch für: Schluss mit fossilen Brennstoffen). Sie haben sich um einen runden Tisch im fünften Stock der Zentralwäscherei versammelt. Sprecher Cyrill Hermann (19) leitet das Gespräch: «Rassismus, Sexismus, Transfeindlichkeit, Ableismus (Diskriminierung von Behinderten; Red.), welche Themen wollen wir noch ansprechen?»
Testlauf für die Uni?
«Wie wäre es mit Safer Sex?», schlägt jemand vor. Einige lachen. Eine Aktivistin erblickt das Brettspiel Monopoly in einem Regal: «Was zur Hölle macht das hier? Das müssen wir wegwerfen.» Dann geht es um den Plan, am kommenden Dienstag in Zürich eine Schule oder Universität zu besetzen.
Die Aktion in Basel soll ein Testlauf sein. In den sozialen Netzwerken war sie gross als «Erste Schweizer Schulbesetzung» angekündigt. Plötzlich laufen die 50 bis 60 Aktivistinnen und Aktivisten los. Vor ihnen rennt ein knappes Dutzend Journalisten mit Kamera und Notizblock.
Aus mitgebrachten Lautsprecherboxen dröhnt Musik: «Alle hassen Nazis.» Die Jugendlichen skandieren Parolen: «Wessen Schulen? Unsere Schulen! Wessen Zukunft? Unsere Zukunft!»
Niemand will eskalieren
Als der Trupp beim Gymnasium am Münsterplatz eintrifft, steht der Hauswart schon bereit und hält die Tür auf: «Nehmt mit dem Leiterwagen den Hintereingang. Das geht besser.»
Neben ihm steht Rektor Eugen Krieger (49) und lächelt sichtlich angespannt. Die Aktivisten treten ein. Krieger führt sie in die Aula und beginnt sofort, Interviews zu geben: «Ich habe nicht gewusst, dass sie meine Schule besetzen, aber ich bin nicht überrascht.» Gestern hätten sich alle Rektoren aus Basel mit dem Erziehungsdepartement abgesprochen. Fazit: Die Besetzer gewähren lassen. Eine Eskalation will niemand.
Als sich Krieger von den Journalisten abwendet, nehmen ihn zwei Männer zur Seite: «Wie ist alles verlaufen?» – Der Rektor: «Friedlich» – «Wenn sie Hilfe brauchen, rufen sie uns.» – «Ist in Ordnung.» Auf die Frage von SonntagsBlick, ob sie Polizisten seien, antwortet einer: «Wir sind von Telebasel.» Sein Kollege verweist an die Medienstelle der Polizei. Dann verschwinden sie. In der Aula starten die Aktivisten ihre Workshops – ohne den Schulbetrieb zu stören.
Neues Kapitel aufschlagen
Ziel der Aktion: der Klimajugend wieder Aufwind zu verschaffen. Die Corona-Pandemie hatte ihre Aktivitäten zum Erliegen gebracht. Mangels Erfolgen schwebt eine Burnout-Welle durch die Aktivisten-Szene. Und dann kamen auch noch die Klima-Kleber und ramponierten das Image aller Bewegungen. Mit der Schulbesetzung in Basel wollen sie nun ein neues Kapitel aufschlagen.
Die Organisatoren zeigen sich zufrieden. Cyrill Hermann, Sprecher von Erde brennt, blickt dem Dienstag optimistisch entgegen: «In Zürich wollen wir einen Schritt weitergehen und den Unterricht stören.» Ziel sei es, «auf unabsehbare Zeit» mehrere Schulzimmer zu besetzen. Die Aktion in Basel war begrenzt. Am Abend zogen die «Besetzer» wieder ab. Die Aula haben sie wie angetroffen hinterlassen.
Das gefällt dem Rektor – bis jetzt.