Am Anfang war Greta. Mit ihrem Schulstreik fürs Klima, den die damals 15-Jährige erstmals im August 2018 vor dem schwedischen Parlament durchführte, entstand eine weltweite Bewegung, die auch die Schweiz erfasste. Vor allem der Klimastreik mobilisierte hierzulande schnell Tausende.
Anfangs noch ziemlich brav, agiert dieser Zusammenschluss von Schülerinnen, Lernenden und Studenten seit zwei Jahren erkennbar aufmüpfiger. Spätestens nach der Besetzung des Bundesplatzes 2020, bei dem Bewegungen wie Klimastreik und Extinction Rebellion zusammenspannten, schreckten die Aktiven auch vor illegalen Aktionen nicht mehr zurück. Heute sei man sich einig, dass es mehr braucht als Demonstrationen, sagt Cyrill Hermann (19).
Doch wo sind die Grenzen? Es sei zu tun, was nötig ist, findet der Klimastreik-Sprecher. Nach wie vor sei aber jede Gewalt gegen Lebewesen tabu.
Aktuelle Krisen wirken mobilisierend
Nachdem die Klimabewegung in den Monaten der Pandemie viel Schwung verlor, erfreue sie sich jetzt wieder grösseren Zulaufs. «Dieser Sommer hat nochmals deutlich gemacht, wie krass die Klimakrise einschlagen wird. Gleichzeitig wird die Situation durch den Krieg, die Energiekrise und die Inflation nicht einfacher – das wirkt mobilisierend», so Hermann.
So tritt die Klimabewegung seit einigen Wochen wieder vermehrt in Erscheinung – unter anderem mit Kundgebungen gegen das geplante Reserve-Gaskraftwerk in Birr AG oder einer Plakat-Aktion auf der Bundesterrasse am Montag. Für grösste Aufmerksamkeit und heftigste Kontroversen aber sorgten die Aktivisten von Renovate Switzerland, die in einigen Städten den Autoverkehr blockierten, indem sie sich auf dem Asphalt festklebten.
Mittlerweile existieren hierzulande verschiedene Organisationen, die sich dem Klimaaktivismus verschrieben haben. Eine Übersicht:
Extinction Rebellion
Extinction Rebellion (kurz XR), 2018 in England entstanden, hat mittlerweile weltweit Ableger. Die Aktivisten nutzen seit Beginn Methoden des zivilen Ungehorsams und Gesetzesbrüche, um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen. Sie zeigen sich immer wieder auffällig gekleidet, besetzen öffentliche Plätze, Strassen und Institutionen oder führen Farbaktionen durch. 2019 etwa färbten sie die Limmat in Zürich grün. Aufsehen erregte XR in Zürich auch 2021, als die Organisation an mehreren Tagen Sitzblockaden veranstaltete. Mehrere Aktivisten standen bereits vor Gericht. Zuletzt wurde es etwas ruhiger um die Gruppe. Im Oktober nahmen XR-Mitglieder an der erwähnten Demonstration gegen das geplante Gaskraftwerk in Birr AG teil.
Klimastreik
Die Klimastreik-Bewegung entstand aus freitäglichen Schulstreiks, die erstmals im Dezember 2018 stattfanden. Seither rief der Zusammenschluss zu zahlreichen Demonstrationen auf und verfasste unter anderem mit Wissenschaftlerinnen einen Klimaaktionsplan, der Lösungen zum Problem der Erderwärmung vorschlägt. Der Klimastreik steht laut Sprecher Hermann in engem Austausch mit anderen Gruppen wie Extinction Rebellion, sieht jedoch – zumindest gemäss Hermann – die Strassenblockaden von Renovate kritisch: «Wir möchten die Bevölkerung ins Boot holen und sie nicht vergraulen. Der Klimastreik will zivilen Ungehorsam nicht gegen die breite Bevölkerung richten, sondern gegen jene, die die Hebel in der Hand haben, also Finanzwesen, Regierung, Konzerne.» Zugleich plant aber auch der Klimastreik eine Radikalisierung, an der sich die Geister mit Gewissheit scheiden werden: Im kommenden Jahr sollen Schulen und Unis besetzt werden.
Renovate Switzerland
Die Aktivisten von Renovate traten im April dieses Jahres zum ersten Mal öffentlich in Erscheinung und haben seither immer wieder Strassen blockiert, zuletzt mehrmals im Oktober. Bei den Aktionen dieser Gruppe wirken unter anderen Professorinnen oder pensionierte Zahnärzte mit. Viele hatten laut eigenen Aussagen zuvor keine Erfahrung mit zivilem Widerstand, Einzelne machten früher bei Extinction Rebellion mit. Renovate unterscheidet sich von anderen Organisationen auch dadurch, dass sie eine einzelne konkrete Forderung an den Bundesrat richtet: Er soll die Wärmesanierung von Gebäuden vorantreiben. Zurzeit erwartet die Gruppe eine Antwort auf ihren offenen Brief an Umweltministerin Simonetta Sommaruga, in dem sie respektive ihre Nachfolgerin oder ihr Nachfolger um ein Gespräch gebeten wird. Bis dahin seien keine weiteren Blockaden geplant, sagt Renovate-Sprecherin Cécile Bessire.
Debt for Climate
Die Gruppierung entstand im Sommer dieses Jahres, inspiriert von einer internationalen Kampagne, die von Menschen aus Südamerika und Afrika gestartet wurde. Sie fordert, dass arme Länder von ihren Schulden befreit werden, damit sie es sich leisten können, fossile Energien ungenutzt zu lassen. Im Oktober blockierten Mitglieder von Debt for Climate mit Holzkonstrukten die Zufahrt zu einer Erdölraffinerie in Cressier NE.
Klimagrosseltern
Der Zusammenschluss von Grossmüttern und Grossvätern nimmt an Klima-Demos teil, organisiert aber auch öffentliche Aktionen in Eigenregie, etwa zum Thema Kreislaufwirtschaft. Ausserdem veranstaltet man sogenannte Klimahöcks oder beteiligt sich an Projekttagen in Schulen. Die ersten Regionalgruppen in der Deutschschweiz entstanden 2019.