«Doppelmoral», «Scheinheiligkeit», «Heuchelei»! So lauteten die Reaktionen zum Reisetrip der zwei jungen deutschen Klima-Aktivisten Luisa S.* (22) und Yannick S.* (24) nach Bali. Wenige Monate nachdem sich die beiden in Stuttgart noch auf die Strasse geklebt hatten mit der Forderung: «Öl sparen statt bohren», machten sie sich laut «Bild» per Langstreckenflug auf den Weg in die Ferien. Zuerst nach Thailand, dann nach Bali. Weil die beiden Aktivisten deswegen einen Gerichtstermin in der Heimat verpassten, flog der CO₂-reiche Trip auf.
Die Geschichte sorgte in Deutschland im Februar 2023 für Unverständnis und Kopfschütteln. Aufgrund der hohen moralischen Prinzipien der Klimabewegung, die im krassen Gegensatz zu solchen Flügen stehen, fragen sich viele, wie man die Airlines für ihre Umweltverschmutzung kritisieren kann und gleichzeitig 12'000 Kilometer nach Asien fliegt. «Sie haben den Flug als Privatleute gebucht, nicht als Klimaschützer. Das muss man auseinanderhalten können», verteidigt ein Sprecher des Aktionsbündnisses «Letzte Generation» die Ferienreise der Klimaschützer.
«Nachhaltiges Leben wegen System unmöglich»
Auch in der Schweiz relativierten Exponenten der Klimabewegung die Brisanz der Reise. Auf Blick-Anfrage erklärte die Klimaprotestbewegung «Extinction Rebellion Zürich» schriftlich, dass es sich bei der Klimakrise um ein systemisches Problem handle und man die Schuld dafür nicht bei einzelnen Individuen suche. Viel eher schreibt man die Schuld dem Staat zu: «Wir verurteilen die untätigen Regierungen. Diese sind verantwortlich dafür, dass Kerosin noch immer nicht besteuert wird wie beispielsweise Pommes Frites oder Benzin. Darum sind Flugreisen so billig.»
Einen Verhaltenskodex zum Thema Reisen gebe es bei «Extinction Rebellion» nicht: «Weil alle unsere Aktivist:innen den Ernst der Klima- und Biodiversitätslage verstanden haben, verhalten sie sich so gut wie alle privat sehr nachhaltig. Deshalb und auch prinzipiell geben wir unseren Aktivist:innen keine Empfehlungen ab.»
Auch bei den Jungen Grünen, die traditionell eng mit der Klimabewegung verbunden sind, werden keine Verhaltensempfehlungen abgegeben, wie Magdalena Erni, Co-Präsidentin der Jungen Grünen sagte: «Unsere Mitglieder können selbst entscheiden, wie sie ihre Ferien verbringen und wie sie im Allgemeinen ihr Leben zu leben pflegen.» Auch Erni betont, dass die Klimakrise ein systemisches Problem sei und gibt zu bedenken: «Es ist unmöglich, in einer nicht nachhaltigen Welt ein nachhaltiges Leben zu führen.»
*Namen bekannt