Erneut sorgt eine Urteilsbegründung nach einer Vergewaltigung für Aufsehen: Ein Richter hatte den zur Tatzeit 24-jährigen Mann zu einer Haftstrafe von einem Jahr verurteilt. «Es war eine relativ milde Vergewaltigung, wenn man das überhaupt so sagen kann», sagte der Richter dazu beim Amtsgericht Olten-Gösgen. Das berichtet das «Oltner Tagblatt».
Zur Straftat kam es in einem Stuttgarter Hotelzimmer im Februar 2018. Das Opfer – damals 17 Jahre alt – sagte vor Gericht aus, der Mann habe ihre Handgelenke fest umklammert, sie auf das Bett gedrückt und ihre Hose runtergezogen. Dann sei er gegen ihren Willen ungeschützt in sie eingedrungen.
«Ein Minimum an nötiger Gewalt»
Die Staatsanwaltschaft hat für den Türken eine Haftstrafe von drei Jahren und einen Landesverweis von zehn Jahren gefordert. Vor Gericht wurde er nun aber zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 28 Monaten verurteilt, für zwölf Monate muss er hinter Gitter. Dazu kommt ein Landesverweis von sieben Jahren und eine Genugtuung für das Opfer sowie die Übernahme der Verfahrenskosten.
Bei einer Vergewaltigung drohen den Tätern bis zu zehn Jahre Haft. Dass der Mann nun für eine vergleichsweise kurze Zeit einsitzen muss, sah das Gericht als «dem Verschulden angemessen». Denn die Vergewaltigung habe «nur kurz gedauert» und es sei «ein Minimum an nötiger Gewalt» begangen worden, sagte der Amtsgerichtspräsident Valentin Walter.
«Schämen Sie sich!»
Die Urteilsbegründung löste auf Twitter Empörung aus. Agota Lavoyer, Leiterin der Opferhilfe Solothurn, kommentierte den Satz «es war eine milde Vergewaltigung, wenn man das überhaupt so sagen kann» mit «Nein, kann man nicht, Herr Amtsgerichtspräsident».
«Das Opfer muss zum zweiten Mal eine Demütigung erfahren, erbärmlich ‹Herr Amtsgerichtspräsident›, schämen Sie sich!», pflichten ihre andere Userinnen bei. «Was soll an einer Vergewaltigung ‹relativ milde› sein!?», fragt sich eine andere Person.
Erst vor wenigen Monaten stand das Basler Vergewaltigungs-Urteil in den Schlagzeilen. Die Gerichtspräsidentin Liselotte Henz stand in der Kritik, weil sie dem Opfer unterstellte, auf die Männer «Signale ausgesendet» und «mit dem Feuer gespielt» zu haben. Diese Woche veröffentlichte das Appellationsgericht eine Mitteilung, in dem es betonte: «Die Neubewertung der Strafzumessung bedeutet weder eine Infragestellung der Tat noch eine Zuweisung von Mitverantwortung des Opfers». (man)