Opfer Mitschuld gegeben?
Basler Gericht erklärt das Vergewaltigungs-Urteil

João P.* hatte eine Frau in Basel vergewaltigt und wurde zu mehreren Jahren Knast verurteilt. Auf die Gerichtspräsidentin prasselte ein Shitstorm nieder, weil sie dem Opfer unterstellte, «mit dem Feuer gespielt» zu haben. Jetzt weist das Gericht den Vorwurf zurück.
Publiziert: 17.11.2021 um 09:42 Uhr
|
Aktualisiert: 17.11.2021 um 18:18 Uhr
1/8
João P. (32) ist wegen Vergewaltigung verurteilt. Seine Strafe wurde später aber stark reduziert.
Foto: Zvg

Das Basler Vergewaltigungs-Urteil sorgte im Juli landesweit für Aufsehen. Der Täter João P.* (32) wurde zuerst vor dem Strafgericht zu vier Jahren und drei Monaten Knast verurteilt. Das Appellationsgericht reduzierte die Strafe auf drei Jahre und verkürzte auch den Landesverweis von acht auf sechs Jahre. Zudem wurde die Genugtuung von 12'000 auf 9000 Franken reduziert.

Zu reden gaben einige Sätze aus der Urteilsbegründung. Das Opfer (33) habe unter anderem auf die Männer «Signale ausgesendet», weil es zuvor mit einem anderen Mann auf der Club-Toilette verschwand. Das würde das Vergehen «relativieren». «Man muss feststellen, dass sie mit dem Feuer spielt», zitierte die «bz Basel» die Gerichtspräsidentin Liselotte Henz.

«Tat nicht infrage gestellt»

Nun veröffentlicht das Appellationsgericht eine weitere Medienmitteilung zu dem Fall. «Die Neubewertung der Strafzumessung bedeutet weder eine Infragestellung der Tat noch eine Zuweisung von Mitverantwortung des Opfers», heisst es darin.

Allerdings habe das Appellationsgericht festgestellt, dass sich das Strafgericht «bei der Festsetzung der Strafe nicht an die Vorgaben des Bundesgerichts zur Gesamtstrafenbildung gehalten» habe. Deswegen habe das Appellationsgericht das Strafmass eigenständig neu beurteilen müssen.

Opfer sollte nicht disqualifiziert werden

Es gebe konkrete Kriterien, nach welchen die Schwere der Tat zu beurteilen sei, um entsprechend das Strafmass festzusetzen. Solche Kriterien seien unter anderem: Wertung des Tatverlaufs nach «Schwere» (wie Aufwand, Hartnäckigkeit, Art und Dauer der Gewalttätigkeit durch Täter), Planung der Tat, Vergleich mit der Strafzumessung bei ähnlichen Fällen und ob sich der Täter freiwillig gestellt hat, erklärt das Gericht.

Die subjektive Vorstellung des Beurteilten habe bei der Beurteilung der Tat keine Rolle gespielt. Sie sei einzig in die Strafzumessung eingeflossen, weil daraus keine vorgängige Planung der Tat abzuleiten sei.

Bereits im Sommer – kurz nachdem der Shitstorm losging – hatte sich das Gericht zu Wort gemeldet. Schon damals hiess es, es sei nicht darum gegangen, «das Opfer zu disqualifizieren». Mit dem schriftlichen Urteil betont das Appellationsgericht den Standpunkt erneut. (man)

* Name geändert

Fehler gefunden? Jetzt melden

Was sagst du dazu?