Papst Franziskus ehrte gestern in Rom 21 Gottesmänner mit dem Kardinalsrang. Zu den neuen Purpurträgern zählt der Walliser Vatikan-Diplomat Emil Paul Tscherrig (76). Als Kardinal gehört er nun zum innersten Machtzirkel der katholischen Kirche. Weltweit gibt es aktuell 242 Kardinäle. Wer von ihnen jünger als 80 ist, darf den nächsten Papst mitwählen.
Die Schweizer Missbrauchskrise scheint da weit weg – und ist in Rom dennoch präsent. Zu Tscherrigs Gratulanten gehörten zwei Schweizer Bischöfe, die unter Vertuschungsverdacht stehen: der Bischof von Sitten, Jean-Marie Lovey (73), und der ehemalige Bischof von Reykjavík, Peter Bürcher (77).
Zeugenaussagen zum Teil unter Geheimhaltung
Unter den neuen Kardinälen ist auch Víctor Manuel Fernández (61), Chef der Glaubenskongregation, früher Inquisition genannt. In deren Archiv lagern unter anderem Dossiers über Schweizer Missbrauchsfälle, welche die Uni Zürich gerne einsehen würde. Fernández zu SonntagsBlick: «Das müssen wir gemeinsam analysieren. Auf der einen Seite wollen wir Transparenz. Auf der anderen Seite gibt es in den Archiven Zeugenaussagen von Menschen, die um absolute Geheimhaltung gebeten haben. Wir können dem Willen dieser Menschen nicht widersprechen. Wir haben auch mit der italienischen Bischofskonferenz darüber gesprochen, um zu sehen, was wir konkret tun können, ohne den Willen einiger Menschen zu verletzen.»
Und wie sieht es mit den Akten in der Berner Nuntiatur aus? Bislang weigerte sich der Papst-Botschafter in der Schweiz, Erzbischof Martin Krebs (66), sein Archiv für die Uni Zürich zu öffnen. SonntagsBlick hakte bei Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin (68) nach, dem Vorgesetzten von Krebs.
Der findet: «Die Schweizer Bischöfe haben sich noch nicht bei mir gemeldet. Aber wenn eine Anfrage kommt, werden wir sie prüfen.» Diplomatische Akten unterlägen der Geheimhaltung. Und eine punktuelle Einsicht nur in Missbrauchsakten? «Das können wir prüfen», sagt Parolin.
In der Schweiz werden unterdes Stimmen nach einer staatlichen Intervention lauter. Die Westschweizer Opferschutzorganisation Sapec verlangt in einem offenen Brief an Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider (59), sie dürfe die Kirche bei der Einrichtung eines nationalen Kirchengerichts nicht allein lassen: «Wie kann man sicher sein, dass ein solches Gericht, das ausschliesslich von der Kirche abhängt, unparteiisch ist?»
Baume-Schneiders Departement bestätigt den Eingang des Schreibens. Aber: «Für die Bundesrätin stellt sich die Frage eines nationalen Kirchengerichts derzeit nicht. Sie setzt auf die geltende Strafjustiz in der Schweiz.» Die Sapec reagierte enttäuscht. Denn im Gegensatz zum weltlichen Strafrecht kann das kirchliche die Verjährung in Missbrauchsfällen aufheben.
Mehr zum Kirchen-Skandal
Die Zürcher Justiz- und Religionsministerin Jacqueline Fehr (60) plant eine schweizweite Initiative der Staatsanwaltschaft. «Frau Fehr gab dem leitenden Oberstaatsanwalt des Kantons Zürich den Auftrag, in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Staatsanwälte-Konferenz (SSK) einen Vorschlag für eine interkantonale strafrechtliche Untersuchung der Missbrauchsfälle und deren Umstände auszuarbeiten», teilte Fehrs Sprecherin mit.
Laut SSK wären ausserordentliche Staatsanwälte denkbar, die über Kantonsgrenzen hinweg ermitteln. «Ein solcher Prozess müsste von der Politik angestossen werden», teilt sie mit.
Fehr will sich nun mit anderen Kantonen abstimmen.