«Nein, ich spürte die psychischen Nebenwirkungen»
3:31
Nehmen Sie die Pille?«Nein, ich spürte die psychischen Nebenwirkungen»

Immer mehr Frauen verzichten auf hormonelle Verhütung – nicht nur wegen der Nebenwirkungen
«Die Pille hat mir einfach nicht gutgetan»

Viele junge Frauen verzichten auf die Einnahme der Antibabypille, zeigen Statistiken. Eine Blick-Umfrage zeigt: Die Gründe dafür sind sehr individuell. Viele haben Angst vor Nebenwirkungen, andere sehen den Mann in der Verantwortung.
Publiziert: 08.11.2021 um 00:50 Uhr
|
Aktualisiert: 08.11.2021 um 09:31 Uhr
1/13
Studentin Sophie Schafroth (18) aus Ostermundigen BE verzichtet auf die Einnahme der Pille und sagt: «Auch wenn ich einen Freund hätte, würde ich eher auf eine hormonfreie Alternative zurückgreifen.»
Foto: Luisa Ita
Luisa Ita

Auf die Pille verzichten und hormonfrei verhüten – in den sozialen Medien ist der Trend eindeutig. Influencerinnen berichten auf Instagram von ihren Erfahrungen nach dem Absetzen. Viele leiden in den ersten Monaten unter Akne und heftigen Regelschmerzen, fühlen sich nach eigener Aussage aber trotzdem befreit von Stimmungsschwankungen.

Tatsächlich zeigt auch eine Befragung des Bundesamts für Statistik (BFS), die Anfang dieses Jahr erschienen ist: Gerade bei jungen Frauen unter 35 Jahren sind die Zahlen stark rückläufig. Während 1992 noch 67 Prozent von ihnen mit der Antibabypille verhüteten, waren es 25 Jahre später nur noch 45 Prozent. In allen Altersgruppen sank die Einnahme von 52 auf 33 Prozent.

Nebenwirkungen der Pille seltener geworden

Diesen Trend beobachtet auch Bruno Imthurn. Der ehemalige Direktor der Klinik für Reproduktions-Endokrinologie am Universitätsspital Zürich erklärt im Interview mit Blick, dass viele Frauen den Drang nach einer Verhütung ohne Nebenwirkungen und Komplikationen hätten – und er das voll und ganz verstehe.

Dennoch sagt er: «Interessant ist, dass die Nebenwirkungen und Risiken der Pille seit ihrer Einführung in den 60er-Jahren massivst abgenommen haben. Damals wurde die Pille als grosse Errungenschaft für die Selbstbestimmung der Frauen gefeiert. Heute jedoch wird der Blick fast ausschliesslich auf die sicher vorhandenen, aber nur noch seltenen Komplikationen gerichtet.» Die wesentlich höheren Risiken der unerwünschten Schwangerschaft würden gerne ausgeblendet.

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.

Keine grösseren Innovationen in Sicht

Er wagt einen Vergleich: «Es ist fast wie bei der Covid-Impfung: Die Kritiker sehen nur die seltenen Risiken, nicht aber den grossen Nutzen der Impfung und die viel höheren Risiken der Covid-Erkrankung.»

Grosse Innovationen seien in der Entwicklung von Verhütungsmitteln gerade nicht in Sicht, meint der Präsident des wissenschaftlichen Beirats und Vorstandsmitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG). Forschungen an einer Pille für den Mann seien unterdessen ausserdem praktisch eingestellt worden: «Es ist wesentlich einfacher, die Reifung einer Eizelle bei der Frau zu unterbinden als die Entstehung von vielen Millionen Spermien.» Zudem hätte auch bei Männern die Skepsis gegenüber Hormonen in den letzten Jahren stark zugenommen.

Sie wollen keine Hormone

Eine Blick-Umfrage zeigt: Tatsächlich scheint Verhütung ohne Hormone bei den jungen Frauen ein grosses Thema zu sein. Studentin Lara Rüedi (20) aus Kriens LU hat das erlebt, wovon derzeit viele Frauen auf Social Media berichten: «Ich habe die Pille für etwa zwei Jahre bis im letzten Januar genommen. Dann habe ich sie abgesetzt, weil ich zu viele psychische Nebenwirkungen verspürt habe.» Sie habe enorm unter Stimmungsschwankungen gelitten, erzählt sie: «Es hat mir einfach nicht mehr gutgetan.»

In Absprache mit ihrer Frauenärztin habe sie schliesslich das Medikament abgesetzt. «Und jetzt geht es mir viel besser», meint die Luzernerin.

«In meinem Umfeld haben mir viele abgeraten»

Die Einnahme von Hormonen scheint vielen jungen Frauen tatsächlich Angst zu machen. Die angehende Dentalassistentin Caroline Scheffold (17) aus Freiburg meint: «Ich nehme die Pille nicht, weil ich Respekt vor den Nebenwirkungen habe. In meinem Umfeld haben mir viele abgeraten.» Besonders die Stimmungsschwankungen, die als Begleiterscheinung auftreten können, würden sie abschrecken.

«Wieso muss immer die Frau verhüten?»

Auch Studentin Sophie Schafroth (18) aus Ostermundigen BE verzichtet auf die Einnahme der Antibabypille. «Ich habe keinen Freund und ich möchte sie nicht nehmen, nur um meine Periode nicht zu kriegen. Das ist für mich ein zu kleiner Gewinn dafür, dass ich täglich Hormone einnehmen muss», so die junge Frau. «Auch wenn ich einen Freund hätte, würde ich eher auf eine hormonfreie Alternative zurückgreifen.» Sie begründet: «Ich möchte mich selbst und mein Umfeld nicht mit plötzlichen Stimmungsschwankungen belasten.»

Die junge Frau kritisiert auch, dass es in der Gesellschaft eine Selbstverständlichkeit sei, dass sich die Frau um die Verhütung kümmere: «Wieso muss immer die Frau verhüten, der Mann kann dies ja auch!» Damit geht auch Caroline Scheffold einig: «Wenn die Männer ein Kondom überstreifen müssen, dann ist das ja wirklich kein Weltuntergang. Sie können für uns Frauen auch mal etwas tun!»

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?